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Test - Lust from Beyond : Erotik-Horror aus dem Lovecraft-Kosmos

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Ich stöhne. Leider nicht vor Lust, sondern vor Gram. Ich weiß genau, was die Entwickler des Horror-Erotik-Adventures Lust from Beyond erreichen wollten, und rolle genervt mit den Augen, wenn ich sehe, wie sie es umsetzten. Bei so viel plumpem Klischee könnte mir glatt der Schniedel nach innen wachsen.

Ich möchte den Machern von Lust from Beyond gar nicht auf den Schlips treten. Ich würde sie gerne dafür loben, dass sie sich was trauen. Etwa, dass sie die Cojones haben, den vollen sexuellen Akt in einem Horror-Videospiel darzustellen. Mit allen Details, Pärchen, Penis, Penetration. Und sogar mit … Stil. Puh, jetzt habe ich es tatsächlich geschrieben, aber es fiel mir nicht leicht, denn Erotik birgt dieser Stil wenig bis gar nicht.

Es liegt an den Figuren, an den Menschen, die es da miteinander treiben. So hölzern, so mechanisch. Ich verstehe ja, dass ein kleines Studio wie Movie Games Lunarium über keine Mittel für hochmoderne Charakterdesigns und Motion-Capturing verfügt, aber das ändert nichts daran, dass ihnen eine gehörige Portion Lebhaftigkeit, weiches Fleisch und ordentliche Hauttexturen fehlen. Psychologischer Horror mit erotischem Unterton – so möchten sie das Spiel gern klassifiziert sehen. Ich erkenne in der prominenten Sexszene des vierten Kapitels nur zwei ungelenk animierte Pinocchio-Modelle, die ihre Hüften gegeneinanderstoßen. Fehlt nur noch ein hölzerner „Klonk“-Soundeffekt.

Fleischbeschau mit Holzkörpern

Erotik ist eine Frage von Nuancen. Doch davon findet man wenig in Lust from Beyond. Obwohl versucht wird, den Akt natürlich und gefühlvoll darzustellen, ist er doch nur mechanisch. Wobei die Krönung des Ganzen ein Quick-Time-Event ist, bei dem man mit der Maus bestimmt, wie heftig sich der Hauptdarsteller hineinsteigert.

Nun, ich könnte mich noch viele Stunden über diese Szenen und ihre Makel auslassen, aber ich sollte für das Verständnis dieses Tests erstmal zu einer Erklärung übergehen, wie es zu ihr kommt.

Lust from Beyond ist ein Adventure mit wenigen Action-Nuancen, das aus der Egoperspektive gespielt wird. Wie bei vielen anderen Adventures von Indie-Studios besteht der Spielablauf größtenteils aus dem Lösen kleiner Puzzles und dem Finden der dazu nötigen Gegenstände. Man sucht also Schlüssel oder Artefakte, die Türen öffnen und Mechanismen auslösen, und versucht derweil bösen Menschen (oder entstellten Monstern) aus dem Weg zu gehen. Erst zum Schluss des Abenteuers darf der Protagonist zu einer Pistole greifen.

Und worum geht es? Nun, der Hauptdarsteller Victor Holloway träumt immer wieder von seltsamen Orten mit okkultem Anstrich und jeder Menge Innuendos, etwa Türen in Vulva-Form, mystischen Tafeln mit Eierstock-Gravuren und nicht zuletzt glitschigen, organisch wirkenden Wänden. Wie er bald feststellt, verschmilzt diese Traumwelt mit einer Art Twilight Zone, einer teuflischen Zwischendimension, die von Dämonen bewohnt und von Menschen mit okkultem Interesse besucht wird. Es sind bizarre Träume, die zu Anfang nicht mit seinem realen Leben korrelieren.

Zumindest bis zu einem bestimmten Ereignis. Zum Beziehungs-Jubiläum bereitet er seiner Freundin einen romantischen Abend, der allerdings aus dem Ufer läuft. Von seiner Lust getrieben, wird er beim Liebesspiel schneller als es seiner Freundin lieb ist, was ihr die Sache vermiest. Sie brechen den Sex vorzeitig ab und legen sich schlafen. Im folgenden Traum schlägt Victor seine Freundin aus Versehen mit dem Handrücken ins Gesicht, was ihn dazu veranlasst, einen Therapeuten aufzusuchen.

Allein die Klischeehaftigkeit dieser Einleitung sagt viel über die Grundbedingungen dieses Spiels aus. Blümchen-Sex in Missionarsstellung, der irgendwann zu schnell wird, mündet in einen Traum samt ungewollten Schlag. Und das ist dann die Grundlage für ein Spiel mit Horror und Fetisch – Thema, das zwischenzeitlich bizarre Sex-Werkzeuge als Hingucker und Aufreger präsentiert. Nee ist klar. Aber sei‘s drum: Victor sucht den Therapeuten auf. Dieser wohnt in einer Kleinstadt, in der gerade ein seltsames Sommersonnenwende-Festival stattfindet (so ein Zufall aber auch). Dadurch wird Victor in die Machenschaften eines blutrünstigen Sex-Kult-Ordens verwickelt. Hier laufen plötzlich alle Fäden zusammen. Traum und Wirklichkeit finden einen gemeinsamen Nenner.

Schön anzusehen, aber…

Abseits der klischeehaften und geradezu braven Story-Grundlage fährt Lust from Beyond einige brauchbare Features auf. Vornehmlich eine ansehnliche Umgebungsgrafik, die in krassem Kontrast zu den wenig natürlich gestalteten Menschen steht. Die organisch wirkenden Höhlen aus Victors Träumen (die später realer werden, als es ihm lieb ist) glänzen durch erstaunliches Detail und nicht zuletzt eine interessante Beleuchtung. Volumetrische Lichtstrahlen, sanfter Nebel, diffuse Farbmischungen, sowas eben.

Technisch gar nicht übel, erst recht nicht für ein Spiel auf Basis der Unity-Engine. Man meint gar, auf dem glitschigen Fleisch der Vagina-Flure ausrutschen zu können. Wucherungen und Verwachsungen, wild sprießende Verästelungen und fraktale Muster erwecken die Umgebung zum Leben. Sie geben ihr Charakter und Glaubhaftigkeit, trotz ihrer abstrakten Grundlage. Viele Lovecraft’sche Desing-Nuancen festigen den Stil.

Auch die reale Welt hinterlässt keinen schlechten Eindruck. Innenräume mit scharfen Texturen für Tapeten und natürliche Materialien, viele Echtzeit-Lampen. Ja, das ist keine üble Voraussetzung für ein Spiel, bei dem man dreiviertel der Zeit in Ego-Perspektive durch die Gegend läuft und Objekte sucht, die irgendwo eingesetzt werden müssen, um neue Abschnitte zu öffnen. Art und Qualität der kleinen Gameplay-Puzzles wirken ein wenig aus der Zeit gefallen (um nicht zu sagen altbacken), aber das wäre schon in Ordnung, wenn denn die Bedienung nicht so umständlich wäre. Jedes Mal, wenn man einen Gegenstand benutzen will, muss man erst umständlich in ein Fullscreen-Menü umschalten, was das Spiel immer wieder für einige Sekunden zum Stillstand bringt. Ein kleines Inventar, das man innerhalb des laufenden Spiels mit der rechten Maustaste öffnet, hätte dem Spielfluss zugetragen.

Nun denn, das ist nicht modern, aber man kann damit leben. Alles nicht halb so wild im Vergleich mit den Faktoren, die den Spielspaß letztendlich zunichtemachen, und das sind – wie schon erwähnt – die Menschen. Sie sprechen hölzern, bewegen sich steif, reagieren unglaubwürdig und kochen in jeder denkbaren Form der Implementierung auf Sparflamme.

Auf der Suche nach der Lust - Zocksession zu Lust from Beyond

Felix ist auf der Suche nach der Lust in seiner Zocksession zu Lust from Beyond.

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Victor ein Hotel betritt, in dem man überall ein Gemisch aus lustvollem Stöhnen und schmerzerfüllten Schreien vernimmt, aber niemanden zu Gesicht bekommt. Oder wenn der Horror-Faktor nur durch unglaubwürdige Konstellationen entsteht. Etwa durch Anhänger der zuvor erwähnten okkulten Sekte, die Victor über Hausdächer jagen und aus dünner Luft erscheinen, damit sie ihm bei der Flucht über eine Leiter in den Nacken hauchen können. Zugegeben, solche Momente sind wirklich gruselig, da man sich auf unberechenbare Weise verfolgt fühl. Aber es sind billige Stilmittel aus der untersten Schublade – selbst für Jumpscare-Verhältnisse. Es gibt nicht ein einziges Gespräch und keine einzige Interaktion mit „normalen“ Menschen, die irgendeine psychologische Wirkung hat.

Was es aber gibt, sind billige Tode. Stege, die ohne erkennbaren Grund einkrachen, gefolgt von Reaktionstests mit undurchsichtiger Reaktionsaufforderung. Peitschende Fleischranken, die man kaum erkennt, weil sie nicht aus der Umgebung herausstechen, und noch weniger erwartet, da sie so selten anzutreffen sind. Heilung verschaffen herumliegende Mullbinden und Beruhigungspillen, die physischen und psychischen Schaden reduzieren. Mehr als ein Alibi-Spielelement bekommen sie aber nicht auf die Kette. Wären Gegner und Fallen einsehbar, ja durch Geschick und Taktik vermeidbar, wäre das etwas anderes, aber Lust from Beyond mag es lieber hinterhältig und entschuldigt sich dann mit dem Argument, man könne sich schließlich heilen.

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