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Special - Soldaten über Call of Duty und Battlefield : Zwischen Gewissenkonflikten und Brüderlichkeit

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Gameswelt: Hallo, bitte stell dich kurz vor. Wer bist du und welche Militärerfahrung bringst du mit?

Benjamin: Heyho, mein Name ist Benjamin Mamerow. Ich bin 28 Jahre alt, glücklich verheiratet und seit letztem Jahr auch stolzer Vater eines wundersüßen Sohnes. Ich bin gebürtig aus Mecklenburg-Vorpommern, bin aber im Zuge meiner Bundeswehrlaufbahn über Bremerhaven nach Schiffdorf, Niedersachsen, gezogen. Die Bundeswehr habe ich aus der Marineperspektive kennenlernen dürfen und habe meine achtjährige Laufbahn als Unteroffizier nach vielerlei Lehrgängen an Bord einer Korvette "unter Deck" verbracht. Auch uns Marinesoldaten wurde entgegen häufigen Behauptungen natürlich auch der Dienst an der Waffe nahegebracht.

Inzwischen bin ich zwar nicht mehr als Soldat, jedoch als Zivilpersonal an meiner alten Dienststelle für die Ausbildung aller Dienstgradgruppen (Mannschaften bis Offiziere) an Radar sowie auch Waffensystemen maritimer Einheiten zuständig.

Gameswelt: Seit wann spielst du Video- und Computerspiele? Spielst du generell alles oder begrenzt sich das auf bestimmte Genres?

Benjamin: Mit der Thematik Computerspiel habe ich das erste Mal im Alter von 8 Jahren zu tun bekommen, als mir ein Familienmitglied seinen ausrangierten Atari 2600 vermacht hat. Ab diesem Zeitpunkt war es um mich geschehen und später stattfindende LAN-Partys mit Freunden et cetera taten ihr Übriges. War mir damals noch relativ egal, welchem Genre ein Game angehörte, solange es einfach nur Spaß gemacht hat, so habe ich meinen "Daddelfokus" vor allem wegen meines inzwischen wesentlich enger gestrickten Zeitplans auf Ego-Shooter (vor allem militärische) und Diablo 3 gelegt.

Gameswelt: Glaubst du, dass du Call of Duty, Battlefield und Co. differenzierter wahrnimmst als der "normale Spieler" ohne Militärerfahrung?

Benjamin: Jain ... Der Soldat als solcher nimmt einen Shooter sicher auf eine gewisse distanzierte Art und Weise wahr, indem er Gegebenheiten wie zum Beispiel dargestellte Genozide oder militärische Strukturen anderer Nationen gedanklich hinterfragt. "Wie würde ich auf so einen Befehl reagieren?" oder 'Könnte ich mit solch einer Begegnung in einem unserer Einsatzgebiete ähnlich kühl umgehen wie der Protagonist des Spiels?" sind Fragen, die zumindest ich mir gelegentlich stelle. Jedoch bin ich mir sicher, dass eben dieses Hinterfragen und Bewerten auch auf die meisten der nicht militärisch geprägten Spieler zutrifft. In-Game-Waffen oder -Ausrüstung beäuge ich nicht auf originalgetreue Details oder Ähnliches. Dafür fehlt mir ehrlich gesagt das Interesse, meine eh schon rar gewordene Spielzeit mit solchen Kleinigkeiten zu vergeuden. Spaß machen muss es, das ist immer noch das oberste Gebot.

Gameswelt: Wie nahe kommt ein Call of Duty oder ein Battlefield dem Soldatenalltag?

Benjamin: CoD - so gern ich es auch spiele - kommt einfach nicht an den zumindest in größeren Teilen existenten Realismus eines Battlefield heran. Soll es aber auch gar nicht meiner Meinung nach. Immerhin spiele ich Call of Duty eben wegen seiner Schnelligkeit. Da muss kein Soldatenalltag in den Multiplayer, die Kampagne hingegen, so denke ich, kann man durchaus in den Alltag von den weltweiten Sondereinheiten der Streitkräfte rücken - wenn auch mit weniger Skript-Events. Battlefield soll mich ja auch als einen Teil einer groß angelegten Operation fühlen lassen. Da kommt auch durch die verschiedenen Rollen der Spieler viel mehr gefühlter Realismus auf.

Gameswelt: Glaubst du, dass Jugendliche durch Call of Duty und Battlefield eher Interesse an einer militärischen Laufbahn entwickeln oder dass sie solche Spiele abschrecken?

Benjamin: In der heutigen Zeit kann man meines Erachtens schon annehmen, dass gerade Jugendliche durch solche Spiele ein gewisses Interesse am Militär entwickeln können. Obgleich ihnen vielleicht dann noch nicht bewusst ist, welche Verantwortung man erst einmal aufgebrummt bekommt, wenn man dann später eventuell in den Einsatz bei KFOR und dergleichen muss. Da ist es dann schnell vorbei mit der Hoffnung "nur mal 'n bisschen ballern zu können auf der Schießbahn". Spätestens wenn einem dann das erste Mal echte "blaue Bohnen" um die Ohren jagen, müssen die Diensthosen dringend in die Wäscherei. Daher hoffe ich, dass auch weiterhin jeder Einzelne vorher ganz genau überlegt, ob er sich dieser Verantwortung stellen will und kann.

Gameswelt: Gerade bei Call of Duty sterben Charaktere wie die Fliegen. Siehst du den Schrecken eines Krieges in diesen Spielen vernünftig abgebildet oder sind dir die Charaktere sowie deren Entwicklung egal? Im echten Leben verbringen Soldaten ja oft Jahre zusammen, werden zu Brüdern.

Benjamin: Heutige Games vermögen es sogar sehr gut, Gräueltaten et cetera authentisch genug auf den Bildschirm zu bringen. Aber im Endeffekt fällt im Vordergrund nur mal wieder einer dieser Typen, die "eh irgendwann abgenippelt wären". Solange dem Spieler nicht andere Charaktere als essenziell wichtig an die Hand gegeben werden, ihm nicht verdeutlicht wird, dass ebenjener soeben gefallene Kamerad immens wichtig für das doch so ersehnte gute Ende der Mission ist, solange wird es den meisten wohl ergehen wie mir, dass sie sich dabei erwischen zu denken "Joa ... schade. Dann der nächste, bitte!".

Gameswelt: Was sagst du zum Punkt vieler Kritiker, dass Jugendliche gerade durch Militär-Shooter das Schießen trainieren?

Benjamin: Für mich absoluter Unsinn! Was mir gerade noch einleuchten mag, ist die Behauptung, dass ein langjähriger Shooter-Spieler vielleicht eher bereit wäre, den Dienst an der Waffe zu verrichten, als jemand, der sich überhaupt nicht dafür interessiert. Persönlich habe ich vor meinem ersten reellen Schuss mit einer P8, dem G36, dem MG3 und auch dem G3 bereits viele Jahre Counter-Strike und auch BF 1942 wie ein Wahnsinniger verschlungen. Aber ich kann mich noch gut erinnern, wie schnell sich der nötige Respekt vor der entsprechenden Waffe eingestellt hat! Dann zählt keine K/D-Rate mehr oder Sonstiges, sondern dir wird bewusst, wie gefährlich dieser Gegenstand in deinen Händen gerade eigentlich ist. Nein, trainieren kann man den scharfen Schuss am Rechner oder der Konsole sicher nicht. Nur Interesse wecken.

Gameswelt: Call of Duty und Battlefield gehören zu den meistverkauften Spielen unserer Generation. Liegt das daran, dass es einfach nur gute Spiele sind, oder ist es doch vor allem die "Faszination Krieg", die solche Verkaufszahlen fördert.

Benjamin: Zu Zeiten von Medal of Honor: Allied Assault, denke ich, war es tatsächlich noch die Faszination für das Thema "Krieg" und die gefühlte Authentizität dieser Spiele, sofern sie gut gemacht waren. Heute zählen vor allem der Wettkampfgedanke und die Hoffnung, eventuell "den EINEN Shooter" für sich gefunden zu haben. Immerhin müssen die Entwickler von den oben genannten Games nicht sonderlich viel neue Zutaten in ihre Rezepte streuen, um einen Riesenabsatz zu erzielen. "Never change a running system!" - ich denke, das kann man auch hier gelten lassen. Ja, ich glaube, der Grund ist wirklich so einfach: Es sind verdammt gute Spiele!

Gameswelt: Welche Aspekte des Soldatenlebens würdest du gerne eher in den Videospielvordergrund rücken? Den Zwiespalt zwischen Familienleben und Beruf? Den inneren Konflikt von Fragen wie "Ist es richtig, für mein Land zu töten?" oder "Setze ich für mein Land und/oder mir fremde Menschen mein Leben aufs Spiel?".

Bejamin: Diesen erwähnten Zwiespalt kann man einfach nicht real genug umsetzen, als dass er auf den Spieler genauso wirken würde wie auf den Soldaten, den es betrifft. Tatsächlich sind es doch eher die spontanen Aspekte des Krieges, die jemanden zum Nachdenken anregen. Der Soldat, der schwer verletzt das kleine, verängstigte Kind aus den Trümmern rettet, nur um mitansehen zu müssen, wie bei der Bergung der zu evakuierenden Personen der rettende Hubschrauber vom Feind ins Niemandsland geschossen wird. Wenn ein Spiel es schafft, dass ich mit mir ringen muss, die Story auf diesem Wege weiterzuspielen, oder dass ich vielleicht meine folgenden Handlungen erst einmal überschlafen muss, dann würde ich dieses Game nie wieder von meiner Platte verbannen.

Gameswelt: Welche Spielsequenzen aus Militär-Shootern blieben dir extrem im Gedächtnis und weshalb? Bei Medal of Honor gab es ja beispielsweise eine sehr ergreifende Beerdigungssequenz.

Bejamin: Mich hat bei Call of Duty tatsächlich die Szene nachdenklich gestimmt, in der der Protagonist aus seinem abgestürzten Hubschrauber kriecht und nur wenige Augenblicke später der Strahlung zum Opfer fällt. Das gab's so vorher nicht und, ja, die nukleare Bedrohung auf dieser Welt stimmt einen schon mulmig ...

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