Test - Concord : Test: Das Spiel hat euren Hass nicht verdient
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Es ist schon eine unrühmliche Geschichte, die Concord hingelegt hat. Bei Ankündigung von allen als Overwatch-Killer mit dem Charme der Guardians of the Galaxy gefeiert, gab es seit dem ersten Gameplay-Trailer praktisch nur noch Hass und Ablehnung für Sonys neuen Titel. Nicht immer zurecht.
Kontrovers wurde vor allem das Design der Helden aufgenommen, und einige Wokeness-Verächter stießen sich sogar daran, dass deren bevorzugte Pronomen im Auswahlbildschirm angezeigt wurden. Seit ein paar Tagen ist Concord jetzt draußen und direkt zum Release verzeichnete Steam gerade einmal 700 Spieler gleichzeitig. Auf der Playstation dürften es zwar mehr gewesen sein (Sony veröffentlicht keine Zahlen), allerdings sicher nicht genug, um aus dem Flop einen Erfolg zu machen. Aber ist wirklich so gar nichts Gutes an Concord, oder sollte man dem Shooter doch noch eine Chance geben?
Concord gehört zu den teambasierten First-Person-Hero-Shootern, die spätestens seit dem Erfolg von Overwatch ein heiß umkämpftes Genre sind. Mittlerweile hat Blizzards Platzhirsch aber ordentlich an Glanz verloren und damit Platz gemacht für Titel wie Apex Legends, Valorant oder auch das demnächst erscheinende Marvel Rivals. In genau dieses Hornissennest wirft sich nun Sony und versucht sich ein Stück vom Kuchen zu sichern.
Reichlich Raufereien in madigen Modi
In Concord seid ihr Teil einer Crew an sogenannten Freegunnern. Das sind Gesetzlose, die durchs All schippern und sich mit anderen Freegunnern um Beute prügeln. Im Weltall kratzt ein Freegunner dem anderen kein Auge aus. Sobald sie allerdings festen Boden unter den Füßen haben, ist alle Freundschaft vorbei. Perfekte Voraussetzungen also für eine amtliche Schießerei in den 5-gegen-5-PvP-Matches.
Die zwölf Maps verteilen sich auf vier Planeten und sind tatsächlich schick anzusehen. Mal jagt ihr durch ein uraltes Observatorium auf dem höchsten Berg des Planeten, in dessen Mitte ein riesiger Meteor liegt, und auf Akkar sind die Knochenminen Schauplatz des Geschehens. Hier kämpft ihr im Schatten der Skelette enorm großer Urzeit-Viecher und manövriert durch enge Bergbau-Anlagen. Teilweise sind die Karten allerdings sehr verschachtelt und fast schon zu groß für 10 Spieler. Oft dauert es also, bis man nach dem Tod wieder im Geschehen ist, oder man muss sich erstmal auf eine ausgedehnte Suche nach potenziellen Opfern begeben.
Was die Modi anbelangt, verkünstelt sich Concord nicht sonderlich, sondern setzt auf Altbewährtes. Rauferei bietet zwei Team-Deathmatch-Varianten und bei Überrennen gilt es, Zonen zu sichern und vor dem gegnerischen Team zu verteidigen. Bei diesen vier Spielarten respawnt ihr nach dem Tod sofort wieder und dürft euch während der Schlacht direkt neu ins Getümmel stürzen.
Darüber hinaus gibt es allerdings noch zwei weitere Modi, die etwas anderen Regeln folgen. Bei Frachtauftrag und Konflikt (eine Mischung aus Deathmatch und King of the Hill) spielt ihr in mehreren Runden ohne Respawn, bis die aktuelle Runde vorbei ist. An sich auch kein neues Konzept, wenn man an Counter-Strike oder Valorant denkt. Die Modi selbst sind also eher Standardkost, allerdings kommen in den No-Respawn-Matches die Crew-Boni erst richtig zum Tragen und damit die große Besonderheit, die Concord von der Konkurrenz unterscheidet.
Teil der Crew, Teil des Schiffs
Bei jedem Tod eures Helden erhaltet ihr nämlich einen Bonus, der euch bis zum Ende des Matches begleitet. Spielt ihr zum Beispiel mit dem auf Nahkampf ausgelegten Alien Sternenspross und werdet Opfer der Reflexe eures Gegners, dürft ihr euch ab sofort über eine schnellere Abklingzeit für den Ausweich-Skill freuen. Wechselt ihr dann auf einen anderen Charakter wie Soldat Teo und sterbt erneut, kommt dazu noch weniger Rückstoß bei euren Schusswaffen und so weiter.
Gebt ihr oft genug mit verschiedenen Helden den Löffel ab, könnt ihr theoretisch alle sechs verfügbaren Verbesserungen einsammeln. Wisst ihr also im Vorfeld schon, mit welchem Charakter ihr am liebsten spielen wollt, überlegt ihr euch einfach, welche Boni besonders interessant sind, und beginnt das Match erstmal mit einem anderen Freegunner. Seid ihr tatsächlich ein Fan von Sternenspross’ Kampfstil über geringe Distanz, dann würde es sich anbieten, bis zum ersten eigenen Tod mit Raketenwerfer-Trägerin Roka oder der hibbeligen, grünen Alien-Dame It-Z unterwegs zu sein. Nach deren Ableben verbessert sich nämlich eure Mobilität, was vor allem im Nahkampf besonders nützlich ist.
In den Modi ohne permanenten Respawn ist dieses System dann eben besonders spannend. Läuft das gesamte Match nur über vier Runden und ihr dürft ausschließlich zu Beginn der Runde den Helden wechseln, dann kann jeder kleine Vorteil schon entscheidend sein. Es lohnt sich also taktisch vorzugehen. Nur fallen die Crew-Boni im Moment zu gering aus, als dass sie auf niedrigerem Skill-Level einen Unterschied machen würden, weswegen das System von vielen einfach ignoriert wird. Die Idee ist also ausgezeichnet, es hapert nur an der Umsetzung.
Genug Auswahl an Helden hättet ihr aber eigentlich. Eure Crew an Freegunnern besteht aus 16 Helden, die alle über individuelle Fähigkeiten und Bewaffnung verfügen. Darunter so Klassiker wie SMGs, Schrotflinten und Maschinengewehre, aber auch Exoten wie zum Beispiel aufgemotzte Industrie-Staubsauger oder der Sporenwerfer von Pilz-Alien Lark. Dessen Geschosse sind zwar extrem langsam, suchen sich dabei aber ihre Ziele selber.
Wirft man dazu noch einen Blick auf die Skills, macht sich allmählich ein Muster bemerkbar. Die Fähigkeiten dürften einem nämlich bereits aus Konkurrenztiteln wie Overwatch bekannt vorkommen. Teilweise sind es gar 1:1-Kopien, die absolut identisch funktionieren. Zumindest passen sie aber gut zu den Charakteren und machen für gewöhnlich auch Spaß. Etwas wahrlich Einzigartiges sucht man bei Concord dadurch allerdings vergeblich. Man fragt sich ein bisschen, womit sich Entwickler Firewalk eigentlich von der Konkurrenz abheben wollte.
Ich kam für die Waffen und blieb für die Lore
Bereits im Vorfeld warb Concord mit einem Aspekt, der für Shooter mit Multiplayer-Fokus eher ungewöhnlich ist. Besonderes Augenmerk werde nämlich auf die Story gelegt. Damit ist allerdings leider keine Kampagne à la “Dein alter Militär-Kumpel von früher stellt sich als Terrorist heraus und verrät dich” gemeint. Für Singleplayer bietet Concord außer ein paar Zeitrennen nämlich nichts und erst recht keine Kampagne.
Stattdessen erfolgt ausführliches Worldbuilding über den sogenannten Galaxieweiser (eine ungeschickte Übersetzung des englischen “Galaxy Guide”). Auf einer riesigen Karte der Galaxis wird euch die ganze Concord-Welt präsentiert, mit unzähligen Planeten, Anomalien, Transportrouten, Schiffen und so weiter. Zu jedem dieser einzelnen Punkte bekommt ihr massig Informationen in Form von schriftlichen Datenbankeinträgen. Spielt ihr einen Freegunner oft genug und erhöht somit seinen Level, schaltet ihr nicht nur neue Outfits, sondern auch zusätzliches Hintergrundwissen über ihn frei.
Es ist in der Tat beeindruckend, wie viel Zeit und Arbeit in dieses Feature geflossen sein muss, das vom Großteil der Spieler komplett ignoriert werden dürfte. Denn dafür ist der Galaxieweiser zu losgelöst vom eigentlichen PvP-Teil des Spiels, und nicht gerade viele Spieler werden die Lust haben, sich durch Hunderte dröge Seiten an Hintergrundgeschichten zu lesen. Von den versprochenen Kurzfilmchen, die regelmäßig kommen sollen, um uns die Charaktere näherzubringen, gibt es bisher nur zwei. Die sind tatsächlich ganz witzig, aber viel zu wenig und viel zu spät.
Allen Unkenrufen zum Trotz scheint Firewalk Studios noch große Pläne für Concord zu haben. Auf der Roadmap stehen neue Charaktere bzw. Varianten von bereits existierenden Freegunnern, weitere Maps und Quality-of-Life-Änderungen. Außerdem soll schon bald ein Ingame-Shop für rein kosmetische Inhalte eingeführt werden. Bei den aktuellen Spielerzahlen stellt sich aber wohl eher die Frage, bis wann wir mit einem Rettungsversuch per Free-to-play-Modell rechnen können, so wie es Square Enix ja gerade auch mit Foamstars vollzogen hat, oder ob die Server vorher schon ganz abgestellt werden. Nach acht Jahren Entwicklungszeit wäre das eine mittlere Katastrophe für Sony und Firewalk Studios.
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