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Special - Gewaltkommentar : Wieso es ohne Gewalt nicht geht

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Kommen wir noch mal zu meinem Großvater zurück.

Er meidet Gewalt in den Medien, zu tief sitzen die seelischen Wunden der Jugend. Er mag Heimatfilme und reiht sich damit ein in seine Generation. Wozu Gewalt konsumieren, wenn man sich bloß an seine Kindheit zu erinnern braucht? Und möchte man das dann überhaupt? Verdrängung oder Strategie zum Selbstschutz? Leider gibt es kaum Studien zum Thema Zeitzeugen und Gewaltkonsum, das liegt aber wohl daran, dass das Forschungsfeld noch relativ neu ist.

Für meine Eltern kommt das nicht infrage: „Heimatfilme?“ Sie konsumieren „James Bond“ damals wie heute, freuen sich auf die Verfilmungen von Büchern wie „Der Medicus“ und „Das Parfüm“, auch nicht gerade gewaltfrei. Auf der anderen Seite stehen Filme über die Geschichte Deutschlands, wie etwa „Das Wunder von Bern“, „Das Leben der Anderen“ und „Der Untergang“. Sie haben eine differenzierte Einstellung zur Gewalt irgendwo in der Mitte. Auch bei Büchern sind sie flexibel: Mal historisch, mal politisch. Da sie erst recht spät einen Fernseher hatten, sind sie nicht so abgestumpft wie unsereins. Wenn Gewalt ausartet, schalten sie ab oder klappen das Buch zu.

Sie geben der Gewalt gar keine Chance, sich zu legitimieren, und nehmen dann gerne auch mal die Meinung der 08/15-Medien an. Beispiele gefällig? „Ein Film über Kinder, die sich gegenseitig abschlachten. Abartig.“ – „Zombies? So ein Mist.“ – „Hannibal war ja ein tolles Buch, aber die Serie? Ekelhaft.“ – „Was? Du hast Counter-Strike gespielt? Da geht es doch nur darum, so viele Menschen wie möglich so grausam wie möglich zu töten!“ Gerne bleiben sie da auch mal stur und kopieren eine Meinung, die gar nicht die ihre wäre, wenn sie das Thema differenziert betrachten würden. Früher war ja alles besser.

Freunde von mir gehören zu den sogenannten „Helikoptereltern", sie überbehüten ihre Kinder, bauen Hürden, die sie niemals werden überspringen können, und mischen sich in alle Angelegenheiten ein. Sie stehen bei den Kindergärtnerinnen dauernd auf der Matte und tragen Konflikte aus, die wir als Kinder damals selbst regeln mussten. Sie machen ihre Kinder einerseits zu kleinen Erwachsenen und rauben ihnen andererseits ihren persönlichen Antrieb sowie die Fähigkeit, Konflikte zu lösen. Kurz: Sie halten jegliche Form von realer Gewalt fern von ihren Kindern.

Zwischenfazit

Es gibt Generationen, die haben Gewalt am eigenen Leib erlebt, solche, die zumindest unmittelbar davon gehört haben, und ebenjene, die vollkommen gewaltfrei aufwachsen und Krieg nur aus den Medien oder dem leider oftmals recht langweiligen Geschichtsunterricht kennen.

Es scheint eine mathematische Gleichung zu sein: Je mehr Distanz zur Gewalt vorhanden ist, desto eher sind wir bereit, sie in den Medien zu konsumieren, und je weniger, desto weniger.

Als Lehrer nutze ich die Pausen recht gut aus, um mit den Schülern über so etwas zu sprechen. Oft sind es kleine Waffenspezialisten, zumindest glauben sie das. In der Regel sind die Schüler, rein subjektiv gefühlt, eher friedliebender Natur. Wenn man in die Tiefe gräbt, erkennt man schnell, dass sie eine etwas romantische und falsche Vorstellung vom Krieg haben, die häufig pro USA und contra Osteuropa ist. Kleiner Seitenhieb auf Hollywood gefällig? Wieso sind die Araber im Film „300“ so seltsam geschminkt? Es soll ein Feindbild kreiert werden, ganz unterschwellig: Der Osten ist böse, James Bond grüßt aus Moskau. Haben wir das damals durchschaut? Ich glaube nicht – das wäre anmaßend.

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