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Test - Tropico 6 : Ein Diktator im Urlaubsparadies

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Schon immer ist die Tropico-Serie so etwas wie das schwarze Schaf im Aufbaustrategie-Genre. Säßen alle Städtebau-Simulationen zusammen am Planungstisch, würden Anno und auch die Siedler die braven Baumeister und Ingenieure mimen. Mit gebügelten Hemden, stocksteif dasitzend, würden sie gewissenhaft über Ordnung und Fortschritt referieren.

Am anderen Tischende lümmelt Tropico großspurig in seiner olivgrünen Operettenuniform herum, bröselt Zigarrenasche auf den Teppich und fächelt sich dabei lässig mit einem Bündel Dollarnoten Luft zu. Glückliche Bürger? Unsinn. Keine Korruption? Quatsch. Demokratie und Freiheit? Nichts da! Und so lässt euch Tropico 6, genau wie in den Teilen zuvor, den Drang nach Diktatorenfeeling in der Bananenrepublik voll ausleben.

Die erwähnten Planungstreffen haben dem Bad Boy Tropico aber keinesfalls geschadet. El Presidente hat sich bei den Kollegen durchaus einige Tricks und Kniffe ausborgen können. Vor allem habt ihr erstmals in der Serie nicht nur eine einzige Insel zu bewirtschaften, sondern einen ganzen Archipel. Der stellt euch vor neue Herausforderungen.

Der Kern des Spiels hat sich dennoch nicht großartig verändert. Nach der Machtergreifung, die leider nicht mehr so ausgiebig erzählt wird wie in den früheren Teilen, kümmert ihr euch um die Belange des eigenen Kleinstaates. Ihr stampft klassischerweise Wohn- und Produktionsgebäude aus dem Boden und haltet eure Untertanen wahlweise in Schach oder bei Laune. Hierbei liegt der Fokus einmal mehr auf Politik und Intrigen. Wart ihr bereits in den Vorgängern als Diktator am Werk, werdet ihr euch sofort zu Hause fühlen.

Ein einzigartiges Merkmal von Tropico bleibt sein Humor. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass Despoten in ihren Ländern meist nicht sonderlich beliebt waren. Tropico schafft es allerdings auch im sechsten Ableger ganz leicht, dem Fidel-Castro-Szenario die Ernsthaftigkeit zu entziehen: Eure Berater sorgen mit ihren Sprüchen und Kommentaren ebenso für Lacher wie die vielen komischen Elemente im Spielablauf. Dass der Spaß erhalten bleibt, ist bemerkenswert, weil sich inzwischen schon vier verschiedene Studios der Reihe angenommen haben. Für den sechsten Ableger zeichnet Limbic Entertainment aus Deutschland verantwortlich. Die Entwickler machten bisher primär durch ihre hochwertigen Strategiespiele aus dem Might & Magic-Universum auf sich aufmerksam.

El Presidente im Baukasten

Auch im neuesten Ableger bleibt es euch überlassen, wie ihr als Herrscher auftreten wollt. Zu Spielbeginn geht es deshalb zunächst in den Präsidenten-Editor. An dieser Stelle dürft ihr nach Herzenslust euer Konterfei gestalten. Soll euer El Presidente einem Pharao ähneln oder doch lieber wie ein rauhbeiniger Pirat aussehen? Ihr habt die Wahl. Ebenfalls dürft ihr den Regierungspalast nach eurem Gusto gestalten. Ein riesiges Hologramm oder eine Glaspyramide wie im französischen Louvre auf dem Dach sind ebensowenig ein Problem wie ein Brunnen im gotischen Stil, der euren Vorgarten schmückt. Ein Präsident muss es in seinem Domizil schließlich angenehm haben.

Mehr als eine optische Spielerei ist das aber nicht. Ein solches Element würde unserer Meinung nach in das Spiel selbst und nicht in ein Vorauswahl-Menü gehören. Es wäre doch wirklich motivierend, wenn man den eigenen Palast Stück für Stück mit protzigen und pompösen Dekorationen und Anbauten erweitern könnte, anstatt einfach zu Beginn alles auszuwählen.

Während ihr seit dem dritten Teil noch die Art und Weise der Machtergreifung in einem kleinen “Choose-your-own-Adventure”-Part gestalten konntet, habt ihr in Tropico 6 nur noch acht Charaktermerkmale zur Auswahl. So kann euer Staatsmann beispielsweise charismatisch, korrupt oder arbeitssüchtig sein. Diese Auswahl ist von spielerischer Relevanz: Mit eurem Charisma pflegt ihr bessere Auslandsbeziehungen zu großen Staaten wie den USA oder China. Dagegen steigert ein hoher Arbeitseifer eures Alter Ego die Effizienz aller Gebäude. Besonders witzig ist der Charakterzug “pyromanisch”, denn mit ihm besteht die Chance, dass ein Gebäude nach dem Präsidentenbesuch in Flammen aufgeht. In diesem Fall ist auch die Feuerwehr wachsamer.

Viel Arbeit im Urlaubsparadies

Türkisblaues Meer, weißer Sandstrand, üppige Palmen und strahlender Sonnenschein – das ist Sommerurlaub, wie er im Buche steht. Faulenzen ist trotzdem nicht drin, vielmehr bekommt ihr inmitten der malerischen Kulisse allerhand zu tun. Damit ein geschäftiges Treiben überhaupt zustande kommt, ist selbstredend eure Person gefragt. Wie wir euch bereits in unserer Vorschau zu Tropico 6 berichteten, wird der Tagesablauf eines jeden Einwohners individuell simuliert. Das bedeutet für euch natürlich viel Arbeit. Menschen haben Bedürfnisse wie Nahrung, Gesundheit und Sicherheit. Werden diese nicht erfüllt, protestieren sie auf den Straßen und die Zustimmung für euch sinkt.

Eure Bevölkerung teilt sich in meinungsstarke Fraktionen auf. Die Balance zwischen den Gruppierungen zu halten ist eine Kunst für sich, da sie sich teils sehr gegensätzlich gegenüberstehen. Kapitalisten sind grundsätzlich gegen die Planungen von Kommunisten und umgekehrt. Neben Religions- und Militärangehörigen habt ihr es in der höchsten Stufe sogar mit Intellektuellen und Konservativen zu tun. Deren Anforderungen bewegen sich ungleich höher. Ganz im Stile einiger realer Machthaber könnt ihr nervige Fraktionsführer einsperren oder einen “Unfall” anordnen, der sie aus dem Weg räumt. Habt ihr genug Platz in der Irrenanstalt, lassen sich Störenfriede dort kaltstellen. Das ist nur ein kleiner Teil der Möglichkeiten, die euch Tropico 6 zur Verfügung stellt.

Tropico 6 - El Presidente Wants You Trailer
Zu Tropico 6 wurde nun ganz offiziell die Beta-Testphase eingeläutet.

Griff nach den Sternen

Wie in Tropico 5 dürft ihr eure Republik durch insgesamt vier Epochen führen. Beginnend mit dem Kolonialzeitalter entwickelt ihr euch bis hin zur Moderne. Ihr habt dabei besonders auf die Forschung zu achten. Ebenso sollten eure Bürger Universitäten besuchen, um einem Fachkräftemangel vorzubeugen. Damit qualifiziert ihr das Personal etwa für die Arbeit im Atommeiler oder bei einem Pharmakonzern. Ist euch die Welt nicht genug, entwerft ihr sogar euer eigenes Raumfahrt-Programm.

Neu in Tropico 6 sind die in der jeweiligen Entwicklungsstufe sofort verfügbaren Blaupausen für Gebäude. Ihr müsst also nicht erst eine bestimmte Anzahl von Ressourcen herstellen oder Forschung betreiben, um Produktionsstätten freizuschalten. Das Baumenü mag auf den ersten Blick etwas spartanisch wirken, da nur wenige Gebäudetypen verfügbar sind. Allerdings könnt ihr beispielsweisea auf einer Plantage diverse Güter wie Ananas, Mais oder Zucker anpflanzen. In Tropico 6 baut ihr also nicht diverse einzelne Gebäude, sondern spezialisiert den jeweiligen Arbeitsmodus eures Bauwerks. Welchen davon ihr nutzen dürft, steuert ihr über den Forschungsbaum.

Brandenburger Tor im Südpazifik

Entwickler Limbic Entertainment besteht aus ehemaligen Angestellten von Sunflowers. Das nicht mehr existente Studio aus Österreich erfand einst die Anno-Serie. Es ist daher wenig verwunderlich, dass einige Anno-Formeln in Tropico 6 Einzug gehalten haben. Mehrere Inseln bedeuten mehrere Ressourcenquellen. Bananen wachsen nur auf Insel eins, Gold ist nur auf Insel zwei vorhanden und euren Tourismus platziert ihr besser auf Insel drei. Das fordert euch mehr als in früheren Teilen, aber nach einer gewissen Spielzeit geht es in Fleisch und Blut über. Auch die Infrastruktur wurde runderneuert: Das Straßennetz könnt ihr freier anlegen und nützliche Brücken bequem von einer Insel zur anderen spannen.

Doch ein großer Machthaber giert auch nach monumentalen Bauten. In Tropico 6 sorgt ihr als Bauherr selbst dafür. Das ist sowohl anstrengend als auch sehr kostspielig. Eine gefühlte Ewigkeit vergeht, bis ihr die riesigen Kunstwerke endlich einweihen dürft. Verbrecherischen Diktatoren dauert das womöglich zu lange, darum können sie berühmte Sehenswürdigkeiten einfach von anderen Nationen stehlen.

Hierfür müsst ihr lediglich die Agenten in eurer Spionageeinrichtung behelligen, die alles weitere für den Auftrag veranlassen. Leider bekommen wir den Raubzug nicht mit, stattdessen wird dieser lediglich über Textfenster kommuniziert. Immerhin gibt es im Anschluss an einen erfolgreichen Coup eine schöne Animation zu sehen, in der beispielsweise das Brandenburger Tor mit Hubschraubern eingeflogen wird. Diese Bauten sind nicht nur nett anzusehen, sondern bringen Effekte für die Bevölkerung mit oder kurbeln den Tourismus an.

Der Klassenkampf

Obwohl Tropico 6 ebenso wie Anno und Die Siedler ein klassisches Aufbauspiel ist, sind die Warenkreisläufe nicht so komplex wie bei den anderen Genrevertretern. Schließlich habt ihr als El Presidente noch mehr um die Ohren, als nur Mammon und Gold zu scheffeln. Ihr habt weitreichende Entscheidungen auf höchster politischer Ebene zu treffen. Die angesprochenen Fraktionen sind nicht immer einfach zu handhaben und auch eure Auslandsbeziehungen erfordern diplomatisches Geschick – oder eben zwielichtige Aktivitäten.

Die Verfassung der Republik liegt dabei genauso wie Erlasse und Anordnungen in euren Händen. Ebenso werden durch euch Minister in ihr Amt erhoben. Wer unbedingt will, kann Tropico 6 als Menschenfreund und Saubermann spielen. Einen moralischen Kompass drückt euch das Spiel aber nicht auf. Ob ihr böse oder gut agiert, wird weder belohnt noch bestraft. Seid euch jedoch möglicher Konsequenzen bewusst.

Solltet ihr zum Beispiel allen Bürgern das Wahlrecht ohne Repressalien gestatten, kann das bei der nächsten Wahl schwierig werden. In diesem Zusammenhang kehren die in Teil 5 vermissten Wahlreden nebst diverser Versprechen zurück. Doch auch wenn El Presidente Politiker ist, solltet ihr es tunlichst unterlassen, die Bürger von Tropico anzulügen. Denn sie nehmen es, wie euer treuer Assistent Penultimo berichtet, mit der Einhaltung heutzutage sehr genau.

Tropico 6 geht so leicht von der Hand, dass ihr nahezu mühelos durch euer karibisches Inselreich rauschen, Bauvorhaben absegnen, in der Verfassung herumpfuschen oder mit den Großmächten feilschen könnt. Das Interface ist sehr übersichtlich gestaltet und gibt selbst Neueinsteigern das gute Gefühl, alles umsetzen zu können. Viele Statistiken helfen euch, euren Inselverbund stets unter Kontrolle zu halten. Wie viele Kapitalisten sind im Land, welche Anforderungen stellen die Kommunisten oder was stimmt die Intellektuellen zufrieden? Am Ende ist euer Ziel immer gleich: El Presidente will an der Macht bleiben – und zwar um jeden Preis.

Grafisch zeichnet Tropico 6 ein wunderschönes Paradies mit herrlichen Landschaften – die Unreal-4-Engine leistet ganze Arbeit. Auch läuft das Spiel äußerst flüssig, sogar zwischen Global- und Nahansicht zoom ihr stufenlos ohne Laderuckler. Wenn dann noch karibische Klänge euren Ohren schmeicheln, möchtet ihr euch bloß noch einen Cuba Libre mixen lassen und den wuseligen Alltag eurer Bürger beobachten.

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Tropico 6
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