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Special - PS5 DualSense : Gimmick oder Game-Changer?

  • PS5
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Was definiert ein echtes Next-Gen-Erlebnis? Genügt es, einfach nur mehr Rechenkraft bereitzustellen? Es gab schließlich eine Zeit, in der auch ein neues greifbares Element zum guten Ton gehörte. Innovation kam in Form von neuen Joypad-Designs, neuen Abfrage- und Eingabemethoden oder gar neuer Bewegungssensorik. Aber das Risiko einer Bauchlandung ist groß - siehe Microsofts Megaflop Kinect 2. Nicht jedes neue Feature, das als brauchbar befunden wurde, hielt sich auf Dauer, und so steht auch bei der PS5 die Frage im Raum: Wie sinnvoll sind haptisches Feedback und adaptive Trigger als stromfressende Merkmale des DualSense-Controllers? Geht es um Spielerei oder um wegweisende technische Errungenschaften, die in Zukunft unverzichtbar sein werden?

Der DualSense-Controller der PlayStation 5 generiert bei Erstkontakt staunende Gesichter. Seine Rumble-Funktion ist viel feinfühliger, als man es bislang kannte, wodurch kleinste Erschütterungsnuancen an die Hand des Spielers weitergeleitet werden können. Sony nennt das zurecht „haptisches Feedback“, denn es geht um ein hochaufgelöstes Rumble-Erlebnis für geringste Eindrücke, etwa das Aufsetzen von Füßen, Herzschläge und andere subtile Vibrationen. Da gibt es nur einen nennenswerten Nachteil: Besonders grobe Erschütterungen, etwa bei einem virtuellen Erdbeben, sind dadurch nicht mehr ganz so mächtig wie mit dem üblichen Unwucht-Rumble der vorherigen Generation.

Doch Sony hat mitgedacht, denn grobe Einschläge lassen sich nun mithilfe der analogen Trigger vermitteln. Sie wehren sich im wahrsten Sinne gegen die Zeigefinger des Spielers, stoßen sie nach vorne und bauen bei Bedarf einen derart hohen Widerstand auf, dass man die Trigger selbst mit Gewalt nicht bis ganz nach unten einrasten lassen kann. Wenn das zu einer Vibration umgemünzt wird, tanzen die Zeigefinger unkontrolliert am oberen Rand des Geräts, wie die spielbare Technikdemo „Astro’s Playroom“ beweist. Irre, weil höchst eindrucksvoll und der Immersion zuträglich. Widerstand am virtuellen Pistolen-Abzug bis hin zu Ladehemmungen oder steigende Spannung beim Ziehen an einer Bogensehne? Motorvibrationen und Bremswiderstand bei Rennspielen? All das ist problemlos umsetzbar und stellt eine neue fühlbare Ebene der Videospielerfahrung dar.

Aber nicht jeder PS5-Käufer freut sich darüber. Abgesehen davon, dass das Durchhaltevermögen des Controllers deswegen abermals geschrumpft ist – von vier bis fünf Stunden je Ladung beim Dualshock 4 auf rund dreieinhalb beim DualSense – lehnen manche Leute jede Form von Trigger-Widerstand ab. Siehe etwa die Online-Fraktion der Call-of-Duty-Spieler, die lieber den Abzug ihrer Waffe schnell bedienen wollen, als die Schwelle am Druckpunkt des Hahns zu spüren.

Manche Fanboys des Xbox-Lagers greifen auch gerne zur Übertreibung, um das Feature kleinzureden. Es sei viel zu laut und zudem nur Spielerei, die schon bald genauso wenig genützt würde, wie das zum verkappten Select-Button degradierte Touch-Pad, das in all den Jahren der PS4 kaum sinnvolle Verwendung fand. Oder wie steht es denn um den Gyro-Sensor? In der Post-Wii-Ära muss man mit der Lupe nach Spielen suchen, die den Sensor nutzen. Xbox-Spieler kamen über zwei Generationen hinweg komplett ohne zurecht, und doch findet man ihn abermals im PS5-Controller, der vor lauter Eingabemöglichkeiten aus allen Nähten platzt.

Nun, das Argument mit der Lautstärke ist Käse. Man kann das Klackern der vibrierenden Trigger durchaus hören, aber im laufenden Spiel macht das wenig bis gar nichts aus. Ob die Kritiker mit der zweiten Behauptung recht haben, muss sich dagegen noch zeigen. Die Geschichte des Game-Controllers zeigt in dieser Hinsicht keine eindeutigen Tendenzen. Zumal haptisches Feedback und adaptive Trigger nur sekundäre Steuerungsmerkmale sind, welche die anderen ergänzen und nicht komplett neu ausrichten.

Das ultimative Joypad

Die Suche nach dem ultimativen Eingabegerät für Videospiele kann mit Fug und Recht als Achterbahnfahrt bezeichnet werden. Ein ewiges Auf und Ab zwischen Komfort, praktischem Nutzen und Zugänglichkeit, das erst durch Erfahrungswerte auf eine gerade Linie gebracht wurde. Lange bevor Nintendo den Analogstick des Nintendo 64 vorstellte, gab es bereits analoge Joysticks für PCs (für Flugsimulatoren) oder etwa den Standard-Controller der Atari-5200-Konsole, der dank eines analogen Steuerknüppels schon 1982 feinfühlige Eingaben ermöglichte. Trotzdem setzte sich nach dem Videospiel-Crash zuerst das digitale Steuerkreuz durch, weil eine preislich günstige und zugleich präzisere Eingabemethode nötig war, um die Altlasten der kruden Videospielsteinzeit abzulegen.

Ein anderes Beispiel verdeutlicht noch besser, warum die Entwicklung eines haptischen Features keine Einbahnstraße bleibt. Erinnert ihr euch an die analogen Knöpfe des DualShock-2-Controllers der PlayStation 2? Bei dieser Frage dürften manche von euch verdutzt aus der Wäsche schauen: analoge Knöpfe? Am PlayStation-2-Joypad? Ja, es gab gleich acht Stück davon, denn mit Ausnahme des Steuerkreuzes sowie Select und Start war jeder einzelne Knopf des DualShock 2 drucksensitiv.

Eine Eigenschaft, die nicht nur bei Rennspielen wie Gran Turismo nützlich war. Auch bei Hideo Kojimas Spionage-Epos Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty stach sie heraus, wenn man Solid Snake in einem Spind verstecken, derweil aber unbemerkt aus dessen Belüftungsschlitz schauen wollte. PC-Gamer wunderten sich, warum genau das in der Windows-Umsetzung nicht funktionierte. Sie knallten immer wieder mit vollem Karacho gegen die Spindtür, weil sie den Helden nicht vorsichtig und mit sanftem Druck nach vorne lehnen lassen konnten, sofern sie dafür keine Workaround-Lösung nutzten.

Der Fakt, dass sich viele PlayStation-2-Veteranen (darunter wohl auch viele Casual-Gamer) nicht an die analogen Feuerknöpfe des DualShock 2 erinnern, untermauert Sonys Entscheidung, sie beim Generationswechsel zur PS3 sang und klanglos abzuschaffen. Geblieben sind lediglich analoge Trigger, wie Sega sie einst über einen Spezialcontroller der Saturn-Konsole etablierte und später beim Dreamcast zum Standard erhob. Und genau daraus lässt sich wiederum ableiten, dass analoge Eingabeknöpfe zwar ihren Sinn haben, sie aber nicht in jedem Spiel wichtig genug sind, um ein komplettes Joypad damit auszustatten.

Erst recht nicht, wenn das Design des Joypads nicht eindeutig preisgibt, dass das Feature überhaupt existiert. Dem DualShock 2 sah man seine Drucksensitivität nicht an. Nintendo griff deswegen beim Gamecube-Controller zum Stilmittel der Übertreibung und ließ die analogen Trigger weit über die Fassung des Steuergeräts hinausschauen. Um so kurioser, dass Nintendo heutzutage komplett auf analoge Knöpfe und Trigger verzichtet. Man hält sie bei den verantwortlichen in Kyoto wohl für unnötig. 80 Millionen verkaufte Switch-Konsolen geben ihnen recht, wobei auch das Spiele-Sortiment eine Rolle spielt.

Rennspiel-Enthusiasten würden diesem Urteil nämlich vehement widersprechen. Gas und Bremse? Pah, ohne analoge Kupplung geht bei manchen gar nichts. Die Xbox steht sogar derzeit in heftiger Kritik bei Lenkrad-Nutzern, weil sie kein Controller-Protokoll für Rev-Lichter und zusätzliche Eingaben wie etwa Rädchen für variables Differenzial hat. Formel-1 Piloten müssen auf der Xbox (egal ob One oder Series) sogar ins Pausemenü, um die Rückspulfunktion zu nutzen, weil zu wenige Knöpfe ansprechbar sind.

Das alles sind Beispiele, die zeigen, dass es kein ultimatives Allzweck-Steuergerät geben kann. Je komplexer Joypads werden, desto weniger Einsteiger kommen damit zurecht, während gewisse Genres für Enthusiasten wie etwa Rennspiele oder Flugsimulatoren immer ausgefeiltere Eingabemethoden voraussetzen. Ein Spagat, der schon seit Jahrzehnten zum Drahtseilakt für Hardware-Hersteller mutiert. Wer würde einen Klassiker wie Wing Commander oder den brandneuen MS Flight Simulator auf einem minimalistischen Joypad spielen wollen? Zugleich haben aber Joypads mit Nummernfeldern wie beim CBS Colecovision oder dem Atari Jaguar, die mehr als genug Eingabemöglichkeiten offerierten, schon früh eine Abfuhr erhalten.

Kontextsensitiv

Mehr Knöpfe versus feineres Rumble und wehrhafte Trigger? Ihr fragt euch nun sicher, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Oberflächlich betrachtet gar nichts, aber unter der Fassade eine ganze Menge. Wenn nämlich die Videospielindustrie eines in den letzten vier Jahrzehnten gelernt hat, dann dass erst die Software Stärken und Schwächen einer Hardwarekomponente herauskristallisiert. Siehe Microsofts Kinect: grundsätzlich eine schöne Idee. Aber ohne Knöpfe für die Eingabe prompt ausgeführter Befehle viel zu lahm, was schon die frühesten Anläufe Kinect-basierter Actionspiele aufzeigten. Und während man zur 32-Bit-Ärea noch dazu neigte, jede einzelne Funktion der Spielmechanik auf einen Knopf zu legen, selbst wenn er die meiste Zeit über gar nicht verwendet wurde, gingen Spielemacher in den letzten fünfzehn Jahren dazu über, Funktionen situationsbedingt zuzuweisen.

Auch das hat sein Für und Wider. Das negative Extrem dieser Entwicklung waren Quick-Time-Events, bei denen der Bezug zur ausgeführten Aktion völlig ins Hintertreffen geriet. Einfach nur jene Knöpfchen zu drücken, die einem die Programmierer auf dem Bildschirm ansagen, ist keine spielerische und schon gar keine intellektuelle Herausforderung. Was hier fehlte, war eine Form der Informationsweitergabe, die dem Spieler Freiraum lässt, ob er sie wahrnehmen möchte oder nicht.

Genau an dieser Stelle rückt der DualSense-Controller ins Bild, denn er vermittelt eine filigrane, optional wahrnehmbare Gefühlsebene beim Spielen. Er kann präzise Informationen vermitteln, die weit über das grobe Rütteln eines Rumble-Controllers hinausgehen. Mehr Widerstand auf den Triggern kann beispielsweise Müdigkeit suggerieren, während feine Abstufungen der Controllervibration steigende Kälte, wachsende Angst, die Annäherung eines großen Widersachers und viele weitere Gefühlveränderungen transportieren. Und zwar ganz ohne Bildschirmanzeige. Aufgrund solcher Informationen ließe sich dann die Kontextsensitivität gewisser Button-Aktionen anpassen, wodurch mehrere vom Spieler ansprechbare Steuerungs-Schichten entstehen.

Wie schnell diese Erwartungshaltung an den Controller in Fleisch und Blut übergeht, kristallisierte sich neulich beim Test des Microsoft-Exklusivtitels The Medium heraus. In diesem Horror-Spiel soll man mithilfe eines Rasiermessers Tierhäute zertrennen und eine Zange nutzen, um Ketten aufzubrechen. Nach mehr als zwei Monaten mit Sonys DualSense klafft eine Gefühlslücke bei solchen Aktionen auf, weil Microsofts Controller kein haptisches Feedback bei derartigen Aktionen vermitteln kann. Keine feine Vibration, wenn das Rasiermesser ins Stocken zu kommen droht, kein Widerstand, wenn die Ketten unnachgiebig bleiben. Es fehlt. Und wenn es fehlt, verlangt man danach, wie bei einer Fremdsprache, die man von heute auf morgen verlernt hätte. Man wartet auf ein Zeichen, das einem sagt, man möge jetzt doch bitte etwa fester oder schneller drücken. Oder eben intuitiv nach eigenem Gutdünken handeln.

Kaum auszumalen, welche Möglichkeiten dadurch offenliegen. Das Genre der Horrorspiele könnte womöglich zukünftig genauso vom haptischen Feedback zehren wie Rennspiele von Lenkrädern und Flugsims von Hotas-Steuerküppeln. Was Call-Of-Duty-Veteranen in ihren Online-Sitzungen als hinderlich erachten, hebt alles, was Immersion auf Grusel und Mystery-Ebene verlangt, auf ein ganz neues Niveau. Welche Genres noch davon profitieren werden, dürfte sich schon bald herausstellen.

Der DualSense wird Lenkrädern gewiss nicht den Rang ablaufen, aber er wird sich ihnen haptisch annähern, weil er etwas Ähnliches bietet wie Force-Feedback – nur eben für Gas und Bremse. Wir konnten den Unterschied bei der PS5-Umsetzung des Motorradrennspiels Ride 4 bereits ausgiebig testen und möchten diese Funktion nicht mehr missen. Auch hier ergibt sich eine komplett neue Wahrnehmungsebene, die weit über die Vorzüge eines Gimmicks hinausgeht. Man spürt sogar Unterschiede in der Bodenbeschaffenheit und der Reifenhaftung (etwa bei Nässe) und reagiert dementsprechend. Entwicklern von Rallye-Umsetzungen glühen jetzt schon die Ohren.

Wer weiß, vielleicht übernehmen ja Lenkradhersteller diese Technik für noch lebensechter reagierende Pedale – sozusagen Load-Cell 2.0. Es bleibt abzuwarten, wie viel von der neuen Immersion von Spielern zugelassen wird. Nach wie vor bestimmt die Masse, was bleibt. Wenn die Masse den Unterschied nicht bemerkt, weil sie die Funktion beispielsweise von vornherein abschaltet oder weil Spieleentwicklern das Herausfummeln ordentlicher haptischer Muster zu aufwändig ist, könnte das alles genauso schnell untergehen wie bei Nintendo.

Die Hürden des Massenmarkts

Wir erinnern uns: Big N prahlte anno 2017 mit der Einführung eines Fein-Rüttel-Features, HD-Rumble genannt, und versuchte in frühen Präsentationen den Vorteil mit drei Eiswürfeln in einem Glas zu vermitteln. Klappte nicht besonders gut und blieb auch in den allermeisten Spielen unbeachtet. Das könnte einerseits an den auf Nintendo-Konsolen bevorzugten Genres liegen, andererseits am schlichten Umstand, dass die HD-Rumble-Motoren in den Joycons trotz derselben Technik wie im DualSense ein wenig zu schwach für merkliche Abstufungen sind.

Das erste Spiel für die PS5 - Wir zocken Astro's Playroom

Astro's Playroom ist auf jeder PS5 vorinstalliert. Felix darf schon jetzt Hand anlegen und zeigt euch, ob das Ganze ein vollwertiges Spiel oder mehr eine kleine Spielerei ist.

Die größte Hürde für die Akzeptanz einer Extravaganz wie dieser bleibt aber der Massenmarkt. Damit sind nicht nur Käufer gemeint, sondern auch Drittanbieter, die spezielle Wünsche der Kundschaft erfüllen wollen, angefangen bei besonders präzisen Pro-Controllern bis hin zu Designs für Leute, die das versetzte Analogstick-Layout der Xbox bevorzugen. Wenn das haptische Feedback für diese Controller zu teuer, zu platzfressend oder aus anderen Gründen unrentabel ausfallen sollte, geht das gut gemeinte Feature an weiteren Kunden vorbei.

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Außerdem steht im Raum, ob Microsoft die Technik auf lange Sicht für Xbox und PC adaptiert, was nötig wäre, um sämtliche Dritthersteller inklusive Indie-Entwickler zu zwingen, sich mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Selbst wenn Microsoft es angeht, bleibt die Frage, in welchem Umfang - insbesondere bei den adaptiven Triggern, die mechanische Voraussetzungen mitbringen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Patente, Design-Schwierigkeiten im Formfaktor und Ähnliches eine globale Adaption eines schönen Features verhindert oder zumindest erschwert hätten. Wie bei den analogen Knöpfen des PS2-Controllers, könnte eine auf das nötigste reduzierte Variante das Rennen machen – und sei es nur, um Strom zu sparen.

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