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Test - Hi-Fi Rush : Der Xbox-Überraschungs-Hit: Mit so einem Knaller hatten wir nicht gerechnet!

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Endlich geht sie los, die lang erwartete, längst überfällige Microsoft-Offensive. Nach dem etwas ernüchternden Jahr 2022, in dem die Xbox gegenüber Sony-Krachern wie Horizon und God of War reichlich blass wirkte, wuchsen bereits Zweifel, ob die Redmonder überhaupt noch die Kurve kriegen. Doch schon mit der ersten Video-Präsentation des neuen Jahres beschert uns Bethesda einen Shadow Drop mit Hit-Potenzial, der erahnen lässt, was uns auf der Xbox noch bevorsteht. Hi-Fi Rush ist nämlich mehr als nur ein Actiontitel mit Rhythmus-Gameplay. Es geht um ein Spiel mit Charakter und Kult-Potenzial.

Was für eine Hundertachtziggradwende! Da muss man schon zweimal hingucken und sich kopfkratzend einige Fragen stellen: Ist Hi-Fi Rush wirklich ein Microsoft-Exklusivtitel? Sicher, dass es nicht für eine Sony- oder Nintendo-Konsole geplant war? Und warum ist Hi-Fi Rush auch noch so günstig? 40 Euro in der Deluxe-Fassung, sofern man ohne Freischein durch den Game Pass zuschlagen möchte. Ist doch fast geschenkt!

Hi-Fi Rush hat als Mix aus Prügel-Action und Rhythmusspiel genau den richtigen gewagten Charakter, um sich von Mainstream-Flaggschiffen wie Halo, Gears of War und Forza abzuheben. Oder diese beherzt zu flankieren. Schrill, laut und unerwartet japanisch gräbt Tango Gameworks einen Tunnel in euer Hirn, verknüpft Synapsen, die ihr in dieser Form noch nicht zusammen verwenden musstet, und brennt dabei ein akustisches wie optisches Feuerwerk ab, das dem Spieltitel entsprechend einen Hi-Fi-Rausch auslöst. Wow!

Comic-Ästhetik vom Feinsten

Tango Gameworks? Die Macher von The Evil Within und Ghostwire Tokyo? Ja, genau die sind das, nur erwartet euch hier das genaue Gegenteil in Form von gut gelauntem futuristischem Manga-Nonsens mit herrlich überdrehten Figuren und fetziger Rockmusik.

Die Geschichte ist simpel: Hauptdarsteller Chai meldet sich bei einem Hi-Tech-Konzern für den Test eines Roboter-Implantats freiwillig. In dem sogenannten Projekt Armstrong erhält der halbstarke Möchtegern-Rockstar einen Roboter-Arm als Prothese. Armstrong … ist klar, ne. Zwinker zwinker.

Allerdings geht bei Chais Operation etwas schief, denn durch einen unglücklichen Zufall landet sein MP3-Player in den Bauteilen und wird ihm anstelle seines Herzens eingesetzt. Von dem Moment an nimmt unser Held die Umwelt als Rhythmus wahr und spürt ihre Schwingungen, als ginge es um einen sechsten Sinn. Für das Projekt Armstrong gilt er allerdings als Fehlversuch und als unerwünschter Schandfleck in den Büchern, was für den großen Oberboss des Konzerns Grund genug ist, ihn abmurksen zu lassen.

Chai entkommt den Roboter-Truppen, die ihn suchen, und findet auf der Flucht neue Freunde. Darunter die Roboter-Katze 808, die von einer Untergrund-Hackerin namens Peppermint gesteuert wird, ihren Psychoanalyse-Roboter CNMN (spricht sich Cinnamon) und den früheren Konzern-Angestellten Macaron, der sich gezwungenermaßen gegen seinen Arbeitgeber stellt. Zusammen decken sie den großen Masterplan hinter Projekt Armstrong auf: Die kostenlosen Prothesen vergibt der Konzern nicht aus Nächstenliebe. Vielmehr soll ein späteres Firmwareupdate die Gedanken aller Prothesenträger kontrollieren. Ein finsterer Plan, den das Team durchkreuzen will.

Was für ein herrlicher Schwachsinn. Zwar nicht über-schrill aufgetragen, aber doch blödsinnig genug, um nicht nur einer farbenfrohen Comic-Präsentation den Weg zu ebnen, die stark an einen Mix aus Jet-Set-Radio-Ästhetik und dem Art-Design des Animationsfilms Spiderman: Into the Spider-Verse erinnert. Auch der Humor kommt nicht zu kurz und bedient sich sämtlicher Stilmittel, die einem animierten Comic-Strip zur Verfügung stehen. Slapstick, Überzeichnung, Wortwitz und frotzelnde Helden, die sich trotz aller Streitereien irgendwie gernhaben, verleihen der Erzählung einen Sympathiefaktor, der mit jedem Kapitel schneller wächst.

Mit der Gitarre auf die Kauleiste

Das Drumherum ist also spitze. Aber wie steht es denn um den Spielinhalt? Nun, abseits der zum Teil filmreifen Zwischensequenzen, deren absichtlich leicht hackig gehaltenen Animationen die Leichtigkeit des Stoffs hervorragend transportieren, besteht der Kern von Hi-Fi Rush aus einem Prügelspiel, das auf den ersten Blick zwar interessant, aber vermeintlich simpel gestrickt daherkommt.

Ihr steuert Chai rund die Hälfte der Spielzeit durch Stockwerke der gigantischen Prothesen-Fabrik und lasst ihn unterwegs Sammelgegenstände suchen. Zahnräder dienen als Währung für den Upgrade-Shop, Teile von Lebenscontainern erweitern die Lebenskraft, sobald man genügend gefunden hat, und Batterieteile erweitern seine Kraftleiste für Spezialattacken. Der Weg ist in der Regel linear, sodass ihr euch nie verirren könnt, aber kleine Abzweigungen, versteckte Schächte und entlegene Plattformen verstecken den einen oder anderen besonders wertvollen Fund, sodass man stets motiviert bleibt, die Augen offen zu halten.

Geprügelt wird dann alle Nase lang, sobald sich Roboter in den Weg stellen. In dem Fall wird ein Kampfareal eingegrenzt, sodass es ohne störende Einflüsse von außen ans Eingemachte gehen kann. Aber wie soll das denn rhythmisch funktionieren?

Ganz einfach: Zwecks Verteidigung zieht Chais magnetisch aufgeladener Arm Metallreste an, die – wie sollte es bei einem Möchtegern-Rockstar anders sein – an einem Schlagstock die Form einer Flying-V-Gitarre annehmen. Mit diesem Klampfen-Prügel darf er nur im Rhythmus der hintergründig eingespielten Rockmusik zuschlagen. Soll heißen: drückt ihr im Takt der Musik auf den jeweiligen Knopf für schwachen oder starken Angriff, so wird der jeweilige Schlag ausgeführt. Landet ihr neben dem Takt, passiert entweder gar nichts oder der Angriff wird verzögert und dadurch stark abgeschwächt.

Die ersten Versuche wirken ein wenig steif und das Korsett des Rock-Rhythmus irgendwie eng, sodass man sich fragt, wie lange ein solches Konzept Spaß bereiten kann. Doch zum Glück hat Tango Gameworks das Kampfsystem von vorne bis hinten genial durchdacht und erweitert es immer genau dann, wenn man meint, es durchschaut zu haben.

Rock-Kombos mit Starbesetzung

Angefangen bei einfachen Verknüpfungen: Genretypisch erhält die Prügelei mit den Robotern erst durch das Bilden von Kombo-Ketten Würze, wobei der Takt der Musik auch Kombos mit absichtlichen Schlagpausen zulässt. Da der starke Angriff zudem für seine Ausführung zwei Takte benötigt, die nicht unterbrochen werden können, erweist sich blindes Buttonmashing als fruchtlos.

Mitzählen braucht ihr trotzdem nicht, denn einerseits stimmten die Entwickler jede Animation auf den Beat ab. Schwache Angriffe dauern genau einen Takt, starke zwei Takte und selbst ein Schritt beim Laufen entspricht immer genau einem Schlag des Vier-Viertel-Takts, völlig gleich, welches Tempo der aktuelle Hintergrundtrack gerade auffährt. Ihr könnt euch also immer am Rhythmus der Animationen des Helden orientieren.

Andererseits lässt Chais neuer sechster Sinn die gesamte Umgebung im Takt pulsieren, sodass Gullydeckel, Gehwegpfeiler und selbst Teile der Wände permanent den Beat transportieren. Ja, selbst bewegliche Plattformen in Geschicklichkeitspassagen orientieren sich daran. Sollte euch das als Leitfaden nicht genau genug sein, dann genügt ein Druck auf den View-Button des Xbox-Controllers, um einen Taktstrahl einzublenden, an dem ihr euch orientieren könnt. Allerdings soll das nur eine Backup-Lösung darstellen. Der Taktstahl dient Leuten als Stütze, die musikalisch nicht besonders gefestigt sind. Oder jenen, die bei ihren Fernsehern und Soundanlagen mit Audio- und Video-Lags kämpfen. Anderweitig müsste man schon taub sein, um beim Takt der rhythmisch stark akzentuierten Musik nicht automatisch mitzuwippen.

Taub zu sein wäre angesichts des Soundtracks bedauerlich, denn während im Basis-Levelverlauf normalerweise generische (aber weiterhin schmissige) Rock-Tunes aus dem DAW-Baukasten laufen, geben sich kurz vor und während der Bosskämpfe Musikgrößen die Klinke in die Hand. Nine Inch Nails (The Perfect Drug, 1,000,000), The Black Keys (Lonely Boy), The Prodigy (Invaders must die) und weitere Stars wecken im Verbund mit einem Effektfeuerwerk den buchstäblichen Hi-Fi-Rausch in euch.

Wie gut das Konzept aufgeht, merkt ihr anfangs gar nicht. Während ihr in der ersten halben Stunde noch krampfhaft versucht, unbedingt im Rhythmus zu bleiben und auf Teufel komm raus abwechslungsreiche Schlagfolgen zu gestalten, löst sich langsam, aber sicher der Knoten. Die Rhythmus-Prügelei geht durch eine fixe Eingewöhnungsphase intuitiv in Fleisch und Blut über, bis ihr gar nicht mehr darüber nachdenkt. Und genau dann hat euch Hi-Fi-Rush mit Haut und Haaren gepackt, sodass zusätzliche Gameplay-Feinheiten schrittweise Zugang finden.

Beispielsweise die Regelung für das Ausweichen und Parieren. Beides ist abermals auf Knopfdruck und selbstverständlich nur im Takt möglich, wobei Letzteres sogar Lasersalven zurückschleudern kann. Klingt simpel, wird aber im Chaos einer Roboterprügelei, in der mehrere Gegner von allen erdenklichen Seiten Attacken ankündigen, schnell zu einer Herausforderung.

Treten irgendwann übermächtige Gegner auf den Plan, die Energiebarrieren aufbauen oder physische Schilde tragen, so dürft ihr zusätzlich einen eurer Kumpels zwecks Kontermaßnahmen herbeirufen. Allerdings auf Kosten einer Cooldown-Phase. Kreuzen also mehrere solcher Gegner auf, müsst ihr in der Lage sein, sie eine Weile hinzuhalten. Beispielsweise durch Spezialattacken, die ihr (ebenso wie neue Kombo-Varianten) im Upgrade-Shop erwerbt. Witzigerweise steht die meiste Zeit über weniger Zahnrad-Währung zur Verfügung als nötig, aber ihr dürft erworbene Kombos auch wieder verkaufen und so euer Repertoire auffrischen.

15 Stunden voller Abwechslung

Witzig, welche Evolution der Spielspaß durchmacht. In der ersten Stunde glaubt man noch, die Prügeleien könnten mangels Abwechslung schnell an Reiz verlieren. Zwei Stunden später stürzt man sich fröhlich glucksend in jede noch so dichte Robotermeute und reizt Kombos aus, bis der Arzt kommt. Air-Juggles, verzögerte Schläge, gezielte Konter, Tag-Team-Spezialattacken … Dass Tango Gameworks diese Komponenten nach und nach ausspielt, stellt sich als handwerklich bombenfestes Konzept heraus, das auch beim dritten oder vierten Durchspielen garantiert aufgeht, weil jede Schlacht anhand mehrerer Kriterien wie etwa Schnelligkeit, Präzision und Varianz in englischen Schulnoten bewertet wird (inklusive einer S-Wertung für herausragende Leistungen).

Für eine S-Wertung in der Kombo-Kategorie darf man beispielsweise nur wenige Sekunden Pause zwischen Kombo-Ketten lassen, was bei einigen der clever gestalteten Konzern-Bosse wahnsinnig schwer sein kann – selbst in den unteren der insgesamt fünf wählbaren Schwierigkeitsgrade. Komplettisten haben somit abseits etlicher Sammelgegenstände (versteckte E-Mails auf herumliegenden Tablets und Graffitis an abgeschiedenen Wänden) auf Wochen und Monate hin genug Futter.

Solltet ihr Hi-Fi Rush nur im Vorübergehen durchspielen wollen, weil ihr es aus Langeweile im Game Pass aufschnappt, droht euch ebenfalls kein Mangel an Unterhaltungswert. Ihr habt selten Zeit, euch irgendeiner Form von Eintönigkeit hinzugeben. Selbst Erkundungsabschnitte garnieren die Entwickler immer wieder mit kleinen Minispielen, die eine unbestreitbare Verwandtschaft zu Musik-Actionspielen der frühen 2000er pflegen.

Starke Space-Channel 5- und Parappa-the-Rapper-Vibes machen sich breit, wenn Drohnen einen Flur blockieren. Sie kündigen ein rhythmisches Angriffsmuster an, das ihr euch merken müsst, damit ihr es augenblicklich mit dem Konter-Knopf abwehrt. Ähnliche Merkspiele bürden euch starke Roboter in Kampfphasen auf, sobald sie in Rage geraten.

Bei anderen Gelegenheiten löst ihr rhythmische Quick-Time-Kombos, um KI-Knoten zu verknüpfen oder saust einer Achterbahn gleich an einem Rutschkabel durch Tunnel, in denen ihr Hindernissen im Takt der Musik ausweicht. Hi-Fi Rush vereint somit viele Musikspiel-Konzepte, die vor zwanzig Jahren noch einzeln für Vollpreistitel verbraten wurden. Allerdings liegt in derartigen Spielelementen auch genug Potenzial zum Abschrecken, denn bei Kontern, die ihr euch merken müsst, wie auch bei den Quicktime-Rhythmusspielen ist hohe Präzision, ein rhythmisches Gedächtnis und nicht zuletzt auch eine Portion Geduld vonnöten.

Dolby Atmos bei einem kleinen Zeitfenster?

Einer der möglichen Frustfaktoren liegt im Timing und der räumlichen Abmischung des 3D-Klangs in Dolby Atmos. Nicht falsch verstehen: Dass Hi-Fi Rush in Dolby Atmos abgemischt wurde, ist grundsätzlich lobenswert. Viele der in Fabrikräumen inszenierten Wegpunkte profitieren von wunderbar markanten und greifbaren Soundeffekten, die mitunter über die Deckenlautsprecher kommen, während der Soundtrack handwerklich vorausschauend auf die Frontboxen beschränkt wurde.

Problematisch wird lediglich die Verzögerung der Dekodierung. Selbst im Idealfall, wenn man die Xbox per HDMI direkt an einen topmodernen AV-Receiver angeschossen hat, verursacht die Entschlüsselung des digitalen Atmos-Soundsignals eine Verzögerung von etwa 25 Millisekunden. Bei älteren AVRs mit schwächeren Prozessoren sogar noch einen Tick länger. Das ist eine kaum bemerkbare Verzögerung, die bei Shootern, Jump and Runs oder Rennspielen nie ins Gewicht fällt. Aber wenn man eine rhythmische Prügelei darauf abstimmt, fällt die Latenz sofort auf.

Hi-Fi Rush - Launch-Trailer stellt das neue Tango-Spiel vor

Überraschend wurde mit Hi-Fi Rush ein neues Spiel von Tango Gameworks vorgestellt und direkt veröffentlicht. Ganz untypisch für das Studio kommt der Titel in quietschbunter Optik daher und setzt auf Rhythmus-Elemente. Grusel sucht ihr vergeblich.

Glücklicherweise definierten die Entwickler das Zeitfenster groß genug, um die Latenz auch bei Atmos-Verwendug zu kompensieren. Allerdings können weitere Faktoren dazukommen, die euch den Spaß vermiesen.

Schließt ihr die Xbox nicht an den AVR an, sondern an den Fernseher und lasst den Sound zum AV-Receiver durchschleifen, können weitere Verzögerungen entstehen. Beispielsweise wenn der Fernseher keine direkte Weitergabe für Atmos beherrscht und stattdessen das Signal erst in Dolby Digital Plus umwandeln muss. Das betrifft nicht nur Samsung-Fernseher, aber diese ganz speziell. Noch schlimmer wird es natürlich, wenn euer Fernseher einen mäßigen Spielemodus hat oder ihr diesen gar nicht erst verwendet, denn dann laufen Bild und Ton zusätzlich asynchron.

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Angesichts dieser vielen möglichen Fehlerquellen ist es unverständlich, dass die Entwickler nur einen Latenz-Test, aber keine Latenz-Anpassung in das Spiel implementiert haben. Da der Rhythmus des Songs immer fest vorgeschrieben ist, hätten sie eine absichtliche Abkoppelung zwischen Bild und Ton einbauen können, wie Guitar Hero und Rock Band es einst pflegten.

Solltet ihr also auf Probleme durch Bild- und Sound-Lags treffen, so bleibt euch nur die Möglichkeit, eure Xbox auf Stereo zu schalten und auf eure TV-Lautsprecher zurückzugreifen. Beide Maßnahmen minimieren mögliche so weit es geht . wenn auch auf Kosten der Klangqualität.

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