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Test - Pikmin 4 : Test: Bitte kaufen, liebe Switch-Spieler, denn diese Serie muss weitergehen!

  • NSw
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Für das englische Wort Oddball gibt es keine adäquate deutsche Übersetzung. Schade, denn kein anderer Begriff beschreibt besser, wie die Pikmin-Reihe zum Rest der Nintendo-Megaseller steht. Oft übersehen, versauert sie im Schatten von Super Mario und Zelda. Hochgradig unterhaltsam ist diese Mischung aus Puzzle- und Strategiespiel allemal, doch erschließt sich ihr Reiz nicht auf den ersten Blick, weil das Spielprinzip erst einmal erschlossen werden muss. Das wird auch bei Pikmin 4 so bleiben, doch es wäre fahrlässig, euch vorzuenthalten, wie viel Spaß dieser Nintendo-Ausreißer bereitet.

Nintendo kann niedlich, das wissen wir nicht erst seit gestern. Aber dass Nintendo niedliche Aufmachung mit einem Hauch Fotorealismus zu verknüpfen weiß, ist den wenigsten bekannt. Ist ja auch eine seltene Designentscheidung in Videospielen, die auf dem Reißbrett hart aufeinander zu knallen scheint. Rotbackige Mini-Außerirdische, fluffige-Miniaturhunde, und schlacksige Arbeiter-Tierchen in knalligen Farben, die sich in einer fotorealistischen Garten-Umgebung bewegen? Hä? Wie soll denn das aufgehen?

Es mag unwahrscheinlich klingen, aber der stilistische Kunstgriff glückt in der Praxis erheblich besser als er auf dem Papier rüberkommt. Pikmins Grafikstil hat in Bewegung etwas Magisches an sich. Etwas, das ähnlich fasziniert wie eine Tierdokumentation im Fernsehen. Man blickt in eine fremde Lebensweise und staunt.

Wer rettet die Retter?

Das, was man beobachtet, könnte ulkiger nicht sein und ist mal wieder so typisch Nintendo, dass der Charme literweise aus allen Rändern spritzt. Angefangen mit der Handlung: Ein neugieriges Alien, das zwar Menschen ähnelt, aber nicht größer ist als ein Fingernagel, besucht die Erde. Sein Name ist Olimar. Dummerweise strandet der kleine Olimar bei uns und ruft nach Hilfe. Ein Suchtrupp seiner außerirdischen Kumpels soll ihn auflesen, stürzt dabei aber im eigenen Raumschiff ab. Was für ein Schlamassel. Nun bleibt nur noch ein blutiger Anfänger des Rettungstrupps zurück, dessen Aussehen ihr anhand einiger Vorgaben selbst bestimmen dürft. Er soll sowohl Olimar als auch den Suchtrupp auflesen und die Rettungsmission beenden.

Dabei steht ihm ein winzig kleiner Hund namens Otschin zur Seite. Spürnase und Kraft des kleinen Fellknäuls helfen eurem Alien-Winzling nicht nur beim Finden der Wissenschaftler, sondern auch beim Beschaffen eines Treibstoffs namens Glitzerium, der für das ausgepowerte Raumschiff benötigt wird, mit dem ihr hergekommen wart.

Glitzerium? Was ist das denn? Na alles, was in irgendeiner Art wertvoll, glitzernd oder schlicht interessant aussieht. Goldklumpen? Klar, glitzern doch. Game-Boy-Advance-Handhelds? Öhm …glitzern auch … irgendwie. Also immer her damit. Tennisbälle? Croissants? Puzzleteile? Glänzen und glitzern zwar kein Stück, sind aber für neugierige Aliens höchst interessant. Also warum nicht: schnell zur Basis bringen und rein in den Raumschiff-Tank. Wobei das Witzigste an der Sache die Bezeichnung der Gegenstände ist. Weil die kleinen Raumfahrer nicht wissen, welchen Zweck die Gegenstände ursprünglich hatten, wird beispielsweise aus einem Croissant eine „luftige Versuchung“, während ein Hosenknopf zum „löchrigen Floß“ umgedeutet wird.

So etwas Großes und Schweres wie ein Tennisball wäre für den armen kleinen Hund Otschin allerdings eine arg schwere Last, zumal er nebenbei als Reittier herhalten muss, und so kommen die Pikmins ins Spiel. Das sind kleine schlacksige Helferlein in unterschiedlichen Farben, die einem Ameisenhaufen gleich im Team arbeiten, um Gegenstände zu transportieren, Barrieren einzureißen oder feindliche Tiere anzugreifen. Sie gehorchen eurer Spielfigur aufs Wort, agieren aber auch selbstständig, sobald sie den Sinn einer Aufgabe begriffen haben.

Wusel dich happy

Kenner der Serie wissen sofort, was zu tun ist: Ihr erkundet kleine, in sich abgeschlossene Gärten, Strandabschnitte und andere Umgebungen, deren Mikrokosmos perspektivisch zum Makrokosmos mutiert, und verlasst euch dabei auf die Eigenschaften unterschiedlich gefärbter Pikmin. Rote Pikmin sind feuerresistent, gelbe vertragen Stromschläge und lassen sich obendrein besonders hoch katapultieren, sodass sie entlegene Objekte erreichen. Wiederum andere können durch Wasser laufen, Wasserpfützen einfrieren oder Glasbarrieren zerstören.

Insgesamt neun Pikmin-Typen, von denen sich immer nur drei gleichzeitig auf dem Spielfeld befinden dürfen, ergattert ihr im Verlauf der Kampagne, und nur wenn ihr sie gezielt einsetzt, erreicht ihr alle Ziele verlustfrei. Soll heißen: wollt ihr einen feuerspuckenden Käfer bekämpfen, dann solltet ihr auch feuerfeste Pikmin aussenden, sonst sterben sie euch alle weg. Gleiches gilt für das Beseitigen von elektrischen Zäunen oder das Überqueren von Gewässern, in denen die allermeisten Pikmin-Arten schlicht absaufen würden.

In Sachen Komplexität kann sich Pikmin keineswegs mit ausgewachsenen Echtzeitstrategie-Spielen messen, auch wenn durch den Wusel-Faktor und das strategische Vorausplanen mit spezialisierten Arbeitseinheiten starke Parallelen bestehen. Nintendos Ansatz ist vielmehr ein Puzzle-Game mit Wusel-Faktor. Nie zu schwer, aber oft clever und obendrein verdammt putzig.

Es ist sehr leicht, sich in der Miniaturwelt zu verlieren, weil überall Dinge zu tun sind: Hier liegt ein Haufen Rohstoffe, aus dem man Brücken bauen kann, dort will ein Maulwurfshügel ausgegraben werden, irgendwo hinter einer schier unüberwindbaren Pfütze wartet eine Zwiebel, welche die Anzahl einsetzbarer Pikmin erhöhen kann, und an jeder Ecke liegen die erwähnten Glitzerium-Schätze – hinter Pflanzen, im Boden, auf den Resten einer Ziegelmauer und so weiter. Da vergisst man schnell, dass man eigentlich nach dem Rettungstrupp suchen soll – trotz des Zeitdrucks, dem man sich beugen muss, weil die Überlebenschance der Pikmin im Dunkeln schwindet. Damit sie nicht von Käfern und anderen Tieren gefressen werden, müsst ihr das Gelände vor Sonnenuntergang verlassen.

Ein Tag vergeht in 15 Echtzeit-Minuten. Wenn ihr etwas erreichen wollt, müsst ihr euch also ranhalten. Und doch gewährt euch Pikmin 4 im Vergleich mit seinen Vorgänger-Spielen erheblich mehr Flexibilität, denn während die Rettungsmission früher auf 30 Tage beschränkt war, gibt es nun kein Tageslimit mehr. Angesichts der vervierfachten Anzahl an Glitzerium-Objekten und den unzähligen Nebenbeschäftigungen wäre das auch arg kontraproduktiv für den Spielfluss.

Selbst ohne Tageslimit zahlt sich effiziente Planung stets aus. Die meisten Mitglieder des gesuchten Rettungstrupps (und weitere gestrandete Aliens derselben Spezies) findet man nämlich in unterirdischen Höhlen, deren Zugang man erst finden und aufdecken muss. Das nimmt allein aufgrund der vertrackten Wege in den Makro-Geländen einiges an Zeit in Anspruch.

Dungeon Crawler

Die erwähnten Höhlen verändern den Spielablauf gehörig, denn einerseits vergeht hier die Zeit sechsmal langsamer als auf der Oberwelt. Andererseits bleiben euch ohne Blumen, die neue Helferlein spenden können, nur jene Pikmin, die ihr in die Höhlen mitnehmt. Sterben euch alle weg, ist das Spiel vorbei. Zumindest theoretisch. Zwecks Vermeidung des Schlimmsten dürft ihr die Zeit zu vorbestimmten Events zurückdrehen, um einen neuen Anlauf zu starten.

Eine komfortable Angelegenheit, ebenso wie die Möglichkeit, die Ebenen einer Höhle bei einem Neuanlauf einzeln ansteuern zu können, damit ihr längst geschaffte Passagen nicht noch einmal durchkauen müsst. Trotzdem tropfen euch Schweißperlen von der Stirn, sobald euch riesige Raupen oder gepanzerte Ungeheuer entgegentreten, die eure niedlichen Pikmin schlicht plattwalzen können. Sie stellen euer analytisches und strategisches Denken auf die Probe und sind nicht selten die Bewacher verloren geglaubter Wissenschaftler.

Nervenaufreibender sind höchstens noch die sogenannten Dandori-Kämpfe, bei denen ihr in einer Splitscreen-Ansicht gegen konkurrierende Aliens antretet. Dabei sollt ihr innerhalb eines Zeitlimits mehr Gegenstände mit euren Pikmin zur Basis bringen als die gegnerische Partei. Ein wahnsinnig witziger, weil hektischer Spielmodus, der in einem Online-Kampf garantiert Wellen schlagen würde, wenn Nintendo einen solchen implementiert hätte. Schade, schade.

Lahmer Start, furioses Finale

Alles in allem unterscheidet sich Pikmin 4 prinzipiell nicht besonders von seinen Vorgängern. Zwei neue Pikmin-Sorten und leicht geänderte Spielregeln stehen einem deutlich erhöhten Umfang mit rund 30 Stunden Spielspaß gegenüber.

Pikmin 4 - Wir spielen die Demo auf der Switch

Kollege Dennis schaut sich für euch die Demo zu Pikmin 4 auf der Nintendo Switch an. Die Demo sind die ersten Stunden des finalen Spiels und ihr könnt euren Demo-Spielstand dann mit in das finale Spiel am 21. Juli nehmen.

Man merkt allerdings, dass Nintendo beim Versuch, Neulingen das Spielprinzip schmackhaft zu machen, ein wenig hilflos umherschwimmt. Das Entfernen des Tageslimits reduziert beispielsweise den Zeitdruck, raubt dem Konzept aber auch ein ganzes Stück des Spannungsbogens und Wiederspielfaktors. Noch dazu erlaubt diese Maßnahme den Spieldesignern, den Anfang des Abenteuers mit endlosen Erklärungen zuzupflastern, die leider arg ermüdend sind. Und obendrein unnötig, denn viele Spielregeln und Story-Anteile wären selbsterklärend, wenn man sie sich nur eigenständig entfalten dürften.

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Stattdessen liest man sich in den ersten Stunden durch viel redundanten Text, den man mehr oder minder gelangweilt wegklickt. Das ist nicht nur nervig, sondern auch kontraproduktiv. Pikmin 4 wird nicht deswegen plötzlich zum Verkaufsschlager, nur weil die Spielfiguren jeden einzelnen Schritt vorkauen. Es ist und bleibt ein Nischenspiel. Ein extrem liebenswertes, putziges und nicht zuletzt spaßiges Wusel-Abenteuer. Aber es bleibt in seiner Nische, komme was wolle.

Immerhin: Kenner kommen nach dem behäbigen Start ebenfalls auf ihre Kosten, denn nach dem Beenden der Kampagne geht es für Pikmin-Profis erst richtig los. Nicht nur aufgrund extravaganter Aufgaben. Ein paar witzige Retro-Flashbacks wurden ebenfalls verwoben.

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