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Test - Edna bricht aus : Zum Brüllen komisch und herrlich absurd

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Benutze alles mit jedem

So absurd die Lösungen auch manchmal zu sein scheinen, so sind sie doch immer - häufig auf verquere Weise - nachvollziehbar. Eigentlich eher „vorvollziehbar", denn wer aufpasst, findet immer genug Hinweise, wie des Rätsels Lösung aussehen könnte. Einen besonderen Stellenwert hat hierbei das Rumprobieren. Als Lösungsansatz zwar nicht besonders sinnvoll, ist dieser Aspekt des Spiels aber wirklich witzig, innovativ und - man glaubt es kaum - motivierend. Denn Edna kann buchstäblich alles mit allem benutzen und statt des obligatorischen „Das geht so nicht" hat sie immer einen witzigen Kommentar auf Lager. Falls sich also einmal kurzzeitig der Frust ob eines schwierigen Rätsels heranschleicht, einfach mal den Kleiderbügel mit den Cornflakes benutzen!

Die Sprachausgabe übertrifft dabei alles, was jemals in einem Adventure da gewesen ist. Allein die schiere Masse ist beeindruckend. Zu allem und jedem kann Edna - oder Harvey - einen Kommentar abgeben, und der ist immer witzig, abgedreht, eigenartig oder alles zusammen. Das gilt auch für die Dialoge. Diese helfen nicht nur bei Rätseln, sondern sind auch häufig des Rätsels Lösung. Doch nicht nur der Text, auch der Ton macht die Musik (die übrigens auch ganz hervorragend ist, vor allem der Song im Abspann). So sind alle Charaktere brillant synchronisiert, kommen mit unterschiedlichsten Dialekten daher und zeigen auch hier ihre Macken.

Völlig irre!

Sowieso stellen sämtliche Akteure ein herrliches Panoptikum des Irrsinns dar, was in einem Irrenhaus natürlich nicht verwunderlich ist. Denn wunderlich sind sie alle, Insassen wie Wärter: Etwa die vermeintlichen siamesischen Zwillinge Hoti und Moti, die sich eigentlich nur einen Pullover teilen (und Drillinge sind, aber Broti studiert in Paris Kunstwissenschaften). Oder der Fahrscheinkontrolleur des Wäschelifts mit ausgeprägtem nordischen Akzent und einer bizarren Logik des Transportsystems. Dann wäre da noch Blase, der Monitorwachmann, der sich durch (fast) nichts aus der Ruhe bringen lässt. Und natürlich Droggelbecher!

All diese verschrobenen und überaus sympathischen Charaktere helfen oder behindern Edna bei ihrem Ausbruch aus der Anstalt. Doch Edna hat auch eine Nemesis in Form von Dr. Marcel, dem fiesen Leiter der Irrenanstalt. Er und Edna haben eine gemeinsame Vergangenheit, was den Tod von Dr. Marcels Sohn und Ednas Feind aus Kindertagen und die Verurteilung ihres eigenen Vaters betrifft. Nach und nach kommt Edna nicht nur der Freiheit näher, sondern auch einer finsteren Verschwörung in ihrer Vergangenheit auf die Spur. 'Edna bricht aus' ist nicht nur lustiges Rätselraten, sondern hat auch eine ausgeklügelte Geschichte zu bieten, die zum Schluss richtig düster wird.

Kunst oder Kinderkram?

Doch erst einmal muss Edna raus aus dem Irrenhaus, und das ist recht weitläufig. Über 120 Locations sind da schon eine Herausforderung der besonderen Art. Und zumindest die Anstalt ist, wenn Edna erst einmal der Gummizelle entflohen ist, fast vollkommen frei begehbar. Dadurch gestaltet sich das Spiel erfreulich nichtlinear. Kommt ihr an einer Stelle nicht weiter, versucht ihr einfach irgendetwas anderes. Denn irgendwo ist immer etwas zu tun oder ein Rätsel zu lösen. Und wem die Wege mal zu lang werden, der kann ja innehalten und mit dem Mülleimer reden (tatsächlich!).

„Müll" könnte auch das Wort sein, das dem einen oder anderen grafikbesessenen Spieler bei der Betrachtung des Bildschirms in den Sinn kommt. Doch wer so denkt, dem entgeht leider der ganz spezielle optische Charme von 'Edna bricht aus'. Statt auf aufgemotzte, frei begehbare 3D-Hintergründe setzt das Spiel ganz auf wie von Kinderhand gekrakelte 2D-Bilder, die knallbunt und auf sehr direkte Art unglaublich ansprechend sind. Besonders lustig und gelungen: Die holprigen Animationen der wunderbar ge- und überzeichneten Charaktere, die nicht einmal ansatzweise lippensynchron sprechen. Ein Extralob für das mutige optische Tiefstapeln, das das Irrenhaus so richtig irre rüberbringt!

Fazit

Stephan Fassmer - Portraitvon Stephan Fassmer
Hier ist es endlich, das Spiel, auf das alle 'Monkey Island'-Fans sehnsüchtig gewartet haben! Und es kommt, wie so etwas wohl kommen muss, völlig unerwartet und ohne großen Hype. 'Edna bricht aus' ist vielleicht das klassischste aller klassischen Adventures. Die absichtlich einfach gehaltene 2D-Grafik, die Anleihen an das SCUMM-Interface und die schrägen Charaktere in einer abgedrehten Story – all das erinnert sehr stark an die LucasArts-Titel aus der Adventure-Hochzeit vor 20 Jahren. Doch 'Edna bricht aus' ist nicht einfach ein geschickt gemachter Klon. Die Eigenständigkeit des Spiels zeigt sich in der ausgefeilten Story, die zwar lustig und abgedreht erzählt wird, aber auch immer wieder melancholische bis düstere Untertöne hat. Die Charaktere sind durch die Bank schön schräg ge- und überzeichnet und wachsen einem mit ihrer Menschlichkeit schnell ans Herz. Die Rätsel sind zwar absurd und nicht ganz einfach, aber immer logisch und extrem gut konstruiert. Die Low-End-Grafik passt perfekt zum Thema und zum Stil. Völlig unglaublich ist aber die Fülle an Text und Sprachausgabe, die ich noch in keinem Spiel so witzig und umfassend eingesetzt gesehen habe. All das spielt perfekt zusammen aus einem in jedem Detail spürbaren Grund: der Liebe zum geschaffenen Kunstwerk! Das ist das Geheimnis von 'Edna bricht aus', mit dem das Spiel all die anderen humorvollen Comic-Adventures der letzten Jahre auf ihren Platz verweist und zeigt, dass auch jenseits der knöchernen Konventionen klassischer Spielspaß auf hohem Niveau möglich ist. Für mich DER Kandidat für das Adventure des Jahres. Dieses Spiel ist unglaublich – IRRE!

Überblick

Pro

  • irre, sympathische Akteure
  • schräge, bewegende Story
  • ausufernde Vertonung
  • abgedrehte, aber logische Rätsel
  • große spielerische Freiheit
  • klassischer Adventure-Stil
  • lustige Comicgrafik
  • intuitive Bedienung

Contra

  • für Einsteiger recht schwierige Rätsel

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