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Test - Song of Memories : Titten-Gehirnzellen-Massaker

  • PS4
  • NSw
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Was ist das? Was soll das? Wer spielt sowas? Wer denkt sich sowas aus? Und vor allem: warum? 10 Spielstunden mit Song of Memories haben mich mit vielen, vielen Fragen, aber keiner einzigen Antwort zurückgelassen.

Tut euch einen Gefallen, und schaut euch den Trailer zu Song of Memories unterhalb dieses Absatzes an. Der ist mit Abstand das Beste und Lustigste an diesem Spiel – hat damit aber so gut wie gar nichts zu tun und weckt völlig falsche Erwartungen. Was dort noch wirkt wie zum Schreien unfreiwillig komischer, absurder japanischer Softporno-Trash entpuppt sich beim Spielen als ziemlich konventionelle Visual Novel aus der Seifenopernkiste für keusche Teenagerromanzen.

Song of Memories - Announcement Trailer

PQube hat mit Song of Memories eine neue Visual Novel für die Plattformen PS4 und Switch angekündigt.

Dabei fängt alles so vielversprechend an. „Es ist erst 10 Uhr morgens, und trotzdem sind schon lauter Perverse hier“, ist einer der ersten Sätze, der im Spiel gesprochen wird und die Richtung für eine frivol über alle Stränge schlagende Travestie vorzugeben scheint. Der Satz ist der seufzende Kommentar einer Turnerin im hautengen Dress, der weniger verhüllt als er zur Schau stellt, und an ihren Fanclub aus hormongesteuerten Jungs gerichtet, die vor Geilheit sabbernd am Spielfeldrand ihre aufreizenden Gymnastikübungen begafft. So wie diese Jungs stelle ich mir, nebenbei gesagt, die Zielgruppe dieser Art Spiele vor, will mir aber erstmal kein Urteil anmaßen. Ich freue mich jedenfalls auf ein pittoreskes Potpourri peinlich-pubertärer Potenzfantasien. Und werde zunächst nicht enttäuscht.

Denn in der nächsten Szene werde ich – also mein Charakter – von meiner Schwester geweckt. Indem sie mir „aus Versehen“ ihren Slip unter ihrem viel zu kurzen Röckchen mitten ins Gesicht drückt. „Geschwisterliebe“ nannten Die Ärzte das in den 80ern und wanderten dafür prompt auf den Index. Zum Glück war vorher bereits zu erfahren, dass es sich nicht um meine leibliche Schwester handelt, ansonsten wäre die Situation noch merkwürdiger als ohnehin schon.

Ich beginne bereits, im Kopf Formulierungen für meinen Test durchzugehen, indem ich gedanklich Vergleiche ziehe zu ähnlich geartetem Fetisch-Trash, wie etwa Hentai Kamen, einem kruden japanischen Film, der bei Tele 5 in der Reihe der „schlechtesten Filme aller Zeiten“ lief und von einem Typen handelt, der immer dann zum perversen Superhelden mutiert, wenn er sich den Schlüpfer einer Frau über den Kopf zieht. Ich bin bereit für jede Menge absurdes Zeug, doch dann ...

... passiert …

… nichts.

Statt eines schwindelerregenden Strudels der Pein-, Zweideutig- und Anzüglichkeiten, wie es der Trailer und das Intro versprechen, drehen sich die Geschichten, die sich im Folgenden entspinnen, um harmlose Teenagererlebnisse an einer japanischen Highschool, die an Banalität und Zugeknöpftheit kaum zu übertreffen sind.

Eine Sandkastenfreundin des Protagonisten wird nach langer Krankheit aus dem Hospital entlassen und kehrt an die Schule zurück. Die Mitschülerinnen organisieren, natürlich unablässig vor Vorfreude kreischend, eine Willkommensparty. Nur die introvertierte Emokommilitonin schmollt angewidert über die hysterische gute Laune ihrer Freundinnen.

Unterdessen laufen die Vorbereitungen für das Schulfest auf Hochtouren, bei dem die von allen bewunderte Turnerin ihren großen Auftritt abliefern soll. Wir helfen bei einem Umzug, besuchen einen Vergnügungspark und unterstützen einen schüchternen Fan dabei, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln.

Das Geschehen bis hierhin, das eben mal in zwei Absätzen zusammengefasst wurde, nimmt in reiner Spielzeit gemessen wohlgemerkt etwa geschlagene vier Stunden ein. Song of Memories erzählt seine Geschichte wie für eine Visual Novel üblich in zermürbender Langatmigkeit und ausufernder Redundanz. Die Handlung, die in Texteinblendungen vor miserabel gezeichneten Hintergrundbildern erzählt wird, dreht sich endlos im Kreis und dreht sich endlos im Kreis und dreht sich endlos im Kreis und dreht sich endlos im Kreis und dreht sich endlos im Kreis und … kommt ... und … kommt … dabei …

einfach … nicht ...

von …

der …

...

Stelle. Irgendwann beginnt man instinktiv, auf dem Controller den Knopf zum Schnellvorlauf zu suchen. Müsste ich nicht nach jeder Sprechblase einen Knopf drücken, damit die nächste abgespielt wird, ich wäre garantiert mehrmals eingeschlafen. Ich komme mir vor wie die Lokführer eines ICE, die auch alle 30 Sekunden einen Knopf betätigen müssen, um zu signalisieren, dass sie noch wach sind.

Hinzu kommt, dass die Dialoge mit einer regelrecht devot zu nennenden Form von Höflichkeit und Zurückhaltung vorgetragen werden, die im Lichte hierzulande üblicher gesellschaftlicher Gepflogenheiten bisweilen nur als irritierend bis fragwürdig wahrgenommen werden können. Auch dass die Manga-Standbilder der zumeist weiblichen Charaktere für diese Art Erzählgenre ungewöhnlich aufwändig 3D-animiert sind, hat vermutlich als einzigen Grund, dass auf diese Weise hin und wieder ihre Möpse hüpfen können. Oder wabbeln. Je nach Situation halt.

GZSZ mit Tourette-Syndrom

Auf diese Weise erhält Song of Memories immer wieder ganz kurz aufflackernde Momente sexuell konnotierter Eskalation, die es wirken lassen, als sei es von einem GZSZ-Autor mit Tourette-Syndrom geschrieben worden. Einmal überraschen wir unversehens die rothaarige Mitbewohnerin nackt in der Badewanne, stolpern mit dem Kopf in den Schoß der frühreifen Stiefschwester oder bekommen beim Stretching mit der aufreizenden Sportlerin unversehens einen Ständer.

Die meiste Zeit aber herrscht Rollkragenpullover statt Reizwäsche, und die naive Geschichte plätschert und plätschert vor sich hin wie eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung, auf deren Filmset sich in den Kaffeepausen gelegentlich mal die Crew vom Eis-am-Stiel-Dreh nebenan verirrt hat. Song of Memories gibt sich stets einen Hauch von Verruchtheit, traut sich aber nicht dazu zu stehen und hüllt sich daher zur Tarnung in ein biederes Korsett, das eher Scarlett O`Hara passen würde als Dolly Buster. Oder zumindest Ingrid Steeger. Es behauptet mit unermüdlicher Regelmäßigkeit „pervers“ (Zitat) zu sein, ist dabei aber nicht einmal schlüpfrig und erst recht nicht und zu keiner Zeit erotisch. Es ist im Grunde wie ein Exhibitionist, der den ganzen Tag im Park sitzt und dabei seinen Trenchcoat anbehält.

Und so plätschert und plätschert es weiter. Ungefähr alle halbe Stunde darf man eine Entscheidung treffen, die zumeist lediglich daraus besteht, mit welchen der holden Damen man gemeinsam den Schulweg beschreiten möchte oder ob man nach Schulschluss in die Cafeteria oder in die Turnhalle geht. Auf diese Weise richtet sich nach und nach irgendwann das romantische Interesse auf eine der Weiblichkeiten, die man als Favoritin erwählt hat.

Und in dem Moment, als man die Geschichte bereits zu Ende wähnt, scheinbar die Schlusssequenz abläuft und Erlösung verheißt, passiert …

… etwas.

Ich verstehe immer noch nicht genau, was da passiert oder warum, aber auf einmal macht die Geschichte einen Schlenker – nein, viel eher eine Vollbremsung mit Kehrtwende, Aufprall und Überschlag – und biegt in eine komplett andere Richtung ab.

Denn plötzlich bricht eine Virusepidemie aus, die alle Frauen allmählich in Monster verwandelt und die Stadt in eine Zombie-Apokalypse stürzt. In den Straßen kommt es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen zwischen Militär und mutierten Menschen. Helfen können jedoch nur die sexy KI-Avatare, die der Protagonist wie die moderne Variante von Flaschengeistern aus einer magischen App in seinem Smartphone hervorzaubert, die in der Lage sind, die Zombiemonster mit dem Trällern von schnulzigen J-Popsongs quasi tot zu singen. Ähm … ja ... spätestens hier haben sich Logik, Sinn und Verstand zwischenzeitlich vollends verabschiedet.

Aber dann wiederum ändert sich eigentlich auch nicht wirklich viel, denn die Geschichte um die Zombie-Apokalypse bildet wieder lediglich einen unscharfen Hintergrund für das gleiche romantische Seifenoperngesäusel, das weiter vor sich hinplätschert wie all die Stunden zuvor. Als habe George Romero versucht, ein Sequel zu Titanic zu drehen, dabei aber zu viel gekifft. Oder als seien die letzten Seiten aus dem Drehbuch von Lars von Triers Epidemic aus Versehen in einer Folge Lindenstraße gelandet. Oder als würde Bezaubernde Jeannie ein Cross-over mit The Walking Dead bekommen. Oder Buffy. Oder … ach, ich weiß doch auch nicht ...

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