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Special - Ahmet-Kolumne - Oculus Rift : Verraten und verkauft

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    Ich fühle mich wie eine junge Frau, die darüber nachdenkt, ihr Neugeborenes zur Adoption freizugeben. Ich fühle den Schmerz und die Trauer, die meine Seele zerfetzen, weil da dieses kleine Bündel liegt, das ich eigentlich in die Arme schließen und nie mehr weggeben wollte. Doch Realität und Vernunft zwingen mich, über das eigentlich Undenkbare nachzudenken. Ja, es ist verrückt: Vor mir liegt das noch originalverpackte Oculus Rift Developer Kit 2 und ich überlege ernsthaft, mich davon zu trennen.

    (Anm. d. Red.: Wie immer bei Gastbeiträgen gilt: Die Meinung des Autors muss nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    Im März habe ich das Teil vorbestellt und die Auslieferung konnte ich kaum erwarten. Schließlich besitze ich bereits das erste Developer Kit und liebe es trotz seiner Macken: die niedrige Auflösung des Displays, die Spiele aussehen lässt, als würde man sie durch eine Käseraspel betrachten. Die Motion Sickness, die dafür sorgt, dass man sich spätestens nach 15 Minuten hundeelend fühlt und kotzen muss. Übrigens ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass die Scheiße nicht gesund sein kann, aber ich habe Half-Life 2 trotzdem auf diese Weise durchgespielt. Es war unglaublich geil und Übelkeit verursachend. Ein wenig wie ein TV-Auftritt von Helene Fischer, bei der sich das männliche Gehirn ja auch nicht entscheiden kann zwischen „Boah, die geile Sau zeigt fast alles!“ und „Bitte, Ton ausschalten, sonst muss ich kotzen!“.

    Engelchen und Teufelchen

    Das Developer Kit 2 bringt zahlreiche Verbesserungen mit sich: ein höher aufgelöstes Low-Persistence-Display, eine Kamera für Positional Tracking und eine simplere Verkabelung. Warum sollte ich so ein geiles Ding verkaufen? Meine Bedenken manifestieren sich in Teufelchen und Engelchen. Das Engelchen sagt: „Wie kannst du überhaupt an einen Verkauf denken? Tausende Entwickler würden dafür töten, das Ding jetzt schon in Händen zu halten, und dir Hure fällt nichts Besseres ein, als es meistbietend zu versteigern? Hast Du denn überhaupt keine Ehre?“

    Teufelchen hat ebenfalls gute Argumente: „Auf Ebay kannst du das Teil für das Doppelte verkloppen! Worauf wartest du noch? Du hast ein schlechtes Gewissen? Wieso solltest du es nicht gewinnbringend verkaufen? Selbst der Erfinder von Oculus Rift hat das Ding verkloppt – und zwar an Facebook für zwei Milliarden US-Dollar! Die Drecksau hat sich das Teil risikofrei per Kickstarter-Kampagne finanzieren lassen und anschließend an den Satan höchstpersönlich vercheckt. Er hat uns alle verraten!“

    Cash rules everything around me

    Es ist wahr. Palmer Luckey, der Vater von Oculus Rift, hat per Crowdfunding fast 2,5 Millionen Dollar eingestrichen. Anschließend hat er Entwickler-Kits für 350 Dollar verkauft, aber nicht nur an Entwickler, sondern an jedermann. Warum? Weil es mehr Kohle bringt. Nun ist das zweite Entwickler-Kit erhältlich und es wird ebenfalls eine Menge Knete in die Kasse spülen. Ich weiß nicht, ob ich das gut finde. Es zwingt mich zwar niemand, die Vorabversionen zu kaufen, aber der Trend, Kunden für unfertige Produkte zur Kasse zu bitten, nimmt langsam bizarre Züge an.

    Beispiel Wasteland 2. Ich habe das Ding dank Steam Early Access bereits zig Stunden gespielt und jetzt, da die Veröffentlichung bevorsteht, habe ich eigentlich gar keinen Bock mehr drauf. Das ist ein bisschen so wie mit den Filmen, die Wochen vor dem Kinostart als Workprint im Internet auftauchen. Die Leute ziehen sich die unfertige Version eines Streifens rein und wenn das Endprodukt in die Kinos kommt, denken sie sich: „Hab ich ja schon gesehen.

    Das Problem ist, dass sie eine Fassung gesehen haben, die qualitativ nicht mit der finalen Version mithalten kann. Sie haben sich selbst um einen Teil der Magie und Freude betrogen. Ich bereue jetzt geradezu, Wasteland 2 bereits im Vorfeld gekauft und gezockt zu haben. Ich hätte auf die fertige Version warten sollen, um das Spiel in seiner ganzen Pracht zu genießen, aber ich bin eben zu schwach. Vielleicht sollte hier der Gesetzgeber einschreiten und Personen ohne Willensstärke den Kauf von Vorabversionen verbieten?

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