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Test - Shenmue 3 : Da ist das Ding!

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  • PS4
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Der größte Wunschtraum der Videospielgeschichte (nach Half-Life 3) ist endlich Wirklichkeit: Shenmue 3 setzt nach 18 Jahren unerträglicher Wartezeit zwei der wichtigsten Open-World-Spiele aller Zeiten fort. Doch kann sich der alte Dreamcast-Klassiker in der heutigen Zeit gegen solche Größen wie Red Dead Redemption 2 oder Breath of the Wild behaupten? Vorweg: Nein, kann er nicht - aber das muss er auch gar nicht.

Die Geschichte von Shenmue 3 knüpft direkt an das Ende von Shenmue 2 an und spielt somit im Jahre 1987: Ryo Hazuki ist weiterhin auf der Suche nach Lan Di, dem Mörder seines Vaters. Er stieß zuletzt auf die junge Frau Shenhua, von der er bereits mehrfach im Laufe seines Abenteuers geträumt hatte. Deren Vater lebt zwar noch, ist jedoch spurlos verschwunden und wurde vermutlich von eben dem gleichen Lan Di entführt. Mit einem gemeinsamen Ziel vor Augen, machen sich Ryo und Shenhua auf die Suche nach dem Schurken und beginnen ihre Reise in einem kleinen chinesischen Dorf namens Bailu.

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Bereits nach den ersten Dialogen sollte jedem schlagartig klar sein: Shenmue 3 hat sich im Kern gegenüber den Vorgängern kaum verändert und möchte das offensichtlich auch gar nicht. Erwartet deshalb keine ausgereiften Gespräche oder gar originelle Plottwists. Stattdessen dominieren platte Phrasen und emotionslose Gesichtermimiken. Auch ist es egal, ob ihr der japanischen oder der englischen Synchronisation lauscht: Yu Suzuki und seine Mannen haben sich keinerlei Mühe gegeben, den bereits anno 1999 umstrittenen Dialogstil zu modernisieren.

Das Kuriose daran: Die Sprache fällt derart markant aus, dass sie ihren eigenen Charme entfaltet. Natürlich ist das Dargebotene weit entfernt von jedweder Realität, aber gleichzeitig so ungemein putzig und amüsant anzuhören, besonders wenn Ryo und seine Gesprächspartner mal wieder völlig planlos aneinander vorbeireden.

Auch die Entwicklung der Geschichte fällt im Grunde belanglos aus. Ihr reist in der ersten Spielhälfte durch das besagte Dorf Bailu und erkundet in der zweiten eine deutlich modernere Stadt namens Naiowu. Die meiste Zeit seid ihr damit beschäftigt, die Bewohner nach dem Standort eures nächsten Ziels zu befragen. Ihr begegnet über kurz oder lang Lan Dis Schergen, die euch freilich verprügeln wollen. Deshalb müsst ihr regelmäßig Trainingsmeister aufsuchen, um eure Kämpffähigkeiten zu schulen. All das steht voll und ganz im Sinne der Vorgänger und versteht sich deutlich erkennbar als Geschenk für deren Fans.

Ein Relikt aus dem letzten Jahrtausend

Auch spielerisch bleibt Shenmue 3 weitestgehend seinen Vorgängern treu. Das Befragen der Bewohner verläuft relativ unkompliziert und beeindruckt auch heute noch mit der Vielfalt an individuellen Gesprächspartnern. Insbesondere in Naiowu locken unzählige Stände und Händler, die euch nicht nur mit Tipps versorgen. Ihr könnt bei ihnen sowohl Nützliches wie Nahrung als auch unsinnigen Plunder wie hässliche Vasen, Tische oder Masken erstehen.

Überall locken kleine Attraktionen und Minispiele, sei es Holzhacken, Glückstreffer-Bretter oder Schildkrötenrennen. Ihr könnt Geld, Marken oder spezielle Objekte verdienen, die ihr wiederum teilweise bei einem Pfandleiher gegen neue Kampfkunstfähigkeiten eintauscht.

Die Mechaniken hinter den Minispielen sind äußerst schlicht und beschränken sich auf simple Reaktionstests. Die größte Hürde dabei stellt die alles andere als physikalisch korrekt simulierte Gravitation dar, aufgrund derer beispielsweise herabfallende Kugeln wie Flummis durch die Gegend springen.

Kommt es zu einem Konflikt mit einem unfreundlichen Gesellen, dann wechselt das Spiel in eine ziemlich altbackene Prügelspiel-Phase. Diese vermittelt kein besonders gutes Kampfgefühl, egal ob ihr euren Gegner trefft oder selbst einen Schlag abbekommt. Taktik ist leidlich von Nöten. Zwar stehen euch Dutzende Angriffstechniken zur Auswahl, die ihr ganz simpel per Tastenkombination ausführt. Doch wichtiger ist es, die Angriffsstärke mithilfe von Sparring-Partnern und die Ausdauer an diversen Trainingsgeräten zu verbessern. In letzterem Fall müsst ihr die immer gleichen Minispiele wieder und wieder absolvieren, was auf Dauer leider den Spielfluss hemmt.

Für den Zen-Meister in euch

Überhaupt spielt Ys Net regelrecht mit dem Geduldsfaden der Spieler, weil sich so gut wie keine Dialoge oder Zwischensequenz abbrechen lassen, was besonders nervt, wenn sich Gespräche ständig wiederholen.

Shenmue 3 ist definitiv kein Spiel für Ungeduldige, was aber (wir wiederholen uns) sichtlich so gewollt ist und (ihr ahnt es bereits) seinen eigenen Reiz besitzt. Man möchte nur ungern durch die Gebiete hetzen, stattdessen jeden vorhandenen Laden bis ins letzte Detail erkunden und sämtliche aus dem Boden wachsenden Kräuter pflücken.

Je später im Spielverlauf, umso deutlicher merkt man Shenmue 3 das vergleichsweise niedrige Entwicklungsbudget an, das unmissverständlich klar macht: Mit ein paar Kickstarter-Millionen alleine lässt sich kein technisch modernes und vor allem abwechslungsreiches Open-World-Spiel mehr realisieren. Aus dem Grund wiederholen sich nach hinten hinaus die Minispiele und die Art der Läden immer häufiger.

Des Weiteren wirkt es so, als sei den Entwicklern irgendwann die Motivation abhanden gekommen. Während das Dorf wunderschön gestaltet und abwechslungsreich aufgebaut ist, wirkt die Stadt ein ganzes Eckchen langweiliger. In Bailu erkundet ihr ein Gebiet nach dem anderen, in Naiowu steht euch bereits recht früh ein Großteil der Spielwelt zur Verfügung. Stattdessen müsst ihr wieder und wieder und wieder von einem Ende der Stadt zum anderen laufen.

Shenmue 3 - The Story Goes On Launch Trailer
Ab dem 19.11.2019 ist Shenmue 3 offiziell erhältlich; schon jetzt gibt es als Vorbereitung den Launch-Trailer.

Anders ausgedrückt: In Bailu freut man sich über so gut wie jedes Ziel, das man erreicht. Das Dorf vermittelt stets das Gefühl, dass es vorangeht. Eure Aufgaben in Naiowu hingegen fühlen sich mehr und mehr wie Blockaden an, die den Fortgang der Geschichte eher behindern anstatt vorantreiben.

Hübsch, bunt, verträumt

Wenig zu meckern gibt es an der grafischen Ausstattung, wobei auch hier Bailu mit seiner grandiosen Kulisse und der blühenden Landschaft am meisten punktet. Daran zeigt sich dann doch, dass auch mit vergleichsweise wenig Geld ein optisches Kleinod möglich ist, wenn man nur die richtigen Künstler vor das Zeichenbrett sitzt. Ähnliches gilt für die Musik, die zwar ruhig ein paar Stücke mehr hätte vertragen können, aber in der Regel das richtige Ambiente erzeugt.

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