Länderauswahl:
Du wurdest von unserer Mobile-Seite hierher weitergeleitet.

Special - Ahmet-Kolumne: Hass im Shitstorm : Haters gonna Hatred

    Von  |  |  | Kommentieren

    Falsche Prioritäten

    Warum sind die Menschen unzufrieden? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und selbst die krasseste Sache wird von uns irgendwann als normal angesehen, wenn wir lange genug damit konfrontiert werden. Ein gutes Beispiel ist die Nahrungsmittelindustrie. Unsere Supermärkte sind vollgestopft mit Produkten zweifelhafter Qualität, die häufig Zusatzstoffe enthalten, deren Langzeitwirkung nie getestet wurde. Wir fressen die Scheiße trotzdem, obwohl uns niemand dazu zwingt. Wir bezahlen sogar Geld dafür, denn wir haben uns daran gewöhnt.

    So schaut es mit vielen Dingen aus, die sich im Laufe der Monate, Jahre und Jahrzehnte in unser Dasein geschlichen haben. Krieg, RTL2, Massentierhaltung, Ehe – alles schreckliche Dinge, mit denen wir uns oberflächlich arrangiert haben. Eigentlich müssten wir erst mal diesen Sauereien den Riegel vorschieben, bevor wir auf Facebook über Mesut Özil schimpfen, weil er Mandy Capristo verlassen hat. Wie viele Leute haben sich in den sozialen Netzwerken beschwert, als Obama den Friedensnobelpreis bekam? Diese Farce sorgte in unserer Zielgruppe sicher für deutlich weniger Wirbel als ein polnischer Spiele-Trailer.

    Es herrscht ein kollektives Ohnmachtsgefühl und nur die wenigsten gehen damit richtig um. Genau wie Bullys, die sich auf dem Schulhof die Schwachen aussuchen, drischt man dann lieber auf die Hatred-Entwickler ein, weil das einfacher ist, als sich um echte Probleme zu kümmern. Aber blenden wir mal den Rest der Welt aus, um uns nur auf Hatred zu konzentrieren. Im Spiel steuert man einen Amokläufer mit Todessehnsucht, der reihenweise Leute abschlachtet. So what?

    Wenn wir wollen, dass Spiele als Kunstform akzeptiert werden, dann müssen wir Spiele auch so behandeln. Kunst ist manchmal da, um zu schockieren. Kunst kennt keine Grenzen. Hin und wieder ist Kunst aber einfach nur eine Art „Guilty Pleasure“. Für mich ist Hatred ein bisschen wie Punk: laut, wütend und gegen das System. Die Intention der Macher kann ich genauso wenig einschätzen wie ihr. Kritiker bescheinigen den Entwicklern rechte Tendenzen. Die Entwickler bezeichnen die Vorwürfe wiederum als Humbug.

    Abwarten

    Ist es ein Spiel von einem Haufen Punks, die auf alles scheißen und die Welt schockieren möchten? Geht es Destructive Creations darum, die zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft in einem Spiel zu manifestieren? Kann sein. Vielleicht sitzen da in Polen aber wirklich nur ein paar rechte Sympathisanten und erwecken ausländerfeindliche Gewaltfantasien zum Leben. Das werden wir erst nach der Fertigstellung Mitte des kommenden Jahres wissen. Solltet ihr euch eure Meinung wirklich schon anhand des Trailers gebildet haben und tatsächlich glauben, dass so ein Produkt nicht das Licht der Welt erblicken darf, dann ist ein Shitstorm der falsche Weg. Im Internet killt man Produkte, die sich noch in der Entwicklung befinden, in erster Linie durch mangelnde Aufmerksamkeit. Wisst ihr, was ein wirklicher Skandal ist? Dass ich für diesen Text ganz easy jede Menge Euro abgreife. Hahahahahaha!

    ---

    Über den Autor

    Unser Kolumnist Ahmet Iscitürk schreibt seit 16 Jahren über Spiele und müsste deshalb schon längst für die andere Seite arbeiten - zum Beispiel als PR-Manager. Darauf hat er aber keinen Bock. Ebenso wenig möchte er YouTube-Videos machen, denn er ist zu fett für die Kamera. Das Schreiben ist seine einzige Fähigkeit und darum wird er mit den Fingern auf der Tastatur sterben. Sein Credo lautet: „Lebe deinen Traum, auch wenn der Traum scheiße ist.“ Seinen Untergang könnt ihr unter anderem auf Twitter live miterleben.

    Kommentarezum Artikel