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Test - Journey to the Savage Planet : Der erste Geheimtipp des Jahres

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Gequirlter Blödsinn. Ich halte mir den Bauch vor Lachen, weil Journey to the Savage Planet mir diesen Blödsinn in regelmäßig servierten Häppchen intravenös einflößt. Die Programmierer dieses Werks gehören genau zu der Sorte Spinner meines Geschmacks und schaffen es zugleich, ein ernstzunehmendes Action-Adventure im Metroid-Stil auf die Beine zu stellen. Chapeau!

Wenn ich mit dem Offensichtlichen beginnen wollte, würde ich wahrscheinlich jene Werbespots zitieren, die meinem Avatar bei Spielstart so unmissverständlich um die Ohren geworfen werden, dass man sie gar nicht verpassen kann. Etwa den Spot für ein Produkt namens Grob. Das ist eine lila Paste, die den Geschmack aller erdenklichen Kochgerichte annehmen kann, aber stets aussieht wie ein Haufen Erbrochenes. Ja, der Spot ist saukomisch, gehört aber zur Holzhammer-Kategorie. Wäre gar nicht nötig, denn mein Raumfahrer-Avatar sitzt auch ohne lila Kotzmasse in einem höchst amüsanten Fettnäpfchen.

Als einziger Teilnehmer der Reise auf einen unerforschten, wilden Planeten mit der Bestellnummer AR-Y-26 ist er beinahe hilflos der Flora und Fauna ausgeliefert, denn die Firma, die ihn von der Erde hierher schickte, ist leider nur die viertbeste Weltraumerkundungsgesellschaft und muss daher sparen. Nur ein einziges Werkzeug steht ihm im Inneren seines Raumschiffs für seine Forschungstouren zur Verfügung: ein fortgeschrittener 3D-Drucker. Dieser Drucker kann zwar alles Erdenkliche herstellen – Waffen, Enterhaken, Upgrades und mehr – doch ohne Basismaterial wie Kohlenstoff und Silizium läuft gar nichts.

Unverschämt niedlich und doch so fies

Unbewaffnet stolziere ich also mit meinem Weltenentdecker durch die erste kleine Höhle unweit seines leicht beschädigten Raumschiffs und finde niedliche kugelrunde Vögel mit großen Kulleraugen. Deren hohes, kleinkindartiges Fiepsen ist so niedlich, dass selbst meine Katzen aufhorchen, weil sie verlorene Kitten hinter dem Fernseher vermuten. Der Scanner stuft sie als harmlos ein. Besser noch: diese drolligen kleinen Vögel lieben mich, verrät mir der Abtaster. Zu dumm, dass ich ihnen sogleich mit Fausthieb und Fußtritt die Schnäbel polieren muss, um ihren Leichen ein paar Rohstoffe zu entlocken.

Eine Tat, zu der mich eine aufdringliche Stimme ermutigt. Es ist die Stimme von E.K.O., der Künstlichen Intelligenz im Raumanzug meines Helden. Sie erinnert in mehrerer Hinsicht an Bernadette aus The Big Bang Theory, denn ihre Piepsigkeit wird nur noch durch ihre gnadenlose, unnötig direkte Ehrlichkeit übertroffen. Ihre Hinweise sind nützlich, aber manchmal schießt sie über das Ziel hinaus, so als ob Navi aus Zelda: Ocarina of Time im Schnapsrausch plaudern würde.

Sie verrät mir zum Beispiel, dass ein Materietransporter eine Selbstmordmaschine darstellt, denn jedes Mal, wenn ich zurück in mein Raumschiff beamen will, wird mein Avatar auf atomarer Ebene zerlegt, vernichtet und nur als Kopie im Raumschiff zusammengesetzt. Nerd-Humor mit Star-Trek-Anstrich. Fantastisch, aber auch makaber.

Ein paar Spielstunden später: Mithilfe meines Blasters aus dem 3D-Drucker habe ich meinem Helden inzwischen Zugang zu den ersten offenen Arealen des Planeten verschafft. Dass die quietschbunte Grafik auf den ersten Blick ein wenig dilettantisch wirkt, habe ich längst vergessen, denn das ist Absicht. Die Jungs von den Typhoon Studios legen es drauf an tiefzustapeln, damit sie im richtigen Moment mit beeindruckenden Überraschungen auftrumpfen können. Dazu gehört eine umwerfende Weitsicht, die mir erlaubt, selbst auf hohen Plattformen noch etliche Details am Boden zu erkennen.

Etwa meinen Rucksack, den ich nach einem Ableben wieder auflesen muss, um gesammelte Rohstoffe zu behalten. Aber auch Feinde und die Leichen meines Helden, die von seinen Klonen übrigbleiben, wenn ich ihn mal wieder aus mangelnder Vorsicht in den Tod geschickt habe. Passiert manchmal schneller als man schauen kann, trotz aller Gesundheits-Upgrades, die ich ihm in Form von außerirdischem Schleimfraß in den Mund stopfe. Nein, das ist keine Übertreibung.

Wenige Gegner, viele Geheimnisse

Unvorhergesehene Tode ereilen meinen Avatar nicht aufgrund einer Überzahl an bösen Monstern. Im Gegenteil, der wilde Planet wird sogar von vergleichsweise wenigen Lebewesen bewohnt, sowohl was die Zahl der unterschiedlichen Arten angeht als auch in Sachen Masse. Selbst Bosse sind rar gesät, dafür aber trickreich. Es geht nie um reine Feuerkraft oder das Vollpumpen mit Lasersalven.

Egal ob groß oder klein, jeder Gegner will mit Geschick und der richtigen Herangehensweise besiegt werden. Ein anschauliches Beispiel wären Pflanzen, die mit ihren Blüten-Augen die Umgebung absuchen. Jeder Eindringling, der ihnen zu nahe kommt, wird mit Sprengstoff bombardiert. Will man an so einem Gewächs vorbei, so muss man sich vor den Suchstrahlen verstecken, es umrunden, sich von hinten anschleichen und mit einer Hauruckaktion den Daumen ins Auge drücken. Sagte ich schon, dass dieses Spiel gerne makaber daherkommt?

Auch schön: Fleischfressende Pflanzen, die neue Wege erst freigeben, wenn man ihnen einen der niedlichen Piepmatze im hohen Bogen ins Maul kickt. Oder Echsen, die versuchen, meinen lahmen Forscher wie eine Bowlingkugel über den Haufen zu rollen. Nach ein paar Ausweichmanövern entdeckt man dann schnell, dass ihr Schwachpunkt am hinteren Stück ihres Schwanzendes hell aufleuchtet.

Ich hatte selten das Gefühl, mit typischen Action-Adventure-Monstern zu kämpfen, die einfach nur im Weg stehen. Sie wirken eher wie Teile eines großen Puzzles, das man durch Forschung und Kombination zusammensetzt. Obwohl ich bestimmt die Hälfte der Zeit nur durch die Gegend schritt, um mehr Rohstoffe für Upgrades zu sammeln, führte mich die Neugierde doch immer wieder zu versteckten Höhlen und unscheinbaren Geheimgängen, die mal mehr und mal weniger offensichtlich ein Geheimnis versteckten.

Mal ist der Eingang versperrt und will mithilfe von explosiven Pflanzen freigelegt werden, ein andermal rückt eine Schatzruhe erst dann ein seltenes Material heraus, wenn man kleine Alien-Symbole in der Umgebung gefunden und gescannt hat. Man tänzelt um Lavabecken herum, verstreut Samen, die Ankerpunkte für den Enterhaken wachsen lassen oder hüpft auf Trampolin-Schleimbeuteln von Ebene zu Ebene.

Aus wenig Material viel herausgeholt

Unbestreitbar haben sich die Designer bei Typhoon eine dicke Scheibe bei Metroid Prime abgeschaut, meiden dabei jedoch unnötiges Backtracking so gut es geht und verpacken den Spielfluss so gut, dass man nie das Gefühl hat, in einer Sackgasse landen zu können. Und das, obwohl der am oberen Bildschirmrand eingeblendete Radar keineswegs eine gute Übersichtskarte ersetzen kann.

Völlig ohne Backtracking kommt das Spiel aber natürlich auch nicht aus. Allein schon, weil man immer wieder zum eigenen Raumschiff zurückkehrt, um gesammelte Rohstoffe gegen Upgrades und Werkzeuge auszutauschen, die einem helfen, die Widrigkeiten des Planeten AR-Y 26 zu überwinden. Langes Umherlatschen ist unnötig. Alle naselang findet man Teleporter, mit denen man blitzschnell zum Schiff und zurück zum aktuellen Forschungsgebiet kommt. Langeweile kommt somit selten auf, aber man läuft manchmal Gefahr, übersehene Geheimnisse hinter sich zu lassen, weil man meint, alles vor dem jüngsten Teleporter erforscht zu haben.

Journey to the Savage Planet - E3 2019 Gameplay Trailer
Aus dem futuristischen Journey to the Savage Planet zeigt Entwickler Typhoon Games zur E3 neue Spielszenen.

Glücklicherweise halten die skurrile Flora und Fauna einen so gut bei Laune, dass man hin und wieder freiwillig in ein bekanntes Gebiet zurück geht – und sei es nur, um eines der seltsamen Monster zu betrachten, das aus einem Picasso-Gemälde entsprungen sein könnte, oder um eine der vielen Heldenleichen zu begraben, damit die Spuren der Schmach verschwinden. Dabei offenbart sich aber auch, wie kompakt die Spielwelt in Wirklichkeit ist. Nach spätestens 20 Stunden ist der der Spaß vorbei. Kein Beinbruch bei einem Preis von rund 30 Euro. Spielt ihr im Online-Koop mit einem Freund, geht es sicherlich noch schneller. Allerdings teilt ihr dabei immer den Spielstand des Hosts – einen gemeinsamen Spielstand darf man nicht anlegen.

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