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Test - Hard West 2 : Teuflische Taktik im Wilden Westen

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Western sind im Kino kein beliebtes Genre mehr. Womöglich, weil sich die Klischees von Gut und Böse im Wilden Westen auf wenig nahrhaftem Boden für tiefgehende Konflikte begegnen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch für Videospiele gibt es kaum ein besseres Zeitalter. Wo sonst ließe sich das Recht des Stärkeren so einfach in ein Videospiel-Konzept ummünzen, ganz ohne ein moralisches Damokles-Schwert? Selbst für Strategieschlachten à la X-COM wie in Hard West 2 eignet sich das Setting hervorragend.

Wie, ich hab da was unterschlagen? Sapperlot! In Ordnung, ein paar Dämonen kommen in Hard West 2 auch vor. Der Teufel höchstpersönlich führt einen Geisterzug durch die Wüste, der wie ein Tausendfüßler von unzähligen Beinchen davongetragen wird. Dennoch würde ich nicht von einem Horror-Crossover sprechen. Höchstens von einem Western mit Geistergeschichten. Die Mär vom Beelzebub, der Gin Carter und seiner Bande harter Halunken mithilfe eines gezinkten Pokerblatts die Seelen aus dem Leib reißen will, ist zwar Start- und Endpunkt für die Handlung, aber abseits eines Hauchs Übernatürlichem, der sich vor allem in den Fähigkeiten der Helden widerspielgelt, geht es um typische Wild-West-Themen. Harte Männer, Eisenbahnen, Forts, kleine Städte und Banditen, die in der Wildnis hausen. Eben das, was in einem Western üblicherweise als Schauplatz dient oder über den Haufen geschossen wird.

In einem Spiel, das sich X-COM zum Vorbild nimmt und größtenteils etablierte Regeln nacheifert, fliegt natürlich jede Menge Blei herum. Vier Haudegen mit kantigen Persönlichkeiten und einzigartigen Spezialfertigkeiten dirigiert man rundenweise über ein begrenztes Schlachtfeld voller Gegner, mit dem Ziel, ihnen per Revolver, Flinte und Nahkampfattacke das Lichtlein auszupusten. Sowohl die taktische Stellung als auch die Anzahl der verbleibenden Aktionen pro Runde bestimmen auf lange Sicht, wer siegreich aus einem Gefecht hervorgeht. In verkürzter Vogelperspektive betrachtet, zeigt ein Rasterfeld, wo Figuren stehen können, wo Deckung gewährt wird und welche Reichweiten sie mit ihren Waffen ausreizen können.

Alles wie gewohnt in diesem Genre, wenn auch unterhaltsam präsentiert, was sich bereits im Cast widerspiegelt. Jede der zunächst vier Hauptfiguren stellt eine markante Persönlichkeit dar, die dank Multiple-Choice-Gesprächen zwischen den Gefechten weiter an Profil gewinnt. Mit diesen beginnt ihr, im Laufe der drei Akte gesellen sich aber noch weitere spielbare Helden hinzu. Anführer Gin ist der furchtlose, charismatische Führer, Indianer Laughing Deer hingegen der verrückte Psychopath, der dem Tod lachend ins Gesicht sieht. Old Man Bill gilt als alter Zyniker – und alt ist er im wahrsten Sinne, denn eigentlich ist er tot. Auf der Suche nach ewiger Ruhe für seinen unfreiwillig auferstandenen Körper kommt ihm der Rachefeldzug gegen den Teufel grade recht. Flynn macht auf tough und frech, hat als Hexe aber auch ihre sanften Seiten.

XCOM trifft auf Cowboys - Zocksession zu Hard West 2

Hard West 2 ist der neuste Vertreter des Taktik-Genres. XCOM-Kämpfe im Wilden Westen, das klingt doch eigentlich net so übel? Felix zockt für euch mal eine komplette Mission und sagt euch was Hard West 2 so besonders macht.

Nicht spektakulär, aber zweckdienlich. Dieses Urteil gilt für so ziemlich alle Bereiche des Spiels. Ich müsste lügen, um zu behaupten, ich wäre von irgendeinem Aspekt der Technik überrascht oder gar überwältigt. Ein für die Unity-Engine fast schon typischer allgemeiner Anstrich lässt sich nicht leugnen, aber grundsätzlich fand ich das grafische Gewand nett anzusehen. Satte Farben, die der Umgebung Kontrast verleihen, ein Zeichenstil, der trotz Horror-Anleihen ohne ausschweifende Übertreibung auskommt, gut erkennbare Indikatoren - was will man mehr. Dass selbst Zwischensequenzen auf meinem 21-zu-9-Bildschirm ohne unschöne Vertikalbalken (oder gar ein gestreckte Bildverhältnisse) dargestellt werden, rechne ich den Machern bei Ice Code Games hoch an.

Bravo Bravado

Bliebe nur noch die Frage, ob sich Hard West 2 von anderen Taktik-Shootern abheben kann, und wenn ja, wodurch? Geht es um Standardkost in frischem Setting? Nein, keineswegs, denn durch die Begegnung mit dem Mammon genannten Teufel beherrscht das Halunken-Team übernatürliche Fähigkeiten. Beispielsweise Platztausch durch Teleportation oder die Fähigkeit, durch Objekte hindurchzuschießen, als ob sie gar nicht existierten.

Obendrein kommen drei primäre Eigenschaften zum Zuge, die alle Helden nutzen können. Die erste ist ein zuschaltbarer Glücksfaktor, die zweite eine Abprall-Funktion für Kugeln (also ein gezieltes Ricochet) und die dritte das sogenannte Bravado, das man als eine Art "guten Lauf" bezeichnen könnte. Dieses Trio an Spielelementen verleiht allem einen Hauch von Spaghetti-Western, da es schnelles Zielen sowie endlose Treffersalven garantiert und nicht zuletzt gehörigen Einfluss auf die taktische Aufstellung nimmt.

Ich fange mal mit dem einfachsten an - dem Ricochet. Statt immer wieder gut gedeckten Widersachern hinterherzulaufen, besteht die Möglichkeit, Schüsse an harten Metallobjekten abprallen zu lassen, sodass sie umgelenkt werden. Auf diese Weise schießt man buchstäblich um die Ecke. Diese als Trickschuss bezeichnete Fertigkeit steht theoretisch bei jedem beliebigen Zug zur Verfügung. Ganz im Gegenteil zum Glücksfaktor, der begrenzt eingesetzt werden kann (sonst wären die taktischen Scharmützel witzlos). Mehr Glück erhöht nämlich die Chance, selbst schwierige Schüsse punktgenau auszuführen oder vermeintlich unausweichlichen Geschossen eines Gegners im letzten Augenblick zu entwischen. Ein Bonus, der nach Karma-Philosophie verdient wird. Je mehr Pech eine Figur hat, indem sie beispielsweise gegnerische Treffer einsteckt, desto mehr Glückspunkte sammelt sie für den Karma-Ausgleich.

Zu guter Letzt wäre da noch das Bravado-Feature, welches nach dem Umlegen eines Feindes aktiviert wird. Es erlaubt das Ausführen beliebig vieler weiterer Züge, solange man es schafft, jeden weiteren anvisierten Feind mit den anschließenden Bonusschüssen sofort ins Nirvana zu pusten. Kettenkombo wäre wohl ein für ein Spiel angemessener Ausdruck für diesen Ablauf, der an legendäre Zelluloid-Gunslinger erinnert. Jeder Schuss ein Treffer.

Ricochet dich in mein Herz

Klingt doch alles recht vielversprechend, nicht? Nun, ich hatte durchaus meinen Spaß beim Abklappern der Haupt- und Nebenquests, die ich in dem begrenzten Areal einer frei erkundbaren Landkarte aufstöbern durfte. Nicht selten ergaben sich bei der Suche Entscheidungen, die den Verlauf des Spiels beeinflussten. Makiere ich mit Gin den Herzlosen, oder mische ich mich in das Schicksal Fremder ein und riskiere dabei Kopf und Kragen? Nicht nur eine Frage des Storytelling, sondern auch eine der gewährten Charakterpunkte, mit denen man Attribute ausbaut.

Dennoch muss ich zugeben, dass mich die ein oder andere Nachlässigkeit des Spiels ärgerte. Vor allem, wenn es um die KI und den Aufbau gewisser Schlachten geht. Nicht nur, weil die künstliche Intelligenz manchmal einfältig ist, sondern weil auch die Programmierer diese Eigenschaft bewusst in das Missionsdesign übernahmen.

Gemäß der drei wählbaren Schwierigkeitsgrade stellen sich gegnerische Revolverhelden mal mehr und mal weniger geschickt an, neigen jedoch grundsätzlich dazu, meinem Trupp zu nahe zu kommen, ohne sich entsprechend zu wehren. In manchen Gefechten servieren sie sich selbst auf dem Silbertablett. Wenn nicht frontal, dann so, dass man sie per Ricochet ausschalten kann. Luxusprobleme, könnte man meinen, wenn dieser Lapsus nicht anhand schierer Masse ausgeglichen würde. Manchmal rücken Gegner nach, die aus dem Nichts kommen, einfach nur, um das Gefecht zu strecken.

Auch damit könnte ich leben, wenn sich dadurch nicht die ein oder andere Zwickmühle ergäbe, bei der ich meine Helden sinnlos in eine Sackgasse manövriere. Je schwieriger das Gefecht im progressiven Verlauf des Spiels, desto öfter hatte ich das Gefühl, weniger taktische Entscheidungen zu treffen, als eine vorgegebene Lösungskette aufzuschlüsseln, auf die ich bei Gefechtsstart keine Einsicht hatte. Gerade bei jenen Scharmützeln, bei denen eine feste Anzahl maximaler Züge vorgegeben wird, wären ein paar Warnzeichen willkommener gewesen als eine plumpe Überrumpelung mit Tatsachen, auf die man sich erst bei Wiederholung der Schlacht vorbereiten kann. Etwa durch eine Umverteilung der Waffen, damit jene Helden, die stärker belagert werden, auf besser streuende Flinten mit Mehrfachtreffern vertrauen können. Das sind Vorbereitungen mit großer Tragweite, die das Laden eines schlachtinternen Spielstands selten kompensieren kann.

Noch dazu empfand ich das Poker-Kartensystem, mit dem ich die Fertigkeiten meiner Helden erweiterte, als unnötig verspielt. Mithilfe von verdienten Karten starke Pokerhände zu formen, mag witzig klingen, aber wenn man taktisch motiviert Fähigkeiten umstellen möchte, wird das Hantieren damit ein wenig lästig.

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