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Test - The Last of Us – HBO-Serie : So muss eine Videospiel-Adaption aussehen!

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Spricht man über gute Storys in Videospielen, führt kein Weg an The Last of Us vorbei. Die beiden Titel von Naughty Dog erzählen eine fesselnde Geschichte über Freundschaft, Betrug und Vertrauen, verpackt in ein extrem stimmiges Zombie-Szenario. Die Hauptfiguren Joel und Ellie wachsen einem mit jeder Minute mehr ans Herz, ebenso wie kleinere Nebenrollen. Perfekte Voraussetzungen also, um eine Fernsehserie daraus zu kreieren. Doch die Vergangenheit lehrte uns, bei solchen Verfilmungen skeptisch zu sein. Nach drei Folgen kann ich aber Entwarnung geben: Die HBO-Umsetzung bleibt dem Original hält sich eng an die Vorlage, befolgt dabei aber nicht hirnlos den Ablauf des Spiels.

Solltet ihr The Last of Us bisher tatsächlich nicht gespielt haben, lasst mich euch raten: Tut es! Vorkenntnisse der Story benötigt ihr für die Serie zwar nicht. Dennoch folgt ein kurzer Abriss, worum es geht: Im Jahr 2013 bricht ein mutierter Cordyceps-Pilz, infiziert etwa 60 Prozent der Menschheit und macht aus ihnen hirnlose Fressmaschinen. Ihr Appetit gilt aber nicht etwa All-you-can-eat-Buffets. Vielmehr entwickeln sie eine ungesunde Lust auf Menschenfleisch. Der Großteil der Handlung spielt 2033 und folgt Joel und Ellie, die quer durch die USA reisen und auf dem Trip eine tiefe Bindung zueinander entwickeln.

Mit dem Chernobyl-Schöpfer Craig Mazin zeichnet jedenfalls ein fähiger Autor für The Last of Us verantwortlich, der sich seine Sporen bereits verdient hat. Gemeinsam mit Neil Druckmann, dem Autoren des Spiels, schrieb er das Drehbuch. Die erste (und bisher einzige bestätigte) Staffel erzählt die Story des ersten Spiels, erweitert sie aber an diversen Stellen und lässt sich mehr Zeit für die Entwicklung von Charakteren und endzeitlicher Welt.

Starbesetzter Cast mit starker Leistung

Bereits im Vorfeld sorgte die Besetzung von The Last of Us für Diskussionen. An den ausgewählten Schauspielern lag das aber weniger, denn der Cast überzeugt durch die Bank mit erfahrenen Darstellern. Pedro Pascal (Narcos, The Mandalorian) als Joel, Bella Ramsey (Game of Thrones) als Ellie, Anna Torv (Fringe, Mindhunter) als Tess und Nick Offerman (Parks and Recreation, Fargo) als Bill sind nur ein paar Beispiele. Für Marlene wurde sogar Merle Dandrige vor die Kamera gebracht, die sie bereits im Spiel verkörpert.

Nun gestaltet sich das Casting bei Adaptionen immer schwierig, da durch die Vorlage stets eine fest definierte Optik der Charaktere existiert. Auch The Last of Us kann diese Problematik nicht umschiffen: Der Bart von Pedro Pascal mag nicht originalgetreu aussehen und Bella Ramsey hat ein anderes Gesicht als Ellie in der Vorlage. Dennoch ist ein Wiedererkennungswert in beiden Fällen definitiv vorhanden.

Viel wichtiger ist aber die schauspielerische Leistung, die mich nahezu durchgehend überzeugt. Ellie raubt ihren Aufpassern mit dummen Sprüchen, vielen Schimpfwörtern und ihrer besserwisserischen Art regelmäßig den letzten Nerv. Tess neigt minimal zu überdramatischen Dialogen, wobei die Serien-Interpretation für mich sogar besser funktioniert als die Umsetzung im Spiel: Es „menschelt“ mehr, sie wirkt verletzlicher und damit nicht mehr wie das weibliche Pendant zu Chuck Norris.

Eine kleine Kritik in Bezug auf die Besetzung habe ich dann aber doch. Nico Parker (Dumbo) spielt die Rolle als Joels Tochter Sarah genial, keine Debatte. Der herzerwärmende Dialog über die Uhr als Geburtstagsgeschenk, die sie laut eigener Aussage mit Drogengeld reparieren lassen konnte, rief wohlige Erinnerungen an das Spiel hervor. Selbst das bevorstehende Unheil habe ich da kurzzeitig vergessen.

An der Besetzung stört mich in erster Linie die fehlende optische Ähnlichkeit zu Bella Ramsey. Im Spiel baut sich die emotionale Bindung zwischen Joel und Ellie unter anderem dadurch auf, dass das Mädchen den raubeinigen alten Mann an seine Tochter erinnert. Dieser Faktor verliert sich in der Serie etwas, aufgrund der ähnlich gelagerten zickigen Teenager-Attitüde geht die Formel aber dennoch gut genug auf.

Andere Zeit, gleiche Prämisse

Dem geneigten Spieler fällt direkt auf: In der HBO-Serie unterjocht der Cordyceps nicht 2013 die Menschheit, sondern 2003. Joel und Ellie treffen sich wie in der Vorlage 20 Jahre später, also 2023. Auch an der Art und Weise, wie sich der Pilz verbreitet, wurde gedreht. Menschen mit Gasmasken werdet ihr kaum sehen. Sporen als Verbreitungsmethode sind nämlich out, stattdessen schlingen sich die Kernkeulenverwandten in Rankenform durch die Welt. So bauten sie seit dem Ausbruch ein miteinander verbundenes neurales Netzwerk auf.

Für die Serie bedeutet das: Die Schauspieler müssen ihre Gesichter nicht verdecken. Neil Druckmann selbst hat in einem Interview kürzlich sogar gestanden, dass dies den Hauptgrund für die Anpassung darstellt. Diese bringt ein Element der Spannung mit sich, das im Spiel wohl nur genervt hätte: Treten die Protagonisten auf einen Strang des Cordyceps, kann es sein, dass sie damit eine Horde Infizierter alarmiert, die sich mehrere hundert Meter weit entfernt aufhält.

The Last of Us (HBO) - Official Trailer (dt. Untertitel)

Der offizielle Trailer zur HBO-Serie "The Last of Us" liegt nun auch mit deutschen Untertiteln vor.

Dieser Umstand zeigt sich im Massachusetts State House, wo die Mitglieder der Fireflies-Gruppierung Ellie in Empfang nehmen sollen: Dort ruft eine unvorsichtige Aktion die Monster herbei. In einer anschließenden Szene sieht man zudem, wie der Cordyceps Menschen infiziert – nichts für schwache Mägen.

Auch Antworten auf Fragen rund um die postapokalyptische Welt liefert die HBO-Adaption. Bei einem Spaziergang an der frischen Luft unterhalten sich Ellie und Joel über den Ausbruch. Mit ihren 14 Jahren kennt die Teenagerin nur eine Welt mit Cordyceps. Entsprechend erschließt es sich ihr nicht, wie das gesamte Unheil an einem Tag passieren konnte. Joels Erklärung ergibt für sich genommen so viel Sinn und wirkt so erschreckend realistisch, dass man als Corona-geschädigter Zuschauer vor Anspannung die Fingernägel in den Fernsehsessel krallt.

Ein Fest für Kenner

Beim Storytelling lässt sich The Last of Us einige Freiheiten, bleibt aber dennoch immer in der Nähe des Spiels. Beispielsweise haben Sarah und Joel im Nachbarshaus ihren Erstkontakt mit den Infizierten und nicht im eigenen Heim. Das torpediert die Geschichte nicht, vielmehr bereichern manche Änderungen die Erzählung. Joels sehr offen dargestellter Hang zu Alkohol und Pillen, die er aufgrund seiner traumatischen Vergangenheit als Einschlafhilfe benötigt, werden genauso beleuchtet wie sein tägliches Handwerk als Schmuggler.

Kenner des Originals beglückt die HBO-Serie hingegen regelmäßig mit Querverweisen und teils wörtlichen Zitaten aus dem Spiel. Die Autofahrt von Joel, seinem Bruder Tommy und Sarah steht exemplarisch dafür: Die drei sitzen im Truck und fahren an Jimmys brennender Farm vorbei und auch an ein paar Anhaltern mit Kind. Während Tommy die Unglücksraben mitnehmen will, ist Joel strikt dagegen. Es sind Szenen, die sich ins Hirn brennen.

Durch regelmäßige Sprünge in die Vergangenheit bekommen selbst Figuren, die im Spiel eher eine kleine Rolle einnehmen, sehr viel mehr Hintergrund verliehen. Beispielsweise begleitet ihr Joels Geschäftspartner Bill über mehrere Jahre hinweg. Wie er zu dem Mann wurde, der er ist, wird ebenso gezeigt wie seine Motivation und sein Vorgehen, zu überleben.

Alles kaufe ich der Serie aber nicht ab. Im Spiel befindet sich Joel ungefähr in seinen späten Vierzigern. Die Geburtstagsszene in der Serie definiert ihn aber als 36-jährigen Mann – folglich ist er im Hauptteil der Story 56. Dafür sieht Pedro Pascal zu jung und auch zu fit aus. Ebenfalls nicht ideal gelöst wurde der Erstkontakt der Truppe mit den Clickern. Diese Infizierten sind so stark vom Pilz befallen, dass sie nichts mehr sehen können. Zur Ortung ihrer Beute nutzen sie eine Art Sonar, für den sie ein klickendes Geräusch erzeugen. Im Gegensatz zu Joel ist Ellie im Umgang mit den Biestern jedoch völlig unerfahren. Als sie einen Fehler begeht, fällt seine Reaktion darauf etwas unsanft und wortkarg aus. Im Umgang mit dieser (auch im Spiel) besonderen Situation hätte ich mir von den Machern mehr Fingerspitzengefühl gewünscht.

Schauplätze vom Feinsten

Die Frage nach dem größten Star von The Last of Us beantworte ich weder mit Pedro Pascal, noch mit Bella Ramsey und auch nicht mit Nick Offerman. Stattdessen kann ich hier nur die Welt nennen. Das von der Natur zurückeroberte Boston sieht über weite Strecken fantastisch aus. Einschlagskrater zeugen vom Bombardement der Regierung, um die Seuche einzudämmen. Ein umgekrachter Wolkenkratzer lehnt bedrohlich an einem anderen, während Pflanzen die beiden Kolosse überwuchern. In der Quarantänezone reden die Menschen miteinander und treiben Handel; ihre amputierten Gliedmaßen zeugen von vergangenen Unglücken.

Ganz abschütteln lässt sich nie, dass ein Großteil der Schauplätze per CGI entstand. Letztlich passt das Gesamtbild aber so gut, dass dieser Umstand niemals stört. Spätestens, wenn ihr als Spieler Gebäude und Gebiete wiedererkennt, läuft euch ein wohliger Schauer über den Rücken. Leonardo DiCaprio würde direkt von seinem Meme-Fernsehsessel aufspringen, so originalgetreu haben die Macher manche Orte umgesetzt. Manchmal fühlt es sich an, als hätten sie Teile direkt aus dem Spiel übernommen. Aber auch hier gilt: Ihr braucht diese Vorkenntnisse nicht, sie verbessern das Erlebnis der Serie aber noch einmal deutlich.

Fazit

Dennis Hilla - Portraitvon Dennis Hilla
Packend, emotional und mit gekonnt ausgenutzten Freiheiten des Mediums Film: HBO hat The Last of Us würdig in Serienform gegossen

Leute, ich bin ganz ehrlich: Genau wie ihr kann auch ich mich an nur wenige Videospiel-Adaptionen erinnern, die ansatzweise gut waren. Das grandiose Arcane lasse ich außen vor, denn Riot Games stand nicht vor der Herausforderung, bekannte Spielfiguren mit realen Schauspielern darstellen zu müssen. Resident Evil flog bereits mehrfach auf die Schnauze und auch Uncharted konnte nur bedingt gefallen. The Last of Us stand ich also entsprechend skeptisch gegenüber, trotz des hochkarätigen Casts und der fähigen Macher.

Nach den ersten drei Folgen kann ich es aber kaum erwarten, weiter zu schauen. Sicher, die Darsteller passen nicht immer zum Vorbild aus dem Videospiel. Doch sie verkörpern ihre Figuren durch die Bank richtig gut. Bei manchen attestiere ich der Serien-Version gar eine deutliche Aufwertung im Vergleich zum Spiel. Zu Beginn agiert Pedro „Stoney McStoneface“ Pascal noch etwas emotionslos, was letztlich aber gut zu dem gebeutelten und gebrochenen Mann passt, den er spielt.

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Manche Story-Punkte hätten etwas weniger plump ausfallen dürfen, beispielsweise ein bestimmtes Ereignis aus Bills Vergangenheit. Unterm Strich gelingt HBO das Pacing aber sehr gut und die regelmäßigen Trips in die Vergangenheit bereichern die Story ungemein. Beispielsweise zu erfahren, woher die Seuche einst kam, zieht mich noch stärker in die Welt hinein.

Nach Abschluss der Serie werde ich The Last of Us definitiv noch einmal durchzocken. Zum Vergleich, aber auch, weil ich mir denken kann, dass die vielen Zusatzinfos einen weiteren Durchgang enorm bereichern. Das alleine zeigt, wie gut Neil Druckmann, Craig Mazin und allen anderen Beteiligten die Serie gelungen ist.

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