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Test - Split : Endlich: Der neue Film des Sixth-Sense-Machers ist wieder richtig gut

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    Shyamalan stolperte mit einem gleichermaßen verblüffenden wie geklauten Film ins Rampenlicht und galt kurzzeitig als Hollywoods neues Wunderkind. Es folgten zahllose Enttäuschungen und halbgare Handlungswendungen, die das Fundament, das sich der junge Regisseur mit The Sixth Sense aufgebaut hatte, im öffentlichen Bewusstsein wieder einrissen. Zu den anderthalb vergessenen guten Filmen, die er in der Zeit schuf, gehört auch Unbreakable, der unter anderem von der Macht des Geistes über den Körper handelt. Dieser Thematik, leicht verändert, widmet sich Shyamalan nun abermals in Split – und das Ergebnis ist gar nicht mal schlecht.

    Drei High-School-Schülerinnen werden von einem stoischen Mann (James McAvoy) entführt und in eine Art Keller gesperrt. Während sie zunächst daran glauben, dass sie vergewaltigt oder ermordet werden sollen, stellen sie bald fest, dass ihr Entführer an einer dissoziativen Persönlichkeitsspaltung leidet – ihm wohnen nicht weniger als 23 Persönlichkeiten inne, die nur indirekt miteinander kommunizieren, sich in vielem nicht einig sind und sich derzeit in einer Art Krieg miteinander befinden.

    Während zwei der Mädchen ausbrechen wollen, versucht die eigenbrötlerische Casey (Anya Taylor-Joy), den Mann zu verstehen und seine Persönlichkeiten gegeneinander auszuspielen. Gleichzeitig kommt die Therapeutin (Betty Buckley) des Entführers dem Tumult in der Seele ihres Patienten auf die Schliche und versucht zu ergründen, was es mit dem Streit zwischen den Persönlichkeiten auf sich hat.

    Der Stoff ist gut gewählt für einen Thriller und das Ergebnis erinnert an ein Kammerspiel: charakter- und dialoggetrieben mit einem Minimum an Schauplätzen. Die zweigeteilte Struktur erlaubt sowohl den Kampf der entführten Schülerinnen glaubhaft zu zeigen als auch mehr über die Motivation und Hintergründe ihres Kidnappers zu erfahren. Shyamalan bleibt seiner Eigenheit treu, unwirkliche Dialoge zu schreiben, die eine bedrohlich schwelende Qualität haben, wenn sie auch manchmal an der Grenze der Glaubhaftigkeit kratzen. Denn wenn die Figuren wie Figuren reden, nicht wie Menschen, dann leidet das Erlebnis des Zuschauers darunter.

    Shyamalan war noch nie gut darin, seine Grenzen zu kennen, was ihm öfter schadet als hilft. Dennoch sei betont, dass der Mann große Teile seines Handwerks gut beherrscht. Bezüglich der Inszenierung, der Technik und ähnlicher Elemente gibt es an Split wenig auszusetzen. Aber das war auch bei Das Mädchen aus dem Wasser oder The Happening so und über die wollen wir nicht mehr Worte verlieren als unbedingt nötig.

    Beinahe ebenso typisch wie der qualitative Abfall seiner Filme ist Shyamalans Vorliebe für groß angelegte Wendungen, die nie wieder das Niveau von The Sixth Sense erreicht und fast alle seine Filme ordentlich verkorkst haben. Daher ist es umso schöner, dass derlei in Split ausbleibt. Stattdessen ist die Handlung kohärent und steigert sich spannend, aber weitgehend linear zu einem Finale – das demzufolge perfekt ist? Nein, so einfach ist es nicht. Zwar gibt es an der Handlung an sich nichts zu meckern, doch im letzten Drittel tauchen dennoch zwei unnötige und das Erlebnis trübende Elemente auf.

    Dass der Film so gut funktioniert, wie er es tut, hat er großenteils James McAvoy zu verdanken, der gottlob nicht alle 23 Charaktere mimen muss – es geht in Split hauptsächlich um ein halbes Dutzend von ihnen. Doch auch das ist eine gewaltige Herausforderung für einen Darsteller, die McAvoy nicht meistert, aber bewältigt. Er geht dabei schauspielerisch subtil und nuanciert vor, vielleicht schon eine Spur zu sehr. Manchmal wünscht man sich, dass die verschiedenen Kopfbewohner des Geisteskranken besser zur Geltung kämen. Man ist jedenfalls von McAvoy nicht enttäuscht, doch es nagt immer die Frage im Hinterkopf, welches Kaliber von Film mit einem noch besseren Darsteller hätte erreicht werden können.

    All das schnürt sich zu einem Paket zusammen, das man am besten „versöhnlich“ nennen sollte. Nicht nur angesichts der bewegten Karriere seines Schöpfers vermag Split zu gefallen, sondern auch im Genrevergleich. Er fällt in die Kategorie „Niemandes Lieblingsfilm“, was schlimmer klingt, als es ist. Man kann ihn getrost gucken, vielleicht sogar ein zweites Mal, dann ist es aber auch wieder gut. Damit erhebt er sich um Längen über solche Rohrkrepierer wie The Last Airbender und gibt Hoffnung für die Zukunft. Sagt ja niemand, dass ein One-Hit-Wonder für immer eines bleiben muss.

    Fazit

    von Leo Schmidt
    Spannend und durchweg erfreulich mit Ecken und Kanten

    Eine Überraschung: Kaum reißt er sich ein bisschen zusammen, kann Shyamalan immer noch passable Filme machen. Split verhebt sich nicht an seiner Ambition und pokert nicht darauf, als Experiment möglicherweise ein Meisterwerk oder eben eine Gurke zu werden. Stattdessen ist er ein zwar immer noch fehlerbehafteter, aber insgesamt sehr ordentlicher Thriller, der aus seiner Prämisse eine Menge herausholt. McAvoy ist gut genug, um die verschiedenen Facetten seiner Charaktere zur Geltung zu bringen, obwohl man das Gefühl nicht loswird, ein besserer Darsteller hätte dem Film eine neue Qualität verleihen können.

    Shyamalan hat sich dazu durchgerungen, nicht auf eine Handlungswendung zu setzen, was Split außerordentlich guttut. Wenn er es jetzt noch schafft, in seinem nächsten Film den völlig unnötigen Okkultmumpitz wegzulassen, das Ende nicht zu verpeinlichen und einen Drehbuchautor zu engagieren, der natürliche Dialoge schreiben kann, dann passiert vielleicht etwas, was keiner mehr für möglich gehalten hätte: dass er einen Film dreht, der sich durchweg loben lässt.

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