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Special - Kommentar: Kleiner, aber feiner : Es muss nicht immer Triple-A sein

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Mit Einführung der Download-Shops und der Smartphones lässt sich etwas beobachten, was es lange nicht mehr gab: Mut und Kreativität. Und das scheint bei den Spielern anzukommen, was der Erfolg von Titeln wie Braid, Shadow Complex, Angry Birds oder Plants vs. Zombies mehr als eindrucksvoll belegt. Selbst bei Urgesteinen wie mir selbst beobachte ich spürbare Veränderungen des Spielverhaltens.

In den letzten, sagen wir mal, 20 Jahren hat sich so einiges verändert in der Spielentwicklung. Saß damals noch eine Handvoll Freaks in der heimischen Garage, um ein neues Spiel rauszuhauen, werkeln heutzutage ganze Heerscharen von Entwicklern mit Multimillionen-Dollar-Budgets an Nachschub für unsere PCs und Konsolen. Selbst die Filmindustrie schielt mittlerweile grün vor Neid auf die Umsätze von Blockbustern wie GTA IV oder Modern Warfare 2.

Doch das hat natürlich seine Nebenwirkungen. Wenn zweistellige Millionenbeträge als Budget für eine Entwicklung aufgefahren werden, geht keiner mehr ein Risiko ein. Denn wer solch ein Produkt in den Sand setzt, kann mitunter ganz schnell seine Büros schließen. Das Ergebnis ist klar: Alte Spielprinzipien werden nur marginal verbessert, Sequels und Remakes erfolgreicher Titel sind an der Tagesordnung. Kreativität ist fehl am Platze, Hauptsache, der Mist sieht so gut aus, dass jeder frohgemut in den Laden rennt.

Schöne Hülle, fader Inhalt - das kommt immer mehr in Mode, und das möglichst massentauglich. Da vergeht einem das Spielen manchmal schon ganz ordentlich. Beispiel Kane & Lynch 2: rauer Ton, hippe YouTube-Optik. Nur schade, dass das eigentliche Spiel dabei ganz vergessen wurde und lediglich ein nicht einmal richtig gut funktionierendes Hirnlosgeballer draus geworden ist. Oder ein Mafia II - nach außen hin strahlend schön, aber im Vergleich zu seinem Vorgänger irgendwie arm an Substanz. Oder Modern Warfare 2, das mehr durch das Flughafenlevel von sich reden machte als durch besonders tolle Spielmechanik.

Nur selten erlebt man noch echte Schmuckstücke im erlauchten Kreise der Triple-A-Titel. Stattdessen gibt es fast nur noch Fließband-Hochglanz-Kost. Hollywood hat die Spielebranche nun auch in dieser Beziehung erreicht. Doch sah es vor einigen Jahren kreativ zumindest genauso finster aus, zeigt sich nun langsam ein kleines Licht am Horizont, von dem sowohl Spieler als auch Entwickler profitieren können, wenn sie sich denn drauf einlassen. PSN Store, Xbox Live Arcade, Wiiware und nicht zuletzt die neuen Smartphones machen es möglich.

Dort nämlich taucht genau das auf, was die Spielebranche seit Jahren schmerzlich vermissen ließ: kleine, aber feine Projekte, teils von Independent-Entwicklern, teils mittlerweile sogar von großen Studios. Die lassen mal die dicken Budgets liegen und veröffentlichen kleinere Titel, die sich vor allem auf eins konzentrieren müssen: auf Spielspaß statt auf fortschrittliche Technik. Sie bieten oftmals schlichte Grafik, aber dafür Spielmechaniken, die nicht nur innovativ sind, sondern häufig mit einem Minimalismus daherkommen, der einen staunen lässt. Und dazu noch richtig Laune machen.

Da gibt es auf einmal Titel wie Death Spank, Braid oder Shadow Complex, die nicht viel kosten und einen stundenlang vor den Bildschirm fesseln. Und das, obwohl sie auf einem technischen Stand sind, der mit keinem Blockbuster mithalten kann. Es kommen kleine Perlen wie Angry Birds, Canabalt oder Limbo, die einen mit simplem Spielprinzip oder ungewöhnlicher Kunstfertigkeit ein Leuchten in die Augen zaubern. Oder - wie jetzt gerade geschehen - ein Lara-Croft-Titel, der im Grunde mit seinen ganzen hochbudgetierten Tomb-Raider-Vorgängern den Boden aufwischt, weil er das Spielprinzip der Serie aufs einfachste beschränkt: klettern, rätseln, kämpfen. Und dazu noch gut aussieht, aber sicherlich keine zehn Millionen Dollar gekostet hat.

Ich erwische mich immer öfter dabei, dass ich die großen Titel nur kurz angespielt auf den dicken Stapel werfe und mich wieder den kleinen, aber feinen Download-Titeln widme, sei es auf PS3, X360 oder iPod Touch. Warum? Weil sie mir einfach mehr Spaß bereiten als all die ultramodern verpackten, grafisch bombastischen und spielerisch so unglaublich leeren Blockbuster aus dem Vollpreissegment. Weil die Spielprinzipien aufs Einfachste reduziert, aber dafür umso ausgefeilter sind. Weil dort auf einmal innovative Ideen auftauchen, die ich seit Jahren vermisse. Und weil der Aspekt „Kunst" dort ausgelebt wird, statt im Mainstream-Look zu versauern.

Ich hoffe und ich wünsche mir, dass die großen Entwickler diesen Trend beobachten und verinnerlichen. Dass sich der Mut zu frischen Ideen, zu einfachen, aber funktionierenden Konzepten, sowie die Kreativität, die viele kleine Entwickler momentan zeigen, auch in den großen Titeln niederschlagen. Dass die großen Entwickler begreifen, dass es nicht immer die aufwendigste Technik braucht, um ein wirklich gutes Spielprinzip an den Mann zu bringen. Dass auch kleine Dinge manchmal Großes bewirken und zum Teil sogar erfolgreicher werden als die teuren Pseudo-Blockbuster.

Der Grundstein wurde in den letzten Monaten mit einigen exzellenten kleinen Spielen gelegt. Hoffen wir, dass die Branche daraus lernt und vielleicht den Mut aufbringt, wieder einen Schritt zurück zu den Wurzeln zu wagen, als sich Spiele noch wegen ihrer Ideen verkauften und nicht wegen der Maschinerie aus Hochglanz, Marketing und Werbung. Crystal Dynamics und D.I.C.E. haben derweil schon damit begonnen. Es wäre schön, wenn andere dem Beispiel folgen und vielleicht noch ein paar Schritte weiter gehen.

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