Test - Ravenswatch : Test: Wenn Diablo und Hades ein Kind hätten
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Im Verlauf der vergangenen Jahre hat das noch relativ junge Genre der Roguelikes enorm an Popularität gewonnen. Entsprechend viele Entwickler sind auf diesen Erfolgszug aufgesprungen, eine regelrechte Roguelike-Flut war die fast schon unvermeidbare Folge. Oftmals halten sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Spielen arg in Grenzen. Umso erfreulicher ist es, wenn ein Team zumindest mal versucht, sich vom Einheitsbrei abzuheben. Ravenswatch ist solch ein Kandidat.
Zumindest auf den ersten Blick unterscheidet sich Ravenswatch nicht groß von vielen anderen Roguelike-Titeln, die im Verlauf der letzten Jahre das Licht der Spielewelt erblickt haben. Zu Beginn stehen vier verschiedene Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten zur Auswahl, mit denen ihr durch die zeitlich knapp bemessenen Abenteuer zieht.
Doch wer sich die Helden nur einen Tick länger anschaut, wird schnell die erste von vielen Besonderheiten von Ravenswatch entdecken. Bei den Recken handelt es sich nämlich um Abwandlungen bekannter Figuren aus Märchen und Sagen. Scarlet ist ganz eindeutig an Rotkäppchen angelehnt, während die Schneekönigin stark an Elsa aus dem Animationsfilm „Frozen“ erinnert.
Auch beim Erzählen der Hintergrundgeschichten gehen die Entwickler einen interessanten Weg: Je weiter ihr mit einem Charakter aufsteigt, desto mehr erfahrt ihr über seinen Werdegang – ein zusätzlicher Anreiz zum Spielen. Insgesamt fällt die Story trotz der guten Ansätze jedoch etwas dünn aus, hier wird einiges an Potenzial verschleudert.
Auf sie mit Gebrüll
Doch nicht nur der Story-Aspekt folgt einer netten Idee, auch die Unterschiede der Charaktere hinterlassen Eindruck. Jeder der Helden von Ravenswatch vermittelt jeweils ein völlig anderes Spielgefühl. Während Scarlet beispielsweise blitzschnelle Nahkampfangriffe mit ihren Dolchen setzt, agiert der Rattenfänger lieber aus der sicheren Distanz und lässt sowohl tödliche Musiknoten als auch seine Nagetiere auf die Gegner los.
Damit nicht genug: Während der Missionen wechseln mehrfach die Tageszeiten. Sobald die Nacht einbricht, ändern sich einige der Fähigkeiten. Scarlet verwandelt sich sogar in einen mächtigen Werwolf, was ihre Spielweise nahezu komplett umkrempelt. Diese Wechsel bringen frischen Wind ins Geschehen und sorgen für zusätzliche Abwechslung. Zudem schaltet ihr im späteren Verlauf weitere Charaktere frei, mit denen das Experimentieren ebenfalls viel Spaß macht.
Auch die Kämpfe von Ravenswatch spielen sich etwas anders als bei vielen Roguelike-Konkurrenten. Zwar steht auch hier die dynamische, schnelle Action im Fokus. Allerdings haben sowohl die extrem wichtige Ausweichrolle als auch die meisten anderen Fähigkeiten eine bestimmte Abklingzeit. Wildes Button-Mashing ist daher nur selten von Erfolg gekrönt, sondern führt meistens in den sicheren Tod. Ohne taktisches Kalkül und vorausschauende Aktionen werdet ihr nicht sonderlich weit kommen. Vor allem in den Bosskämpfen am Ende jedes Durchgangs ist ein kühler Kopf gefragt.
An dieser Stelle müssen wir bei allem Lob allerdings auf einen großen Kritikpunkt von Ravenswatch zu sprechen kommen: das Balancing. Ihr könnt wahlweise alleine oder gemeinsam mit Freunden in den Kampf ziehen. Letzteres macht ohnehin mehr Spaß, was vor allem auch an den tollen Synergie-Effekten und sich gegenseitig stärkenden Fähigkeiten liegt.
Das führt aber im Umkehrschluss dazu, dass das reine Solo-Erlebnis in einem blasseren Licht dasteht. Der Schwierigkeitsgrad ist darin nämlich teilweise dermaßen heftig, dass auf sich allein gestellte Helden schon mal frustriert das Handtuch werfen dürften. Wir haben definitiv nichts gegen knackige Herausforderungen, doch Ravenswatch schlägt diesbezüglich etwas über die Stränge. Hoffentlich bessern die Entwickler diesbezüglich mithilfe eines Updates bald nach.
Abenteuer nach Wunsch
Das ist vor allem deswegen so schade, weil Ravenswatch grundsätzlich vieles richtig macht. Das betrifft übrigens auch das motivierende Fortschrittsystem. Ihr steigt im Level auf und verbessert auf diese Weise eure Fähigkeiten. Außerdem könnt ihr die während der Streifzüge erbeuteten Kristalle beim Sandmann gegen zusätzliche Upgrades eintauschen. Je aktiver ihr seid, desto stärker wird demnach euer Charakter. Das System bringt außerdem eine zusätzliche taktische Note ins Spiel. Ihr müsst stets abwägen, wie viel Zeit ihr während der Missionen für den Kampf oder die Erkundung aufwendet. Denn weniger Kristalle ist gleichbedeutend mit weniger Upgrades und somit einen schwereren Stand im Bosskampf.
Falls euch die vorgegeben Kapitel nicht ausreichen oder auf Dauer zu langweilig sind, bietet euch Ravenswatch darüber hinaus eine willkommene Alternative. Ihr könnt nämlich mithilfe von zahlreichen Einstellungen eigene Missionen ganz nach euren Vorstellungen basteln. Sollen die Gegner härter zuschlagen? Kein Problem. Soll euer Held deutlich mehr Schaden austeilen? Auch das ist im Handumdrehen möglich. Das Roguelike von Entwickler Passtech Games hält so für einige Zeit bei der Stange – wenn ihr es denn auch wirklich wollt.
Abschließend müssen wir noch unbedingt auf die Präsentation eingehen. Nicht etwa, weil euch ein aufwändig inszeniertes AAA-Spiel mit ultramodernen Hochglanz-Effekten auf Nextgen-Niveau erwartet. Genau das ist nämlich nicht der Fall – muss es aber auch gar nicht. Denn der charmante Celshading-Look braucht keinen Schnickschnack dieser Art, um für Aufsehen zu sorgen. Das Design ist in sich geschlossen und absolut stimmig und die Animationen fallen butterweich aus.
Hinzu kommt eine schaurig-schöne Inszenierung der Schauplätze mit einer Vielzahl liebevoller Details. Bei der Gestaltung der Monster haben zwar aktuelle Titel wie etwa Diablo 4 sicherlich die Nase vorn. Dennoch sieht Ravenswatch alles andere als hässlich aus. Auch die Soundkulisse passt sehr gut zum Geschehen und trägt viel zur allgemeinen Atmosphäre bei.
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