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Special - Davids Rückblick 2014 : Der Dunkle Turm

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    Anfang 2014 wurde es Zeit, mein Leben radikal zu überdenken. Ich zog mich aus der Öffentlichkeit zurück und fristete ein Dasein in Isolation und Askese. Den Trubel und die Schnelllebigkeit der modernen Zivilisation ließ ich hinter mir, um ein besserer Mensch zu werden, der von seinen Kollegen geschätzt und seiner Familie geliebt wird. Ich begann Körper und Geist einem harten Training zu unterziehen, meine Disziplin und Willensstärke an die Grenze des Möglichen zu treiben. Aber warum das Ganze?

    Er erschien mir in meinen Träumen - immer öfter und öfter. Am Ende des Horizonts ragte er empor, stellte die höchsten Gebäude der Welt in den Schatten. Ein Mahnmal, das mich an meine vergangenen Konsumexzesse erinnerte. Und er wuchs und wuchs. Ohne Unterlass wurde er größer und drohte meine gesamte Existenz unter sich zu begraben. Dieser gewaltige Spielestapel schien kein Ende mehr zu nehmen. All meine Gedanken kreisten wie Aasgeier um ihn. Damit ich eines Tages wieder ruhig zu Bett gehen konnte, musste etwas passieren. Eine schier endlose Reise in altbekannte Universen musste in Angriff genommen werden, damit diese Monstrosität keine Gewalt mehr über mich hatte.

    Ja, ich musste all die Spiele, die ich 2013 angefangen, aber nie beendet hatte, erneut spielen.

    Ich fühlte mich wie Roland Deschain aus Stephen Kings monumentaler Reihe „Der Dunkle Turm“. Ich hatte mein Ziel fest vor Augen. Doch ich zweifelte daran, ob ich dieses Unterfangen je abschließen würde. Trotz meiner anfänglichen Anstrengungen kam ich dem Stapel in meinen Träumen schlicht nicht näher. Mit jedem Schritt, den ich auf ihn zuging, rückte mein Ziel noch weiter in die Ferne. Ich bat ihn, mich anzuhören und mir zu erklären, warum er nicht kleiner werde. Schließlich spielte ich doch Super Mario 3D World mit jedem verdammten Charakter durch.

    Ich spielte und spielte.

    Mit Mario.

    Mit Luigi.

    Mit Toad.

    Mit Peach.

    Ja sogar mit Rosalina spielte ich.

    Doch jedes Mal, wenn ich ihm einen neuen Beweis meines Tatendrangs vorlegte, gab es nur eine Reaktion: Er lachte und lachte und lachte. Dieses Gelächter. Es klingt selbst heute noch in meinen Ohren. Es schien ausweglos. All die Anstrengungen und Bemühungen waren vergebens. Und ich verfiel in alte Muster. Neues Spiel gekauft, altes Problem beiseitegeschoben. Doch der Traum kehrte immer wieder, der Stapel wurde immer höher. Der einzige Ausweg war ein radikaler Bruch in meinem Leben. Eine Abkehr vom Alltag und all den Dingen, die er mit sich bringt.

    Ich entledigte mich meines Hab und Guts, schwor, keinerlei Fehltritt mehr zu begehen. Ich zog mich in meine Zockerhöhle zurück und setzte mich einer körperlichen und geistigen Belastungsprobe aus. Meine Willensstärke und meine Disziplin mussten über sich hinauswachsen, um den Versuchungen unserer funkelnden Einkaufswelt künftig zu widerstehen.

    Ich meditierte.

    Und die Zeit flog dahin. Die Menschen gingen ihrem Tagwerk nach. Sie arbeiteten, schliefen, kauften ein und feierten fröhliche Feste. Bis jener Tag anbrach, an dem ich dazu bereit war, dem Stapel der Schande gegenüberzutreten. Meine Finger zuckten vor lauter Aufregung, so als ob sie wussten, dass ihr großer Auftritt kurz bevorstand. All die Entsagungen, das Ausharren, die Zurückgezogenheit: Alles nur, um „ihm“ nie wieder zu begegnen.

    Und so fing es an.

    Ich trieb mich zu Höchstleistungen an, spielte Spiele auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad durch, schaltete die größten Geheimnisse frei. Es spielte keine Rolle mehr für mich, wie schwer oder langwierig ein Spiel war. Die Lust nach Neuem löste sich allmählich auf und hörte gänzlich auf zu existieren. Ich stürzte mich von einem Spiel ins nächste. In meinem Rausch verlor alles um mich herum an Bedeutung. Alle Dinge um mich herum verblassten und waren nur noch schemenhaft zu erkennen. Ich spürte, wie „er“ in Panik verfiel. Der Stapel wusste, dass diesmal alles anders werden würde. Dass mein Verlangen nach neuen Abenteuern durch eine unergründliche Macht, die „er“ sich selbst nicht erklären konnte, verschwand.

    Gameswelt LIVE vom 13.10.2014 - David und Hoppi zocken Bayonetta 2
    David und Hoppi zocken Bayonetta 2 auf der Wii U im Livestream.

    Während ich über mich hinauswuchs, schrumpfte das ehemalige Ungetüm immer weiter und weiter. Der einst stolze Turm verkam zu einem winzig kleinen und kümmerlichen Häufchen. Nun war ich es, der auf ihn hinabsah und zu lachen anfing. Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Erschöpft, aber auch erleichtert kann ich der Zukunft entgegenblicken. Ich bin dem Strudel der Verzweiflung entgangen. Und ich habe dem blinden Verlangen nach neuen Dingen entsagt. Ich bin frei.

    Endlich kann ich Bayonetta 2 und Pokémon Omega Rubin spielen, die noch eingeschweißt sind und zu Hause herumliegen ...

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