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Special - Interview mit Thomas Strobl : CDU-Generalsekretär im Gespräch

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Die Diskussion um "Killerspiele" reißt nicht ab. Wir sprachen deshalb mit dem CDU-Generalsekretär in Baden-Württemberg und Mitglied des Bundestages, Thomas Strobl, über seine Erfahrungen mit Videospielen, die Verbotsforderung der Innenministerkonferenz und seine viel zitierte Aussage, "die von den Bundesministern von der Leyen und Schäuble vorgeschlagene Sperrung von kinderpornografischen Seiten im Internet mit Blick auf Killerspiele neu [zu diskutieren]."

Gameswelt: Herr Strobl, Sie sind Jahrgang 1960 und damit quasi parallel mit den ersten Videospielen aufgewachsen. Welche Rolle nahmen Videospiele in Ihrer Jugend und darüber hinaus ein?

Thomas Strobl: In meiner Jugend war noch von sogenannten Telespielen die Rede, einfach gestrickten Games mit hauptsächlich sportlichem Hintergrund, Tennis zum Beispiel (wohl der Klassiker in diesem Bereich), aber auch Autorennen. Thomas Gottschalk hatte damals sogar seine erste Fernsehsendung zu diesem Thema und lieferte sich mit Mike Krüger und anderen Prominenten große Telespiel-Schaukämpfe am Bildschirm.

GW: Wie sieht es heute aus? Haben Sie aktuelle, persönliche Erfahrungen mit Videospielen und im Speziellen mit gewalthaltigen Videospielen sammeln oder eine LAN-Party besuchen können?

TS: Die rasante Entwicklung hin zu technisch immer ausgefeilteren Videospielen habe ich mit Interesse verfolgt. Zu den aktiven Spielenutzern gehöre ich allerdings nicht, da mir für dieses Hobby aufgrund beruflicher Vollauslastung keine Zeit bleibt. Wie alle meine Kollegen bemühe ich mich gleichwohl um genaue Informationen über den Entwicklungsstand, da insbesondere bei Jugendlichen Videospiele sehr beliebt sind und sie daher eine gesellschaftliche Realität darstellen, die man zur Kenntnis nehmen und die man mit Sachverstand beurteilen muss. Wie weit hier unsere Bemühungen gehen, „auf dem Laufenden" zu bleiben, beweist etwa die für den 3. Juli vorgesehene Informationsmesse im Bundestag zum Thema Videospiele. Hier werden Expertenanhörungen durchgeführt, Wissenschaftsmeinungen eingeholt, aber eben auch die von Ihnen angesprochenen LAN-Partys mit dem Spiel World of Warcraft veranstaltet - für Politiker, die sich damit noch nicht auskennen.

GW: Nach dem Amoklauf in Winnenden forderte die Innenministerkonferenz, wie auch schon 2007 nach dem Amoklauf in Emsdetten, ein Verbreitungs- und Herstellungsverbot für "Killerspiele" umzusetzen. Ist das der richtige Ansatz?

TS: Zunächst einmal gehört es schon zur Verantwortung von Politikern, auf ein so schreckliches Ereignis wie Winnenden zu reagieren. Tatsächlich kontaktierten uns nach Winnenden etwa zahlreiche Eltern mit dem Hinweis, dass sie die „Killerspiel"-Leidenschaft ihrer Kinder vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse nicht mehr verstehen könnten und über ein Verbot der ganzen Materie nicht unglücklich wären. Es gab auch in die gleiche Richtung zielende Fingerzeige von Lehrern auf Verhaltensauffälligkeiten von Schülern im Unterricht, die schulintern als „Killerspiel"-Junkies eingestuft werden und massive Probleme verursachen. Solche Hinweise dürfen uns nicht kalt lassen. Gleichwohl möchte ich aber betonen: Das Nachdenken über solche Probleme ist noch kein Gesetzesbeschluss! Ein solcher steht, wenn überhaupt, erst am Ende einer langen und mit Sorgfalt geführten Diskussion aller Argumente dafür und dagegen. Dabei gilt immer der oberste Grundsatz, alle Seiten zu hören. Dies zur Beruhigung aller friedlichen Nutzer von Spieleangeboten im Internet, die momentan befürchten, ihre Interessen würden bei der Debatte ausgeblendet. Das Gegenteil ist der Fall, wie etwa die oben erwähnte LAN-Party im Bundestag beweist.

GW: Ego-Shooter, die in erster Linie von dem Gesetz betroffen wären, stellen eines der wichtigsten Spielgenres mit Millionen von Verkäufen in der umsatz- und wachstumsstärksten Unterhaltungsbranche dar. Sie rücken bei Amokläufen aber sofort in den Mittelpunkt der Diskussion. Zu Recht?

TS: Diese Frage abschließend zu beantworten, setzt intensive Untersuchungen voraus, die seit Emsdetten und Winnenden zwar begonnen haben, aber längst nicht abgeschlossen sind. Unter den zahlreichen Mails von „Killerspielanhängern", die wir Politiker bekommen, wenn über Verbote nachgedacht wird, ist allerdings regelmäßig ein starkes Drittel in einer auffallend rohen Sprache abgefasst, ja teilweise mit der inhumanen „Forderung" versehen, die nächsten Opfer von Amokschützen sollten doch wir Politiker sein. Bei der Lektüre solcher Statements drängt sich schon der Gedanke auf, dass die Lehrer- und Elternhypothese von der verrohenden Wirkung dieser Spiele nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Doch, wie gesagt, endgültige Antworten stehen bei der Beurteilung von Gefährlichkeit oder Nicht-Gefährlichkeit der Ego-Shooter noch aus. Hier müssen wir einfach zuwarten, bis die Wissenschaft zu konkreten Forschungsergebnissen kommt.

GW: Der deutsche Jugendschutz ist, gemessen am internationalen Maßstab, einer der schärfsten überhaupt. Gewalthaltige Videospiele stehen nur Erwachsenen zur Verfügung, besonders gewaltverherrlichende Spiele werden gleich indiziert oder beschlagnahmt. Reichen die Maßnahmen, die in Deutschland zum Schutz von Jugendlichen vor diesen Videospielen existieren, trotzdem nicht mehr aus?

TS: Auch hier sollten wir uns vor einer vorschnellen Antwort hüten und zuerst bei Experten nachhaken sowie die Erfahrungen von Jugendschützern, Behörden, aber auch Elternverbänden berücksichtigen. Wenn so ergebnisoffen diskutiert wird, kann am Ende die Antwort sehr wohl lauten, der Jugendschutz reicht aus. Nur bei eindeutiger Sachlage in die andere Richtung wird die Entscheidung zugunsten einer Verschärfung ausfallen. Denn richtig ist: Verbote sind kein Selbstzweck und sollten so wenig wie irgend möglich verhängt werden.

GW: Trotz der erwähnten strengen Regularien ereignen sich bei uns mehr Schul-Amokläufe als in unseren Nachbarländern, beispielsweise Österreich, Schweiz oder Frankreich. Dort ist der Jugendschutz in Bezug auf gewalthaltige Videospiele lockerer geregelt. Woran liegt das?

TS: Möglicherweise sahen diese Länder dank der bisher geringeren Zahl an Amokläufen noch keine Notwendigkeit, die Stringenz ihrer Gesetze zu hinterfragen. Dies könnte sich schlagartig ändern, wenn sich die Amokläufe auch dort häufen sollten, was hoffentlich aber nicht der Fall sein wird. Im Übrigen gilt auch bei internationaler Betrachtung der Grundsatz: Sorgfalt und genaues Hinschauen vor pauschalen Schlussfolgerungen.

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