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Special - Kolumne: Die Lust am Spielen : Oder doch eher: meckern, nörgeln, blöd finden

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    Oft werde ich gefragt, ob ich abends überhaupt noch Lust habe, mich an den Rechner oder auf die Couch zu setzen, um auch privat den Verlockungen der Unterhaltungsindustrie zu erliegen. Meine Antwort darauf: ein klares JA. Spielen ist meine Passion, manche bezeichnen es auch schon als Sucht. Das würde ich wahrscheinlich nicht mal abstreiten. Aber was soll's, andere Leute gehen jeden Tag in die Kneipe, zerreißen sich sinnfrei das Maul über die Politiker und gehen danach, frustriert lallend, nach Hause. Da ist mir der Spielerausch allemal lieber.

    Gerade weil ich beruflich und privat viel mit Computerspielen zu tun habe, fallen mir dann und wann einige Sachen auf, bei denen ich mich frage, warum das jetzt nötig war. Da ist zum einen die sehr leidige Wertungsdiskussion. Alles unter 80% ist Dreck, wird vom Leser nicht beachtet und kann nur schlecht sein. Tatsache ist in der Tat, dass es diese Wahrnehmungsschwelle gibt und deswegen zücke ich vielleicht öfter als Kollegen die grüne 80er-Karte, damit ein Produkt trotzdem die verdiente Aufmerksamkeit bekommt. Dann sehe ich auch über Kleinigkeiten gerne hinweg und es ist mir egal, an welchen Punkten sich andere hochziehen. Denn es hat trotzdem Spaß gemacht!

    Häufig habe ich jedoch das Gefühl, dass der eine oder andere Redakteur keinen wirklichen Spaß mehr am Spielen verspürt. Das wird dann unter dem Mantel der kritischen Berichterstattung verargumentiert. Ich lese in jedem Absatz eher die Verachtung gegenüber dem Medium als eine wirklich objektive Herangehensweise, die vom Leser und der Industrie gewünscht wird. Diese kann sowieso in den seltensten Fällen gewährleistet werden. Wenn überhaupt.

    Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Tomb Raider: Underworld. Als eine spielbare Version in der Redaktion auftauchte, war das Sofa in unserer Lounge sofort belegt. Andreas spielte, Programmierer Chris - ein leidenschaftlicher Fanboy und Moderator im Eidos-Forum - hockte auf seinem Schoß und sabberte den Teppich fleckig. Beiden Gesichtern sah man die Freude am Spielen an. Da wurde über Lösungen diskutiert und die wunderschönen Umgebungen wurden bewundert. Am darauf folgenden Wochenende kam Chris sogar mit seiner Familie ins Büro, um die drei spielbaren Levels noch einmal selbst zu erleben!

    Da man sich in der Branche nicht nur mit dem eigenen Magazin befasst, sondern auch mal schaut, was die Kollegen über ein Produkt denken, ob der eigene Eindruck vielleicht mit dem des anderen übereinstimmt, gelangte ich auf die Seite eines großen Magazins, das sich selbst gerne als kritisch und unabhängig bezeichnet. Beides wird von mir nicht angezweifelt, damit hier keine Missverständnisse aufkeimen. Aber dennoch störte mich auf Anhieb etwas. Und zwar die Vorberichterstattung zu dem gerade eben angesprochenen Spiel.

    Was sollen Previews in erster Linie? Was ist ihr Zweck? Meine Definition ist, dass die Information vor der Kritik kommt. Unstimmigkeiten dürfen immer gerne angesprochen werden. Aber bitte nicht versuchen, in einer Vorschau das bereits fertige Produkt zu sehen und im Vorfeld drauf einprügeln. Gebt den Entwicklern eine Chance. Informiert über alles, was berichtenswert erscheint, und lasst euch noch Raum für die abschließende Kritik, nämlich den Test, wenn die fertige Version da ist.

    Nun las ich diesen Bericht und wunderte mich schwer. Fast jeder Absatz triefte vor tiefer Abneigung. Da wurde sich an Kleinigkeiten aufgehängt und Dinge wurden kritisiert, über die ich nur milde Lächeln kann. Thors Hammer ist langschaftig steht da. Obwohl er doch der Sage nach kurzschaftig sein müsste. Und dann hat der Helm auch noch Hörner. Sakrileg! Gotteslästerung! Welche Stümper waren hier am Werk? Ist mir alles scheißegal. Was hier als gutes Allgemeinwissen vorausgesetzt wird, muss doch nicht in einem Unterhaltungsprodukt gültig sein. Scheiß drauf, ob der Hammer nun einen langen oder kurzen Schaft hatte. Frauen sagen auch immer, dass die Länge egal ist, die Technik ist entscheidend.

    Dann sind da die Klongangster mit langen Bärten und blauen Hemden und - ach Gottchen - Lara muss zur Flinte greifen und ein bisschen in der Gegend rumballern. Auf einem Schiff. Das kommt erschwerend hinzu. Dumm nur, dass dieser Abschnitt des Levels wenige Minuten dauert und nie und nimmer so viel Aufmerksamkeit verdient hat. Hauptsache meckern, oder wie? Meckern, nörgeln, blöd finden. Das kann dieser Artikel. Aber nicht objektiv kritisieren.

    Mein Fazit: Wenn alternde, intellektuelle Fachjournalisten keinen Spaß mehr am Spielen haben, dann sollten sie lieber weiter Bücher schreiben. Aber bitte nicht über Spiele.

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