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Test - Onde : Geiles Zeug, Bro! Ich kann Musik sehen

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Es fällt schwer, das Erlebnis von Onde in Worte zu kleiden. Denn dieses faszinierende Werk aus Musik, Geometrie und meditativem Spielablauf spottet jeder Beschreibung. Um es klarzustellen: Ja, das Faktische hinter Onde lässt sich durchaus benennen, und das wird in diesem Test auch zum Ausdruck kommen. Nur geht es völlig am Spielinhalt vorbei, denn eine Beschreibung des faktischen Spielablaufs bringt euch genauso nah an das Spielvergnügen heran wie eine schriftliche Zusammenfassung der körperlich-chemischen Prozesse an das Gefühl beim Verliebtsein.

Ebenso gut könnte ich die Zusammensetzung der Farbe und der Formen eines Gemäldes von Chagall auflisten, doch würde es nichts über die Emotion aussagen, die man beim Betrachten empfindet. Die abstrakte Ebene dahinter ist höchst subjektiv. Aber irgendwo muss ich anfangen, daher halte ich mich zuerst an die Fakten.

Formen und Klänge

In Onde steuert ihr ein kleines Symbol, das aus vier überlappenden Ringen besteht, über ein zweidimensionales, überwiegend pechschwarzes Spielfeld. Dabei bewegt ihr es an kreisförmigen Gebilden entlang, die in der Regel nur abstrakte Formen darstellen. Es sei denn, sie visualisieren Schallwellen, die sich im Raum ausbreiten. Auf anderen Objekten findet euer Avatar keinen Halt.

Theoretisch dreht sich das ganze Spiel um die Fortbewegung dieses kleinen Avatars. Man führt es auf den Oberflächen von Kreisen und setzt an Berührungspunkten auf den nächsten Kreis über, was stetig kleine musikalische Nuancen im hintergründigen, ja fast schon gespenstisch passiven Soundtrack hervorruft.

Schon die ersten Minuten des Spiels entpuppen sich als meditatives Erlebnis. Eine faszinierende Mischung aus Klangwelt und geometrischen Animationen mit wachsenden und schrumpfenden Gebilden, sanften Kamerazooms und wechselnden Farben radiert jegliches Zeitgefühl aus. Doch das ist nur der Anfang, denn sobald die oben erwähnten Schallwellen dazukommen, erhält das Ganze eine Geschicklichkeits-Herausforderung.

Die vier Ringe des kleinen Avatars korrespondieren nämlich mit den vier Haupt-Knöpfen eures Gamecontrollers, der euch bei Spielstart nachdrücklich ans Herz gelegt wird (auch wenn ihr Onde durchaus mit Maus und Tastatur spielen könnt). Ähnliche Vier-Ring-Konstrukte findet man an unterschiedlichsten Stellen des Spielfelds. Sie werden von kleinen Lebewesen aufgesucht, die wie winzige Quallen durch das schwarze Nichts schwimmen. In dem Moment, wenn sie so einen Ring ausfüllen, sollt ihr den entsprechenden Knopf auf dem Controller drücken, um eine Schallwelle auszulösen, auf der euer Avatar durch das Nichts reitet. Allerdings nur bis zu dem Punkt, an dem sich die Schallwelle auflöst. Bis dahin müsst ihr entweder einen Übergang zu einem neuen festen Kreis gefunden haben oder den Schnittpunkt zu einer weiteren, sie fortbewegenden Welle nutzen. Schafft ihr das nicht, verendet euer Avatar im schwarzen Nichts, woraufhin ein Neustart beim letzten Checkpoint erfolgt.

Es dauert eine paar Minuten, bis man sämtliche Möglichkeiten der Fortbewegung verinnerlicht, visuelle sowie akustische Hinweise zum Timing erkennt und lernt, auf welche Spielelemente man zuerst achten muss. Denn die Herausforderung hinter dem Wellenritt wechselt ständig. Mal stehen Hindernisse im Weg, die man mit einem geschickten Slalom umschiffen muss, mal soll man sich blind durch das Dunkel bewegen und mal negativen, schwarz gefärbten Schallwellen entkommen. Im ständigen Wandel der Herangehensweise vollzieht Onde eine flüssige Mutation vom Rhythmusspiel zum Reaktionstest auf geometrischer und mathematischer Basis – und wieder zurück. Mit erstaunlichem Abwechslungsreichtum strickten die Macher bei Lance und 3-50 ein Konstrukt cleverer Rätsel, die weniger auf kühle Kalkulation setzen, sondern auf ein Gefühl für optische und akustische Reize.

Die Gefühlsebene

Jetzt aber genug von der trockenen Theorie. Alles, was ihr bisher in diesem Test lesen konntet, erfasst nur das Drumherum, aber nicht, was im Spieler vorgeht. Genau das ist aber schwierig zu beschreiben, obwohl es den größten Reiz von Onde ausmacht. Zwischen dem anfänglichen „was mach ich hier eigentlich?“ und späteren Regungen im Sinne eines „das hat ja wunderbar geklappt“ liegen vielschichtige Erkenntnisse und Erregungen, die sich schichtweise entblättern.

Obwohl Onde gewisse Spielelemente hervorhebt, die das Genre klar eingrenzen, entlockt es euch weder das Eureka! eines komplexen Puzzlespiels noch das Headbangen von Guitar Hero. Aber es kitzelt etwas aus euch heraus, dass man als sanfte Vorstufen beider Reaktionen bezeichnen könnte. Ähnlich wie Luftblasen, die vom Grund eines Gewässers an die Oberfläche steigen, gluckst man als Spieler kleine Wonnestöße aus der Brust, begleitet von einem sanften Lächeln der Zufriedenheit. Man ist zufrieden mit der Lösung kleiner Rätsel, für die man selten den Denkapparat anwerfen muss, weil man seiner Intuition, seinem Rhythmusgefühl und seiner optischen Auffassungsgabe vertrauen kann.

Onde - Trailer zum ungewöhnlichen Indie-Spiel

Das kreative Indie-Spiel Onde ist eine bezaubernde Mischung aus Plattformer und Musikspiel.

Wortlos lässt euch das Spiel jede Spielregel selbst entdecken und verwendet dafür klassische Stilmittel aus Geometrie und Musik. Etwa Symmetrie, Spiegelung, rhythmische Wiederholung, Call and Response und chromatische Steigerung. Kunstvoll verpackt und spielerisch manchmal sogar etwas albern, vermeidet Onde jegliche Art von Frust durch eine Fixierung auf Intuition und eine sehr sanfte Lernkurve. Obwohl die Herausforderung nach einer gewissen Spielzeit merklich steigt, fühlt man sich nie überfordert, weil ein Erfolg zum nächsten führt. Erfolgserlebnisse dieser Art wirken manchmal so unscharf und kaum greifbar, dass man sich fragt, ob man womöglich hypnotisiert wurde.

Nein, Hypnose verwendet Onde sicher nicht. Aber eine Art kognitiver Entspannung, die man selten bei einem Videospiel erlebt.

Greift zu, wenn...

… ihr einen innovativen, aber auch entspannenden Mix aus Puzzle-Spiel und Musikspiel erleben wollt.

Spart es euch, wenn...

… ihr Videospiele nur als Quelle für Highscore-Hatz und Action akzeptiert.

Fazit

Denis Brown - Portraitvon Denis Brown
Ein erhabenes Erlebnis für Auge und Ohr

Ich glaube, ihr konntet problemlos herauslesen, wie sehr ich Onde mag, aber verdammt noch mal, selbst nach zwei Seiten Text weiß ich noch immer nicht, wie ich euch eine Empfehlung für Onde geben kann oder gegebenenfalls davon abrate. Zwischen Spielablauf und Spielauffassung liegen derart heftige, klaffend große Lücken, dass eigentlich nur ein Probespiel die Antwort parat hält, ob euch das Spiel gefallen könnte oder eben nicht. Wenn man die Theorie allein betrachtet, fällt die spielerische Herausforderung recht simpel aus, schließlich passiert gar nicht so viel. Auf emotionaler Ebene bewegt sich aber einiges, allein durch die künstlerische Vermittlung. Faszination füllt die reine Beschäftigungslücke so gut, dass ich an mancher Stelle für ein, zwei Minuten vergaß weiterzuspielen. Ich ließ Grafik und Sound einfach auf mich wirken.

>> Indie-Perlen: 13 Geheimtipps, die du 2021 gespielt haben musst <<

Das ist garantiert nicht jedermanns Sache. Im Gegenteil. Ich kann mir vorstellen, dass viele leistungsorientierte Highscore-Jäger das gesamte Konzept als weichgekochte Hippie-Scheiße abtun, sozusagen als meditatives Anti-Gaming. Sollen sie doch. Alle anderen genießen ein Spiel, das wirklich mal den Feierabend zu einer entspannten Tagesphase erhebt.

Überblick

Pro

  • faszinierendes Spielerlebnis
  • überaus meditativ
  • clevere, aber stets verständliche Puzzles
  • wortlose Vermittlung
  • stilvolle Grafik
  • vielschichtige Klangwelt

Contra

  • relativ kurz
  • Auflösung / Bildverhältnis nicht einstellbar

Awards

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