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Preview - Saints Row : Epischer Blödsinn

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Saints Row erfindet sich neu. Oder doch nicht? Bei der ersten Anspielgelegenheit einer Beta-Fassung kam uns Vieles bekannt vor. Allem voran das epische Ausmaß an gequirltem Blödsinn, der uns in köstlich ungenierter Offenherzigkeit präsentiert wurde. Amüsiert haben wir uns allemal, und doch machte sich die Abwesenheit gewisser moderner Einflüsse bemerkbar.

Wenn ich „wir“ schreibe, dann meine ich damit den werten Kollegen Felix und mich. Ursprünglich war geplant, dass wir uns in einer gemeinsamen Koop-Sitzung in das noch nicht hundertprozentig fertige, aber doch sehr weit fortgeschrittene Open-World-Erlebnis stürzen. An zwei getrennten Rechnern und per Netzwerk verbunden, natürlich. Durch technisch bedingte Umstände kam es aber leider nicht dazu, sodass wir uns dann doch einzeln der Kampagne widmen mussten.

Diese Kampagne startete mit einem völlig neuen Story-Teil, der uns in den vorangegangenen Vorschau-Präsentationen vorenthalten worden war. Es ging um einen Blick in die Zukunft, in welchem die vier Haupt-Charaktere der neuen Saints-Crew eine gigantische Party feiern. Ein mords Gelage! Männer und Frauen johlen und tanzen in einer Villa, Alkohol fließt in Strömen, große Mengen Geld wechseln ihren Besitzer im Rahmen zwielichtiger Geschäfte.

Beinahe unbemerkt blendete der Bildausschnitt in ein Hochkant-Format um, sodass wir in authentischer Ansicht miterleben konnten, wie die vier angetrunken Saints ein Video mit dem Smartphone drehen. Sie prahlen, zeigen den anderen Banden der Stadt buchstäblich den Mittelfinger und geben sich unschlagbar. Der offensichtliche Höhepunkt einer Gangsterkarriere.

Doch mit der Rückkehr des Breitbild-Formats wurde klar, dass dieses Video auf einem zerbrochenen Handy lief. Daneben rollte jemand eine Leiche in ein Baustellen-Grab. Moment mal. Seine Augen bewegen sich noch. Das ist keine Leiche. Da wurde also jemand lebendig begraben. Uff, was für eine Wendung! Mit so viel ernstem Drama hatte ich nicht gerechnet.

Verrückter Shit

Wie die Geschichte weitergeht? Keine Ahnung. Die Szene war ein Teaser auf das, was noch kommt, denn das nächste Zwischenbild blendete mit dem Schriftzug „einige Monate zuvor“ um und warf uns in eine völlig andere Situation. Wir sahen das Werbevideo einer Privatarmee namens Marshall, deren völlig übertrieben brutale Aufnahmeprüfung die Stimmung auflockerte. Der Anblick eines Rekruten, der von einem aus dem Nichts auftauchenden Metallzylinder zerquetscht wird, gab mir zu verstehen, dass es doch noch um das gute alte, völlig blödsinnige Saints Row geht und nicht um eine todernste Bandenkrieg-Simulation. Sichtlich erleichtert lehnte ich mich zurück und genoss weitere, teils urkomische Einspieler, die das Selbstverständnis von Marshall zeigen sollen. So mancher entlockte mir sogar ein paar Lacher.

Keine fünf Minuten fand ich mich wieder in der gegenteiligen Situation. Mein Boss-Avatar, den ich ein paar Minuten zuvor erstellt hatte, befand sich als Marshall-Söldner mitten auf einem Schlachtfeld. Große Automatikgeschütze durchlöchern die meisten anderen Rekruten. Ein „Call-Of-Duty-Light“-Geschmäckle dominierte die Szene, in der ich Deckung vor Scharfschützen suchte, strategisch abwägte, welchen der bösen Buben ich als erstes über den Haufen ballern wollte und wo ich meine Granaten platzieren würde, um mir den Weg frei zu sprengen.

Nach einigen Minuten, die wir in der Einführungsmission verbrachten, waren Felix und ich uns einig. „Geht ja gleich richtig zur Sache!“, witzelten wir, unwissend, was uns in diesem kontrastreichen Wechselbad zwischen Action und Humor noch alles an den Kopf geschleudert werden würde.

Eines wurde jedenfalls sehr schnell deutlich: Das Kriegsszenario diente als Instant-Tutorial für sämtliche essenziellen Details der Kampf-Steuerung. Ganz wichtig war beispielsweise die Art, mit der man Lebenskraft zurückgewinnt. Statt irgendwelche Heilungs-Pickups zu suchen, muss man Gegner beseitigen, bis sich eine radiale Leiste um ein Saints-Symbol im HUD füllt. Anschließend kann man den nächsten (nicht zu stark gepanzerten) Gegner mit einer von mehreren schick choreographierten Melee-Attacken über den Jordan befördern und erhält dafür Lebensenergie zurück. Die Pseudo-Weisheit „Angriff ist die beste Verteidigung“ erwies sich in Saints Row also als im doppelten Sinne gültig.

Es wäre wohl nicht Saints Row, wenn das markerschütternde Kriegsszenario nicht mit einem großen Knall endete. Ich möchte nicht zu viel verraten, damit ihr bei der Veröffentlichung im August noch so herrlich über den gequirlten Blödsinn lachen könnt, wie ich es tat, aber seid euch gewiss: Es ist zum Augenrollen schwachsinnig und zugleich höchst spektakulär!

Kriminelle Energie

Diesen letzten Satz könnte ich wahrscheinlich als Fazit nehmen, denn die Kreuzung aus adrenalinschwangerer Action und dem geistigen Dünnschiss bekiffter Teenager zieht sich durch das komplette Spiel. Oder zumindest das, was wir bisher anspielen durften, wobei wir stark davon ausgehen, dass sich auch der Rest nicht urplötzlich in den Microsoft Flight Simulator verwandelt.

Siehe etwa der Story-Übergang, der auf das heftige Kriegszenario folgt: Unsere Hauptfigur wird ohne Bonus-Zahlung nach Hause geschickt, weil sie zwar die Situation entschärft, aber sich dabei nicht an Befehle gehalten hat. Dementsprechend fehlt das Geld für die Miete in der Wohngemeinschaft. Den drei Mitbewohnern Kevin, Eli und Neenah fehlt es ebenfalls an Zaster, und so fällt den Vieren kurzerhand nichts Vernünftigeres ein, als einen Kredit-Hai zu überfallen. Klar, ist doch naheliegend!

Eine höchst hanebüchene Aktion, die in eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit der Polizei mündet. Mit der anschließenden Erkenntnis, dass das ergaunerte Geld nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, wächst die kriminelle Energie, und die offene Welt der Stadt Santo Ileso inmitten der Wüste an der mexikanischen Grenze verwandelt sich in einen frei erkundbaren Spielplatz des Verbrechens.

Von diesem Punkt an fühlte sich das Spiel sehr ähnlich an wie Saints Row 3. Es gibt Hauptmissionen, Nebenmissionen und allerhand Quatsch, den die offene Welt zum reinen Zeitvertreib anbietet. Einen fahrbaren Untersatz holt man sich in bester GTA-Manier auf der Straße, düst damit zum nächsten Auftraggeber und klappert so die ersten Stunden, die den Aufbau des eigenen Verbrechersyndikats einleiten, frei nach Schnauze ab. Tabus sind derweil unbekannt. Das neue Saints Row übertreibt es in seiner Erzählung keineswegs so heftig wie Teil vier, aber von Bescheidenheit fehlt dennoch jede Spur.

So ist der Wüstentransport von menschlichen Organen (mit einem nitrogespeisten Buggy) genauso legitim wie ein Segelflug in einem Wingsuit, damit man auf einem hohen Gebäude die Parabolantennen zugunsten einer konkurrierenden Telekommunikationsgesellschaft von den Dächern sprengt. Spätestens bei der Nebenmission rund um eine Bewertungs-App, bei der jedes Ein-Stern-Review den tödlichen Überfall einer konkurrierenden Gang zufolge hat, merken Saints-Row-Fans der alten Schule, dass ihnen genau jener ungehobelte Blödsinn vorgesetzt wird, den sie von dieser Serie erwarten.

Ein konservativer Neuanfang

Das ist aber zugleich das Problem des Spiels. Saints Row mag ein Neuanlauf sein, aber es bringt erstaunlich wenig frische Impulse in das Open-World-Szenario. Streng genommen geht es nur um mehr vom selben Stoff. Dieser Stoff wird besser erzählt. Man kann beispielweise viel einfacher nachvollziehen, warum die vier Kern-Mitglieder der Saints zueinander halten. Sie wachsen richtiggehend zu einer kleinen Familie heran. Aber für die Kategorie „GTA-Klon“ beziehungsweise Saints Row als Serie bringt der neue Teil (zumindest in dem Abschnitt, den wir spielen durften) keine bemerkenswerten Impulse, die mehr darstellen könnten als eine leicht abgeänderte Geschmacksrichtung. Einige der Hauptmissionen (die mitunter wieder mit der Marshall-Privatarmee zu tun haben) entpuppen sich beispielsweise als spektakulär verwirklichte, aber inhaltlich einfallslose Schießbuden, bei denen eine endlose Anzahl an beweglichen Zielen über fehlende Substanz hinwegtäuschen soll.

Saints Row - Erstellt euren Charakter: Trailer zum Boss Factory Tool

Zum neuen Saints Row wurde heut auf allen Plattformen ein Tool namens Boss Factory veröffentlicht. Was das ist, zeigt der Trailer.

Bevor jetzt irgendwer in Panik ausbricht: Wir haben nur die ersten vier Stunden des Spiels ausgekostet, in denen keine Spieleschmiede der Welt alle Karten auf den Tisch legen würde. Wie die letzte Vorschau-Präsentation zeigte, hat das neue Saints Row einige stilistisch leckere wie auch humorvolle Wendungen auf der Pfanne, die neben dem Perk-System, dem Waffenarsenal und dem Ausbau des eigenen Gangster-Imperiums den Unterhaltungswert steigern werden. Nur geht es eben nicht um eine Revolution der Serie, sondern um ein Reboot, das vielleicht etwas konservativer fährt als es sich Fans des „anything goes“ propagierenden vierten Teils wünschen würden.

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Bei Technik und Fahrgefühl fehlte in der PC-Version, die wir anspielen durften, derzeit noch der Feinschliff. Egal welchen Wagen man steuert, er bietet nie ein weiches Fahrgefühl, ganz zu schweigen von einer halbwegs brauchbaren Vermittlung der Geschwindigkeit. Der (scheinbar absichtlich) steif eingestellte Kurvenradius vieler Fahrzeuge sorgt dafür, dass der per Knopf auslösbare Drift umso mehr Spaß bereitet, aber so richtig rund fühlt sich das noch nicht an.

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