Länderauswahl:
Du wurdest von unserer Mobile-Seite hierher weitergeleitet.

Special - Die Spielebranche : Schlimmer als im Kindergarten

  • Multi
Von  |  | Kommentieren

Seit Jahren kämpfen wir um Anerkennung. Spiele sind Kunst, Gamer keine Amokläufer, Spielentwickler ist ein Knochenjob und als Journalist in dieser Branche lässt sich tatsächlich Geld verdienen. Irre. Werden wir trotzdem gesellschaftlich akzeptiert? Nein, und das völlig zu Recht. Wenn wir uns anschauen, was in den letzten Tagen in dieser Branche vorgefallen ist, kann man nur den Kopf schütteln. Hier geht es schlimmer zu als im Kindergarten.

Marcus Beers Beruf ist es, Leute anzumaulen. Auf gametrailers.com mimt er regelmäßig den "Annoyed Gamer" und teilt dort ordentlich aus. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und zieht gleichermaßen über Spiele, Entwickler, Publisher und andere Firmen her. Auch wenn die Show gerade in der Sommerpause steckt, befindet sich Beer weiter in Redelaune. In der jüngsten Ausgabe des Invisible-Wall-Podcasts knüpfte er sich gleich zu Anfang FEZ-Entwickler Phillipe Poisson, besser bekannt unter dem Namen Phil Fish, sowie Jonathan Blow vor, der dank Braid einigen Leuten ein Begriff sein sollte.

Den Stein ins Rollen brachten die beiden, als diverse Redaktionen sie um eine Stellungnahme bezüglich der Veröffentlichungsstrategie der Xbox One baten und sie diese verweigerten. Beide wären die "selbsternannten Könige des Indie-Genres", deren Popularität aufgrund der Dokumentation "Indie Game: The Movie" schlagartig gestiegen war. Besonders über deren Verhalten regte sich der "Annoyed Gamer" auf. In seinem Monolog redete sich Beer in Rage, beschimpfte sie als Wichser und stellte klar, dass Phil Fish in seinen Augen die meiste Zeit ein Arschloch sei.

"I fucking hate this industry" - Phil Fish

Das ließ der Kanadier nicht lange auf sich sitzen. Er machte seinem Ärger auf Twitter Luft und riet dem Gametrailers-Moderator zum Selbstmord. Zwar löschte er diese Nachricht wenig später, dennoch war diese Aussage ein gefundenes Fressen für viele, um sich in diese Unterhaltung einzumischen. Was genau Phil Fish dazu brachte, schlussendlich zu verkünden, alle Arbeiten an dem Platformer FEZ II einzustellen, ist nicht genau bekannt. Er erklärte auf seiner Polytron-Seite, dass es nicht die Reaktion auf einen einzelnen Vorfall sei, sondern vielmehr das Ende einer "langen, schmutzigen Kampagne".

FEZ Bild 1FEZ Bild 2FEZ Bild 3

Da stellen sich bei mir gleich mehrere Fragen. Erstens: Ist Marcus Beer über das Ziel hinausgeschossen? Ja. Zweitens: War die Reaktion von Phil Fish, der, wie die Vergangenheit zeigte, ebenfalls kein Kind von Traurigkeit ist, übertrieben? Ja. Drittens: Hätte man diesen "Streit" anders lösen können? Ja. Aber vor allen Dingen: Unter was für einem Druck stehen eigentlich die Menschen in dieser Branche? Offenbar unter großem.

"I hope ur fucking family gets killed slowly in front of ur eyes and u getting locked in a basement and gets stabbed until u die" - @RobinLinddberg

Immer öfter wird publik, dass kreative Köpfe für Entscheidungen und Maßnahmen massiv attackiert werden. Jüngst musste Design Director David Vondehaar eine Welle der Entrüstung über sich ergehen lassen, weil im aktuellen Call of Duty: Black Ops 2 Veränderungen an den Waffen getätigt wurden. Neben den fast schon obligatorischen Morddrohungen machten viele nicht mal vor seinen Angehörigen halt. Die Familie soll "bei einem Autounfall verbrennen" und "qualvoll vergewaltigt werden", tönte es im Internet. Abartig.

Hier zeigt sich das wahre Problem: Mittlerweile kann jeder unter dem Deckmantel der Anonymität im Internet schreiben, was er will. Was tendenziell eine gute Sache ist, sprengt immer häufiger den Rahmen. Da wird nicht großartig nachgedacht, sondern einfach getextet. Dass die Empfänger Gefühle haben und solche Beleidigungen sie ernsthaft verletzen können, interessiert niemanden. Capcom ändert im Zuge der Neuinterpretation Dantes für Devil May Cry die Haarfarbe? Die Entwickler sollen alle draufgehen. Am besten mehrmals. Doch was verleitet diese Spieleliebhaber zu solchen Gefühlsausbrüchen. Ist das noch Liebe zum Hobby? Ich sage: Nein.

"I will rape you when I get the chance" - @CoolDehLa

Anita Sarkeesian kann ein Lied davon singen. Seit sie auf Kickstarter ihre Kampagne "Tropes vs. Women in Videogames" startete, gerät sie immer wieder ins widerwärtigste Kreuzfeuer aufgebrachter Gamer. Aber warum reagieren die Leute so extrem? Was verleitet sie dazu, so dermaßen aus der Haut zu fahren und fremden Personen den Tod zu wünschen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht und bin völlig ratlos. Aber es macht mich ziemlich wütend. So langsam bekomme ich das Gefühl, dass diese ganze Branche durchdreht.

Der Hass als Stilmittel: längst wurde er akzeptiert. Egal ob Annoyed Gamer, Angry Joe, Francis und der Angry Videogame Nerd: Sie sind Kultfiguren, die im Internet viele Anhänger finden. Während man hervorragend darüber streiten kann, inwiefern das witzig ist oder nicht, scheinen viele jedoch zu vergessen, dass diese Leute lediglich eine Rolle verkörpern, um zu unterhalten. Anders als bei den Internet-Nutzern: Ohne Rücksicht auf Verluste wird jeder fertiggemacht, der es wagt, sich ihnen in den Weg zu stellen. Egal ob Entwickler, PR-Mitarbeiter oder Spieleanhänger. Der Ton wird zunehmend schärfer. So scharf, dass die amerikanischen Kollegen von IGN sich vor Kurzem gezwungen sahen, die Forenregeln zu überarbeiten. Der Erfolg lässt aktuell noch auf sich warten.

In diesem Zustand möchte ich gar nicht, dass unser aller liebstes Hobby gesellschaftlich akzeptiert wird. Ich will nicht, dass andere Menschen sehen, was für Personen hier ihr Unwesen treiben. Das ist hochgradig beschämend. Wenn die "Fans" es nicht langsam mal lernen, halbwegs vernünftig miteinander umzugehen, macht mir dieses Umfeld bald keinen Spaß mehr. Wie seht ihr das? Hat die Branche ein Kommunikationsproblem? Schreibt eure Meinungen oder Erfahrungen in den Kommentarbereich.

Kommentarezum Artikel