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Special - Umgangsformen im Internet – Kolumne : Habt ihr keinen Anstand?

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    Mal gewinnt man, mal verliert man. Im virtuellen Online-Spiel ist das nicht anders als im echten Leben. Nicht jede Runde FIFA endet mit einem glamourösen Sieg, nicht jede Partie Counter-Strike mit einem meisterlichen Abschuss zum Ende der Runde. Aber anders als im echten Leben gibt es einen Ausweg. Mein Mitspieler brüllt „F*ck dich, du Cheater“ durchs Mikro und verlässt die Lobby!

    (Anm. d. Red.: Auch wenn Olaf des Öfteren für Gameswelt freiberuflich auch Standardartikel, zum Beispiel Previews, schreibt, gilt für seine Kolumne das, worauf wir auch immer bei normalen Gastbeiträgen hinweisen: Die Meinung des Autors muss nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    Manchmal musst du stark sein: In Vorbereitung auf das nahende FIFA 15 hatte ich mich noch einmal in die Schlangengrube FIFA 14 begeben. Mein Ultimate Team steht. Nicht perfekt, aber ausreichend stark, um damit vernünftig Fußball zu spielen. Voller Zuversicht starte ich die Online-Duelle, nur um bitter enttäuscht zu werden. Ich absolviere zwölf Partien, verliere davon drei. Eine sogar sehr deutlich. Die übrigen neun Matches gehen an mich. Doch keines habe ich bis zum Abpfiff gespielt. Kaum führe ich, steigen meine Gegner aus oder fabrizieren irgendwelchen Mist. Sie dribbeln mit dem Torwart, holzen nur noch rum oder beschimpfen mich über den In-Game-Chat. Ich denke mir: „Habt ihr keinen Anstand?“

    Gleiches Bild bei DotA 2: Ich habe es bislang wenig bis kaum gespielt. Als blutiger Anfänger steige ich ein, mache Fehler. Aber niemand hilft mir oder korrigiert meine Patzer. Auf dem Bildschirm erscheint die Meldung: „You stupid f*ck! You ruined my game. Asshole!“ Erneut denke ich mir: „Habt ihr keinen Anstand?“ Ich beende die Runde und schalte den PC aus.

    Wir teilen doch ein gemeinsames Hobby. Woher kommen dann all dieser Zorn und diese versteckte Aggression. Sind diese Beispiele nur Momentaufnahmen? Anscheinend nicht! Die Spiele-Community schafft sich ab. YouTuber sperren die Kommentarfunktionen. Entwickler gehen wegen Beleidigungen an die Öffentlichkeit. In Zeiten der multimedialen Anonymität darf jeder sagen, schreiben und grunzen, was er oder sie will. Es ist ja nur im Internet!

    Baustelle: Online-Spiele

    Ich gebe es ehrlich zu: Ich spiele nicht gerne online! Ich bevorzuge die direkte Kommunikation und lade lieber zu ausgedehnten Spieleabenden ein. Gut, Mario Kart 8 ist eine echte Herausforderung für jede Freundschaft. Aber wer die Zombie-Apokalypse von Left 4 Dead 2 mit mir überlebt, dem würde ich auch mein … na ja, zumindest würde ich ihm eine DVD leihen.

    Mir fehlt diese persönliche Komponente im Online-Spiel. Eine gepflegte Runde Call of Duty: Ghosts mit Freunden ist online launig. Eine Partie FIFA witzig. Aber in eine offene Lobby zu kommen und dort mit Wildfremden zusammenzuspielen, ist etwa wie die Fahrt in der Kölner U-Bahn. Da siehst du auch ein paar sympathische Menschen… neben ungepflegten Mietnomaden, grölenden Junggesellenabschieden und irgendwelchen Menschen, die einem von vornherein suspekt sind.

    In meinem alltäglichen Leben suche ich mir meinen Umgang aus. Wieso kann ich meine Mitspieler kaum filtern beziehungsweise erst blocken, wenn der Schaden - für den Moment - schon angerichtet ist? Einen Taschendieb lasse ich ja auch nicht erst meinen Geldbeutel klauen. Ich weiß, dass ich mit ihm keine Bekanntschaft schließen möchte. Kurzum: Es muss strengere Kontrollinstanzen in Videospielen geben. Ich will früher sehen, wen ich da vor mir habe. Wie oft bricht dieser Mensch Spiele ab? Wie verhält er sich online? Wie sind die Reaktionen auf ihn?

    Weiterklicken! Hier gibt es nichts zu lesen ...

    Ich quatsche auch viel. Und ich mag Trash-Talk. Mutterwitze unter Kerlen? Das gehört dazu! Würde ich das einem Fremden gegenüber machen? Natürlich nicht. Weil es sich nicht gehört. Wir alle haben eine Leidenschaft für Videospiele, aber wann ist diese gemeinsame Leidenschaft zu blankem Fanatismus mutiert? Hat uns (wer sich angesprochen fühlt, gehört vermutlich schon dazu) das Internet schon so weichgekocht? Nennt mich alt, abgestumpft oder langweilig, aber in der Welt, in der ich lebe, haben alle Spaß an Videospielen. Niemand sollte das Recht haben, einem diesen zu verderben. Natürlich darf, ja, muss man sich sogar über knappe Niederlagen ärgern. Es ist schließlich ein sportlicher Wettstreit. Man darf auch schimpfen und zetern. Danach muss es aber wieder gut sein.

    Die stumpfen Aggressionen sind ja nicht allein ein Problem des Online-Spiels. Die Communitys sind außer Rand und Band. Das Durchforsten der deutschen Facebook-Seite von EA Sports ist eine Goldgrube für Dummheit. Da ist der Kommentar „Server mal wieder down, IHR AFFEN“ (natürlich wurden die Kommasetzung sowie die Groß- und Kleinschreibung korrigiert) noch gepflegt ausgedrückt. Ein Hoch auf die Kollegen, die Kommentare tilgen und der Idiotie keine Plattform bieten. Wohin uns diese Art der Kommunikation getrieben hat, zeigt dieser offene Brief an die Community. Spielentwickler werden massiv angefeindet. Ich selbst habe es mir auf bestimmten Seiten abgewöhnt, Kommentare zu lesen. Ich schaue ja auch nicht stundenlang in die Toilette und hoffe auf eine Erleuchtung.

    Beleidigungen und Anfeindungen sind kein Kavaliersdelikt! Und Trolle sind weder cool noch originell. Sie sind Trolle. Einsame, dumme, nach Aufmerksamkeit geifernde Menschen (siehe auch dieser FAZ-Artikel). Sie schreiben ihre Kommentare aus purem Egoismus. Sie folgen einem verzerrten Weltbild und halten sich für Revolutionäre. Falsch: Revolutionäre nehmen das Heft selbst in die Hand. Sie versuchen aktiv etwas zu verändern und hetzen nicht sinn- und intelligenzfrei. Wir leben in einer Zeit, in der nur noch das Extravagante und Extreme Reaktionen hervorrufen. Mittelmäßigkeit ist öde, Normalität der Tod.

    Aber wie weit soll sich diese Spirale noch drehen? Ich sage: Wir haben die Grenze längst erreicht! Nicht umsonst schaltete der bekannteste YouTuber Pewdiepie die Kommentarfunktionen seines Kanals ab, der über mehr als 30 Millionen Abonnenten verfügt. Die Begründung: „Es macht mich krank.“ Wirklich wichtige, konstruktive Inhalte kommen nicht mehr durch. Das Internet ist ein verstopftes Klo. Fragt sich nur, wer die ganze Scheiße wegmacht.

    PS: Das Thema Gamergate habe ich in dieser Kolumne bewusst rausgelassen! Dieser Sturm im Wasserglas langweilt mich zutiefst und wird daher keiner Aufmerksamkeit gewürdigt.

    PPS: Danke für die netten Kommentare zu meiner ersten Gameswelt-Kolumne „Frei, aber pleite“. Kein Witz: So etwas ist man nicht gewohnt!

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    Auch wenn Olaf – laut eigener Aussage – mit seinem roten Bart wie ein Kobold aussieht, so verabscheut er doch die Gattung der Internet-Trolle. Olaf ist freier Redakteur, Wrestling-Fan und Katzenfreund. Mit Microsofts Minecraft-Milliarden würde er Wrestlemania in seinem Garten ausrichten. Diese und andere Weisheiten gibt es auf seinem Twitter-Kanal!

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