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Test - The Walking Dead 4: The Final Season : Test der kompletten Staffel: Das Ende einer Ära

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Nach der Pleite von Telltale Games sah es lange Zeit so aus, als würden wir das Ende von Clementines Abenteuer nie erleben. Ausgerechnet nach der ersten von vier geplanten Episoden musste das Studio schließen und entließ sämtliche Mitarbeiter. Doch glücklicherweise sprang Skybound Entertainment, die Firma von Comicautor und Walking-Dead-Schöpfer Robert Kirkland persönlich, in die Bresche und brachte die vierte und endgültig letzte Season zum Abschluss. Ein wehmütiger Abschied – und das gleich in doppelter Hinsicht …

Allein mit diesem Wissen im Hinterkopf fühlt sich die finale Staffel von The Walking Dead gleich doppelt wehmütig an. Denn sie bildet nicht nur das Ende von Clementines Reise, die vor ziemlich genau sieben Jahren ihren Anfang nahm, sondern sie besiegelt auch den endgültigen Abschied von Telltale Games – eine Firma, deren Name wie selten bei einem Spielentwickler stellvertretend für gleich mehrere Dinge stand: für das tapfere Hochhalten der Adventure-Fahne, als das Genre offiziell als tot galt; als Erfinder des (umstrittenen) Episoden-Konzepts, das viele andere Studios heute nachahmen.

Vor allem aber steht der Ausdruck „Telltale-Spiel“ heute für mehr als einfach nur das Spiel von einem bestimmten Hersteller. Er steht sinnbildlich für eine ganz bestimmte Spielegattung, quasi schon eine Genrebezeichnung, die Telltale zwar von Quantic Dream kopierte, viele andere Entwickler damit aber zur Nachahmung inspirierte: Dontnod etwa oder Supermassive Games, die, und das ist sicherlich Teil von Telltales Problem heute, die Formel irgendwann besser beherrschten als die einstigen Champions in dieser Disziplin. Nach seinem kometenhaften Aufstieg mit The Walking Dead (Spiel des Jahres 2012 bei Gameswelt) ruhte sich Telltale zu lange auf den Lorbeeren aus, trat lediglich auf der Stelle und produzierte wie am Fließband das mehr oder weniger ewig Gleiche, das irgendwann keiner mehr so richtig haben wollte.

Gewiss klingt es nach bitterer Ironie des Schicksals, dass der Todesstoß Telltale genau während der Entwicklung zum vierten und letzten Teil desjenigen Spiels ereilte, das ihnen dereinst den großen Durchbruch bescherte – dessen Erfolg und Klasse sie allerdings auch nie wiederholen konnten. Dabei war man doch gerade mitten in einer Umbruchphase, die das Ruder herumreißen sollte: Man wolle weniger Spiele produzieren, dafür höherwertige, hieß es noch vor einigen Monaten aus der Firmenzentrale, nicht länger an der Uralt-Engine Marke Eigenbau festhalten, sondern mit der Zeit (sprich: Unity) gehen, und werde dafür erstmals ein eigenes Spieluniversum erfinden, statt immer nur auf mal mehr, mal weniger bekannte Marken zu vertrauen. Alle guten Vorsätze kamen einen Tick zu spät, wie sich im Nachhinein herausstellte.

Wohin die Reise bei Telltale hätte gehen können, ist The Walking Dead 4: The Final Season im Ansatz bereits anzusehen. Die neue Engine lässt den Spiel-Film-Hybriden deutlich zeitgemäßer wirken als die optisch schon ziemlich angestaubten Staffeln von Guardians of the Galaxy oder Batman: The Enemy Within zuletzt – wenngleich es der markante Comic-Look zwischen der realistischeren Beleuchtung, den effektheischenden Reflexionen und Partikeleffekten mitunter schon fast schwer hat, sich seinen Stil zu bewahren.

Auch spielerisch wirft The Final Season etliche der über die Jahre rostig gewordenen Stellschrauben im Gameplay-Getriebe über Bord und ersetzt sie durch neue. So wurde die Anzahl der uninspirierten Quicktime-Sequenzen stark zurückgefahren und durch Actionszenen ersetzt, die fast schon so etwas wie die Bezeichnung Spielmechaniken für sich beanspruchen dürfen – oftmals keine sonderlich dollen, aber man sieht deutlich, dass der Wille auf Entwicklerseite vorhanden ist bzw. war, zu neuen Ufern aufzubrechen. Sogar eine deutsche (und insgesamt recht gelungene) Synchro gibt es erstmals. Die Zeichen, mit dieser Staffel eine Art Schlusspunkt zu setzen und gleichzeitig den Übergang in eine neue Ära einzuleiten, standen somit gar nicht schlecht.

Clementines letztes Abenteuer

Doch belassen wir es an dieser Stelle bei dem Nachruf auf Telltale und widmen wir uns dem Vermächtnis des Studios. In The Walking Dead 4: The Final Season gelangen Clementine und ihr Schützling AJ zu einem Internat, weit abgelegen im Wald. Die von den Erwachsenen schon seit Langem dort zurückgelassenen Kinder und Jugendlichen müssen aller Unerfahrenheit und Bedrohungen zum Trotz auf sich selbst gestellt um ihr Überleben kämpfen. Für einen Moment sieht es für Clementine und AJ so aus, als hätten sie ein neues, möglicherweise endgültiges Zuhause gefunden – eines, in dem sie ihr Leben unter Gleichgesinnten verbringen können, in einem richtigen Bett schlafen und hinter schützenden Mauern ein gewisses Maß an Sicherheit erfahren.

Doch selbstverständlich währt das vermeintliche Idyll nicht lange. An der nahen Küste herrscht ein Krieg zwischen verfeindeten Banden von Überlebenden. Um ihren ständigen Bedarf an neuen Rekruten zu decken, entführen sie Kinder, um sie als Kanonenfutter an die Front zu schicken. Clementine beschließt, den Kampf aufzunehmen und ihr neues Heim mit allen Mitteln zu verteidigen. Doch das wird nicht ohne schwerwiegende Verluste möglich sein …

Aus dem kleinen schutzbedürftigen Mädchen ist im Laufe der vier Staffeln eine wahre Anführernatur geworden, die nun auf ihre große Bewährungsprobe gestellt wird. Doch auch in ihre Rolle als Ersatzmutter für den (nicht mehr ganz so) kleinen AJ muss Clementine weiter hineinwachsen. Und dabei vor allem als Vorbild dienen, nach dem sie ihren Schützling für die Zukunft formen will: Wird AJ zu einem pragmatischen Überlebenskünstler, der den Zweck über die Mittel und die Moral stellt? Oder kann sie ihm Werte wie Mitgefühl und Gerechtigkeit lehren? Diese Fragen werden vor allem auch eure spielerischen Entscheidungen prägen, die ihr in den insgesamt etwa 15 Stunden Spielzeit treffen müsst.

Interessant an diesem Gesichtspunkt ist, dass The Walking Dead 4 damit recht ähnliche Themen anschlägt, wie sie auch der direkte aktuelle Konkurrent Life is Strange 2 formuliert. The Walking Dead schlägt sein emotionales Kapital vor allem aus einigen ungewohnt ruhigen Szenen wie einer Party, die als ausgelassene Feier zum Zwecke der Moralsteigerung am Vorabend der großen Schlacht beginnt und ganz unerwartet in ein melancholisch wehmütiges Trauern um vergangene Tage kippt. Auch schön, wie es dem Finale gelingt, wehmütige Referenzen an die alten Teile ganz nebenbei einzuspinnen, ohne sich zu sehr auf das Anrufen der Geister der Vergangenheit zu verlassen.

The Walking Dead: The Final Season - Episode #4: Take Us Back Launch Trailer
Ab dem heutigen Dienstag könnt ihr das abschließende Kapitel von The Walking Dead: The Final Season genießen.

Dramaturgisch gelingt es dabei nicht immer, ausliegende Fettnäpfchen zu umschiffen. Gerade einige zentrale Nebenfiguren treten bedauerlich eindimensional auf und gehorchen zu sehr ihrer reinen Funktion für die Geschichte, wie sie in dieserlei Geschichten als zum Klischee geronnen bekannt ist: Der unerfahrene Anführer trifft feige Entscheidungen, die notgedrungen ins Verderben münden, die Bösen machen aus Lust und Laune nunmal gemeine Dinge, und der geheimnisumwitterte Indianerjunge lebt einsam in der Wildnis und raunt sinnentleerte, aber tiefsinnig klingende Kalenderblattsprüche über die Natur, Spiritualität und solche Sachen halt.

Aber egal. Das Erfreulichste an der finalen Staffel von The Walking Dead ist ohnehin, dass sie überhaupt existiert und die Geschichte um Clementine auf diese Weise zu einem in doppelter Hinsicht versöhnlichen Abschluss bringt. Dabei gibt sie nochmal einen kompletten Querschnitt durch alle Stärken und Schwächen, die die Telltale-Spiele schon immer kennzeichneten. Das Ende, das wir an dieser Stelle selbstverständlich nicht verraten, könnten Logikfetischisten unter den Serien-Fans womöglich hassen. Dennoch ist es meiner Meinung nach dramaturgisch wohl das bestmögliche und befriedigendste, das Clementines Reise und auch die von Telltale nehmen konnte. Danke Jungs, es war schön mit euch.

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