Preview - WRC: FIA World Rally Championship : Über Stock und Stein

Im Oktober 2005 veröffentlichte Sony mit WRC: Rally Evolved für die PlayStation 2 das letzte Spiel, das die komplette Lizenz der Rallye-Serie beinhaltete. Seitdem hat sich keine waschechte Rallye-Simulation mehr auf den Markt getraut. Das italienische Studio Milestone nimmt sich der Herausforderung in diesem Jahr an und schraubt in Mailand die letzten Muttern an WRC: FIA World Rally Championship fest. Wir waren vor Ort und haben uns ins virtuelle Cockpit gesetzt.

Eine Konstante trotz der großen Zeitdifferenz zwischen den Spielen: Sébastien Loeb gewann die WRC-Saison 2005 und wird wohl aller Voraussicht nach auch 2010 wieder ganz oben auf dem Treppchen stehen. Nicht nur durch seine anhaltende Dominanz verlor die WRC in den vergangenen Jahren ein bisschen den Glanz früherer Tage. An der aktuellen Saison sind nur noch die beiden Fahrzeughersteller Ford und Citroën beteiligt. Andere Marken wie Subaru, Peugeot, Mitsubishi oder Seat haben sich nach und nach aus der Königsklasse des Rallye-Sports zurückgezogen.

Klasse durch Klassen?

Damit die Abwechslung nicht völlig auf der Strecke bleibt, sind auch die Rahmenrennen der J-WRC (Juniorenklasse), der S-WRC (für S2000-Fahrzeuge) und der P-WRC (seriennahe Gruppe N-Fahrzeuge mit Allradantrieb und Turboaufladung) enthalten. Zusammen kommt man damit auf 18 Autos und 60 Fahrer. Dazu gibt's die passenden weiblichen oder männlichen Kopiloten, die euch über die 13 Rallyes in aller Welt lotsen. In Finnland rattert ihr gemeinsam bei Schneefall über vereiste Naturstraßen, während Jordanien mit einem staubigen Untergrund auf euch wartet. Auf den 550 Kilometern reinen Streckenmaterials verspricht Milestone 40 unterschiedliche Beläge.

Neben den klassischen Spielmodi, bei denen ihr einzelne Etappen, Rallyes oder ganze Meisterschaften fahren könnt, steht auch der Modus „The Road to the WRC" zur Auswahl. Als Grünschnabel müsst ihr zunächst an regionalen Rennen teilnehmen und langsam die Karriereleiter hochklettern. Für jedes gewonnene Event winkt frischer Zaster, der in ein besseres Auto investiert werden kann. Auch weitere Sponsoren, die in eure Fahrkünste investieren wollen, lockt ihr durch eure Erfolge an.

Vorsicht, heißer Sitz!

Vorher ist aber ein Besuch in der „Rally Academy" empfehlenswert, damit ihr euch nicht gleich um den nächsten Baum wickelt. Wer genug von den reinen Einzelrennen hat, kann sich im Mehrspielermodus mit menschlichen Kontrahenten messen. Ein Hot-Seat-Modus für vier Spieler ist ebenso dabei wie die Möglichkeit, sich die schnellste Zeit als Geist herunterzuladen. Außerdem könnt ihr einzelne Etappen, Rallyes oder ganze Meisterschaften nach eurem Belieben zusammenstellen.

Milestone scheiterte mit früheren Titeln wie Superstars V8 Racing und Superstars V8 Next Challenge vor allem daran, keine vernünftige Fahrphysik auf die Räder gestellt zu haben. Auch bei WRC ist die Steuerung bislang durchwachsen. Mit Controller und aus der Verfolgerperspektive mag kaum Rallye-Feeling aufkommen. Obwohl man um die Kurven der schmutzigsten Pisten mit den tiefsten Kerben driftet, hat man eher das Gefühl, über eine perfekt asphaltierte Rennstrecke zu brettern. Echte Hobby-Rennfahrer greifen aber ohnehin zum Lenkrad, das in Kombination mit der Cockpit-Perspektive das Fahrgefühl erheblich glaubwürdiger erscheinen lässt. Dank der individuell einstellbaren Fahrhilfen für Bremsen oder Lenkung können sich auch Einsteiger an den virtuellen Rallye-Sport wagen.

Gemischte Gefühle auch bei der Grafik: Die Fahrzeuge wissen mit ihren 50.000 Polygonen zwar zu gefallen und auch das Schadensmodell ist optisch detailliert umgesetzt. Weniger überzeugend sind dagegen die Strecken, die sich in ihrer Qualität stark unterscheiden. Dazu kommen sichtbare Unterschiede zwischen den Plattformen. Die PC-Version hinterließ mit Abstand den besten Eindruck, gefolgt von der Xbox-360-Fassung. Die Version für die PlayStation 3 landet im Moment noch abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Fazit

von Yves Günther

Milestone versucht, den Spagat aus Realismus und Einsteigerfreundlichkeit zu schaffen. Das ist schwierig: Hartgesottene Hobby-Rennfahrer werden wohl weiterhin Richard Burns Rallye aufgrund der unerreicht guten Fahrphysik bevorzugen, während Arcade-Raser mit Colin McRae: DIRT 2 schon bestens versorgt sind. Trotz der Fahrhilfen werden dann auch Einsteiger ihre liebe Not haben, das Fahrzeug auf Kurs zu halten. Da ist Frust programmiert. Hinzu kommen viele kleinere Makel. Die Strecken variieren in ihrer optischen Qualität stark und enttäuschen teilweise. Auch das markante Rallye-Gefühl überträgt sich bei bestimmten Kameraperspektiven noch nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Entwickler bis zur Veröffentlichung im Oktober noch mal nachbessern. Trotz allem: Für Milestone ist WRC: FIA World Rally Championship ein qualitativer Sprung nach vorn. Mangels aktueller Alternativen sollten Genre-Fans ohnehin mal einen Blick riskieren. Etwa zwei Wochen vor dem Marktstart wird eine Demo für alle drei Plattformen erscheinen.