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Test - Ad Infinitum : Test: Der unendliche Horror des Krieges

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Mit Ad Infinitum haben die Entwickler von Hekate kein leichtes Thema für ihr Erstlingswerk gewählt. Das kleine Berliner Studio vermittelt die Schrecken des Ersten Weltkriegs in einer kühnen Verschmelzung von Familiendrama, dem Body-Horror zusammengestückelter Fleischmonster und jeder Menge Schlamm und Blut.

Auf dem Papier ist Ad Infinitum erstmal klassischer Survival-Horror aus der Ego-Perspektive vergleichbar mit Spielen wie Outlast, Layers of Fear oder Amnesia. Ihr übernehmt die Rolle eines Soldaten und Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg, der mit seinen Erlebnissen, Traumata und Taten konfrontiert wird.

Dazu schleicht ihr durch die Bunker und Schützengräben, drückt euch in dunkle Ecken, lauft vor Gegnern weg und löst kleine Rätsel. Und obwohl Ad Infinitum rein spielerisch nichts bietet, das man nicht bei den Genre-Kollegen schon gesehen hätte, waren wir auf diesen Albtraum so nicht vorbereitet.

Die Schrecken des Krieges als Horror-Trip

Zu Beginn erwacht ihr in der Villa der Familie von Schmitt in Berlin, in der rätselhafte Dinge vorzugehen scheinen. Eure Eltern und euer Bruder haben sich aus unerfindlichen Gründen in ihren Zimmern eingesperrt. Also erkundet ihr zunächst das schummrige Anwesen, um einen Weg zu ihnen zu finden. Doch plötzlich verändert sich die Szenerie. Die samtenen Sofakissen und Handläufe aus Mahagoni verwandeln sich in den schlammigen Untergrund und die splittrigen Stützbalken der Schützengräben an der Westfront. Auf einmal wisst ihr nicht mehr, was Realität ist und was sich euer Verstand nur einbildet, was Erinnerung, Gegenwart und Vergangenheit ist und ob ihr womöglich nicht bereits euer Ende gefunden habt und in den Feuern der Hölle für eure Sünden büßt.

Für letztere Annahme würde zumindest die Gesellschaft sprechen, in der ihr euch befindet. Bewohnt werden die Gräben nämlich von Inkarnationen der Schrecken des Krieges. Kleine, graue Gestalten, deren Köpfe praktisch nur aus einem Mund mit mehreren Reihen an messerscharfen Zähnen bestehen, sitzen gebeugt über den Leichen gefallener Soldaten und stillen an ihnen ihren Hunger. Um unbeschadet an den blinden Kreaturen vorbei zu gelangen, müsst ihr sie zunächst mit lauten Geräuschen von ihrem Mahl ablenken, dann die Beine in die Hand nehmen und hoffen, dass euer Vorsprung ausreicht. Doch in Ad Infinitum sind die Monster nicht der größte Horror.

Seine Geschichte erzählt Ad Infinitum in erster Linie in Form von Briefen, Tagebucheinträgen und anderweitigen Aufzeichnungen, die ihr verstreut in den Gängen des Herrenhauses und der Schützengräben findet und die euch die Schicksale der Bewohner und Kameraden näherbringen.

Dabei glänzt das Spiel vor allem auch mit seinen scheinbar nebensächlichen, aber nicht weniger schrecklichen Geschichten abseits des Haupterzählstrangs. So erfahren wir zum Beispiel in einem Brief, dass den Soldaten ein Angriff auf eine Kirche befohlen wurde, in der sich angeblich feindliche Streitkräfte verschanzten. Allerdings stellt sich heraus, dass in Wirklichkeit Frauen und Kinder dort Schutz gesucht hatten. Den Leichnam des Soldaten, der den fatalen Befehl schließlich ausgeführt hatte, finden wir später im Schützengraben wieder. Zerfressen von Schuldgefühlen hat er sich dort das Leben genommen.

Diese Kombination aus ergreifenden, menschlichen Schicksalen und trostloser Szenerie des unerbittlichen Krieges nimmt den Spieler auf regelrecht zermürbende Weise mit und gerät Ad Infinitum zu seinem Aushängeschild. Das Gameplay selbst hält sich dafür zusehends eher im Hintergrund. Mal an ein paar garstigen Kreaturen vorbeischleichen, mal den Morsecode für eine Funkfrequenz entschlüsseln oder die Spindnummer eines befreundeten Kameraden anhand seiner Briefen in Erfahrung bringen – das war’s im Großen und Ganzen schon. Die meiste Zeit über lässt Ad Infinitum nach Art eines Walking-Simulator seiner Stimmung und Geschichte die Bühne.

„Mein Papagei frisst keine harten Eier“

Das Spiel schafft zu (fast) jedem Zeitpunkt eine enorm dichte und beklemmende Atmosphäre und das liegt nicht zuletzt am hervorragenden Sounddesign. Ständig sind von Ferne klagende Stimmen oder Schluchzen zu hören, die eigenen Schritte scheinen auf einmal endlos laut zu sein, während man sich im nur wenige Zentimeter hohen Wasser an einem Monster vorbeizwängt.

Der Einsatz von zeitgenössischer Unterhaltungsmusik schafft dazu einen morbiden Kontrast, wenn heiteren Liedern wie „Mein Papagei frisst keine harten Eier“ und „Ich bin der Doktor Eisenbarth“ von leiernden Plattenspielern gespielt jedweder Humor und jede Leichtigkeit verloren geht, während blutrünstige Puppen aus Fleisch und Armprothesen versuchen, wenige Zentimeter entfernt durch die Fensterscheibe zu brechen.

Genau diese Liebe zum Detail, wie sie die Entwickler bei der Soundkulisse an den Tag legten, ist es, die Ad Infinitum zu etwas Besonderem macht. Denn nicht nur die Musikauswahl entspringt möglichst originalgetreu der Zeit des Ersten Weltkriegs, vor allem auch die Gestaltung von Alltagsgegenständen wie Spitzhacken und Werkzeugen, aber auch Gasmasken und Waffen ist ihren historischen Vorbildern in verschwenderischer Detailarbeit bis hin zu kleinsten Gravuren exakt nachempfunden.

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Selbst vor unscheinbar wirkenden Nebenschauplätzen der Story macht die bewundernswerte Recherche der Entwickler nicht Halt. Aus in der Villa gefundenen Berichten erfahren wir zum Beispiel, dass Lothar von Schmitt, der Großvater der Familie, für die Niederschlagung eines Aufstandes des Volkes der Herero in Deutsch-Südwestafrika verantwortlich war. Sein Erlass mit dem Titel “Aufruf an das Volk der Herero” gleicht dem seines historischen Vorbilds und Namensvetters: General Lothar von Trotha begründete mit demselben Wortlaut 1904 den Mord an 80.000 Menschen. Die Ermordung der Herero und Nama gilt als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Der Mensch ist das wahre Monster

Scheinbar mühelos gelingt Ad Infinitum dabei der schwierige Spagat zwischen Gameplay, Horror und Vermittlung von Zeitgeschichte. Denn niemals hatten wir das Gefühl, das Spiel missbrauche lediglich historische Begebenheiten und Kulisse für eine plumpe Monsterjagd. Vielmehr setzt es seine dämonisch-verzerrten und irrealen Elemente dem realistischen Anspruch bewusst entgegen und nutzt sie auf einer symbolischen Ebene, um seine Kernaussage eindrücklich zu veranschaulichen: dass der Krieg selbst normale Menschen zu Monstern machen kann.

Ad Infinitum - Story Trailer

Kurz vor dem Release am 14. September stellt euch dieser Trailer die Geschichte von Ad Infinitum vor.

Leider war unsere frühe Testversion noch nicht frei von Fehlern. Schaltflächen zur Interaktion mit Gegenständen wurden manches Mal über viel zu lange Distanzen angezeigt, andere Male hingegen gar nicht. Mitunter wurden wir von Gegnern durch Wände hindurch angegriffen oder gar getötet. Gerade bei einem Spiel, dass so sehr von seiner Immersion lebt, können einem solche Kleinigkeiten schnell die Stimmung vermiesen. Wir hoffen aber einfach mal, dass Hekate an diesen Punkten noch nachbessert und der Technik genauso viel Liebe und Aufmerksamkeit schenkt, wie Story und Atmosphäre.

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