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Test - The 7th Guest VR : Test: Der Klassiker als liebevolle Neuinterpretation

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Wer Mitte der 90er Jahre den Wechsel von der Floppy-Disk zur CD-ROM als Datenträger für Computerspiele miterlebt hat, dem ist The 7th Guest garantiert ein Begriff. Das aufwändig produzierte Gruselspiel veranschaulichte eindrücklich, wohin die Reise nach damaliger Vorstellung gehen sollte: fotorealistische Grafik, filmreife Zwischensequenzen mit echten Schauspielern, symphonischer Soundtrack. „Das ist die Zukunft!“, lautete für Spieler der damaligen Zeit die erste euphorische Reaktion, die schnell dezenter Ernüchterung wich.

Denn gleichzeitig veranschaulichte das spielerisch recht primitive Rätselspiel die Grenzen der neuen technischen Möglichkeiten und führte die vorher nicht geahnte Kluft vor Augen, die zwischen der filmreifen Präsentation eines leidlich interaktiven Films und der Gameplay-Raffinesse und Entscheidungsfreiheit eines richtigen Spiels klaffte. Ziemlich genau 30 Jahre später erscheint der Klassiker nun in einer komplett neuen Interpretation in VR für Quest, PC-VR und Playstation VR 2.

Ein Rätselbuch als Spiel-Film

„Old man Stauf built a house and filled it with his toys. Six Guests were invited one night, their screams the only noise.“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz, der das Intro von The 7th Guest 1993 einleitete, gehört habe, jedenfalls oft genug, um ihn selbst heute noch lückenlos mitsprechen zu können. Und wenn du auch damals zu den Spielern der ersten Generation gehörst, die ihren PC mit einem CD-ROM-Laufwerk aufrüsteten, um Rebel Assault, Myst oder eben The 7th Guest zu spielen, dann dürfte es dir ähnlich gehen.

Unzählige Male habe ich mir allein dieses Intro angeschaut, jedes Mal mit weit aufgerissenen Augen und gespitzten Ohren, die nicht glauben konnten, was sie da sahen und hörten: die hochaufgelöste, vorgerenderte Grafik, die schaurige Geigenmusik, während sich das Trilobyte-Logo des Entwicklers aus dem Hintergrund schälte und ein ganzes Symphonieorchester zum Tusch schmetterte, als die Blitze hinter dem Bild des monströsen Stauf-Anwesen einschlugen, dann das mehrere Minuten dauernde Intro, das die Vorgeschichte wie ein Film mit echten Schauspielern inszenierte. Und erst der Anfang des Spiels im Foyer der Villa: der Blick auf die lange Treppe ins Dunkel und schließlich die flüssige, geradezu schwebende Kamerafahrt die Stufen hinauf, wenn man darauf klickte – eine buchstäblich erhebende Erfahrung. Man konnte sich daran nicht sattsehen.

Doch gleichzeitig schürte The 7th Guest bereits eine Ahnung, die sich in den folgenden Jahren durch zahlreiche aufwändig produzierte, aber spielerisch nur mittelmäßige CD-ROM-Spiele verfestigen sollte: dass Spiel und Film doch sehr viel unterschiedlichere Medien sind, als es intuitiv den Anschein machte. Nur weil ein Spiel plötzlich filmartige Zwischensequenzen enthält, fühlt es sich nicht automatisch wie ein „Film zum Mitspielen“ an – im Gegenteil stehen diese Szenen der spielerischen Erfahrung oftmals eher im Wege. Und nur weil ein Film plötzlich interaktiv wird, wird er dadurch nicht immersiver oder besser – im Gegenteil zerfleddert seine Dramaturgie schnell in der Beliebigkeit des Austauschbaren.

The 7th Guest erfuhr schnell den spöttischen Ruf als eine Art digitales Rätselheft vom Bahnhofskiosk mit angeschlossenem Spielfilm. FMV-Sequenzen und Spielabschnitte schienen merkwürdig abgekanzelt nebeneinander zu stehen, weitgehend losgelöst voneinander abzulaufen und lediglich dazu zu dienen, das jeweils andere auszulösen. Das Zeitalter des interaktiven Films, das seinerzeit ausgerufen wurde, war daher allenfalls in den Vorstandsetagen von Hollywood-Studios oder in der Lifestyle-Presse kurzzeitig existent, die das „Next Big Thing“ witterten, aber vom Medium Games nur wenig bis keine Ahnung hatten. In der Spielegeschichte nimmt es lediglich eine Randnotiz als kurioser Irrweg ein.

Nun ließe sich an dieser Stelle ein Strich unter das Thema machen, wenn nicht gleich zwei Entwicklungen in der Zwischenzeit der vergangenen 30 Jahre seit der Veröffentlichung von The 7th Guest dieses in ein anderes Licht gerückt hätten. Zum Einen sind da die höchst erfolgreichen Spiele der Prof.-Layton-Reihe, die - wahrscheinlich ohne sich dessen bewusst zu sein - im Grunde dasselbe Spielkonzept verfolgen wie The 7th Guest und dadurch zeigten, dass es trotz aller Unkenrufe doch funktionieren kann, wenn einfach nur die Rätsel etwas pfiffiger ersonnen sind und die Verzahnung von Gameplay und Geschichte nahtloser ineinander greift.

Und zum anderen ist da der aktuell boomende Trend der Escape-Room-Spiele, die ebenfalls auf einem sehr ähnlichen Prinzip abstellen und dieses über die letzten Jahre massiv weiterentwickelt haben. Insofern muss The 7th Guest heute im Rückblick nicht mehr als gescheiterter Spiel-Film-Hybride eingeordnet werden, sondern als früher Pionier in einem Genre, das einfach noch viel Feinschliff vom Rohdiamanten zum schillernden Juwel benötigen sollte.

Unter dieser Betrachtung muss womöglich gar die damalige Kritik an The 7th Guest komplett neu eingeordnet werden. Denn letztlich lag die Mittelmäßigkeit des Spiels vielleicht überhaupt nicht in der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Film und Spiel begründet. Sondern ganz schlicht und ergreifend lediglich an der Mittelmäßigkeit der darin vorkommenden Rätsel. Erinnert ihr euch? Diese ständigen Schach-Rätsel, diese doofe grüne Torte mit dem aufgemalten Friedhof gleich zu Beginn, dieser Reversi-Verschnitt mit den Viren im Mikroskop, die Dosen im Schrank, diese andauernden stupiden Puzzle, Zahlenspielchen und Labyrinthe. Da roch man förmlich das Naphthalin der Mottenkiste, aus der sie zu stammen schienen.

The 7th Guest VR: alles vertraut, aber alles neu

Und genau hier setzt The 7th Guest VR an: Sämtliche Rätsel sind komplett neu. Ja, tatsächlich scheinen sich die Entwickler der verwandtschaftlichen Bande zum Escape-Room-Genre sehr wohl bewusst gewesen zu sein, denn jedes Zimmer des Anwesens fährt nun nicht mehr wie früher lediglich ein einziges, für sich stehendes Rätsel auf, sondern derer gleich mehrere, die oftmals, wie eben in einem der beliebten Fluchträume, miteinander zusammenhängen.

Allein der hohe Abwechslungsreichtum und die vielseitige Bandbreite der einzelnen Aufgaben veranschaulicht, dass den Entwicklern die Fortschritte der letzten Jahre in dieser Disziplin offenbar voll und ganz bewusst waren. Da müsst ihr mal die Weichen einer Modelleisenbahn so schalten, dass der Zug die einzelnen Waggons an ihrem Parkplatz abholt, oder die Puppen beim Kaffeekränzchen anhand logischer Verknüpfungen ihren Besitzern zuordnen. In der Küche gilt es, die Gewichte einer Waage auszubalancieren, um die richtige Menge an Zutaten für den Eintopf herauszufinden, die Juwelen am Collier der Diva müssen in der richtigen Reihenfolge gedrückt werden, damit sich am Ende die passenden Farben fürs gewünschte Muster einstellen, und in einem pfiffigen Trinkspiel müssen die zur Verfügung stehenden Getränke in der passenden Menge konsumiert werden, damit der letzte vergiftete Schluck schlussendlich für euer Gegenüber übrigbleibt und nicht euch selbst ereilt.

So erfreulich dieser allgemeine Sprung in Qualität und Ideenreichtum zu registrieren ist, so abermals schwankend fällt insgesamt allerdings das Niveau der Rätsel aus. Denn ganz der Tradition des Originals verhaftet, gibt es sie natürlich auch wieder: die Schiebe- und Schachrätsel, die Puzzle und Labyrinthe. Hinzu kommt, dass das Spiel die Regeln und Aufgabenstellungen nicht erklärt, sondern es dem Spieler überlässt, diese zu ergründen. Nicht selten verbringt man die ersten Minuten eines Rätsels in völliger Ratlosigkeit, was eigentlich zu tun ist. Doch das ist Absicht. Der Lern- gehört zum Lösungsprozess dazu. Wer längere Zeit auf dem Schlauch steht, dem gibt das Spiel nach einer Weile dezente Hinweise in die zu denkende Richtung. Auf Wunsch lassen sich einzelne Puzzle auch komplett überspringen, wenn man die Lust oder Nerven gänzlich verliert.

Doch man verzeiht ihm gerne manche Einfallslosigkeit, verlässt sich das Spiel doch ganz und gar auf den Zugewinn durch die VR-Erfahrung, ja, es scheint gar, als seien sich die Entwickler mancher Unzulänglichkeiten voll bewusst und zwinkerten dem Spieler ständig neckend zu, als wollten sie sagen: „Wir wissen selbst, dass das Damenproblem beim Schach ’ne fürchterlich olle Kamelle ist. Aber hey, schau mal wie cool es wird, wenn du die Figuren in VR mit deinen eigenen Händen verschieben kannst!“ Selbst so ein alter Hut wie ein Puzzle wirkt auf einmal wieder modern und originell, wenn man in virtueller Dreidimensionalität die geometrischen Teile eines Hackfleischberges (!) zu einem Zylinder formen muss.

Apropos Hut: Gelegentlich und immer dann, wenn The 7th Guest seine Inspiration direkt aus der virtuellen Realität seines Erlebnisses zieht, schwingt es sich zu seinen Glanzstücken auf, etwa in dem köstlichen Rätsel, in dem wir mit unserer Hand in einen Zauberzylinder greifen, die dann wie in Portal aus einem anderen Zylinder an gänzlich anderem Ort wieder herauskommt und derart an Dinge gelangt, die außer Reichweite liegen. Oder das Rätsel mit den Kakerlaken im gammligen Badezimmer, denen mit einer Lampe, List und Tücke der Weg vorbei an garstigen Spinnen gelotst werden muss. Generell geht es in nahezu jeder Szene darum, Gegenstände zu greifen, zu schieben oder zu drücken und damit um das, was das Medium VR zum gegenwärtigen, immer noch recht frühen Zeitpunkt seiner Geschichte so faszinierend haptisch scheinen lässt.

Geisterhaus in VR

Und damit sind wir schlussendlich beim wesentlichen, alles bestimmenden Punkt des neuen 7th Guest angekommen: dem VR-Eindruck selbst natürlich. Es ist schon erstaunlich als Spieler des Originals, der die vorberechneten, aus heutiger Sicht primitiven Videoszenen des Originals seinerzeit als grafisches Wunderwerk und „fotorealistisches“ Nonplusultra wahrgenommen hat, all dies heute in flüssiger, extrem detaillierter und frei begehbarer Mittendrin-Erfahrung zu erleben. Vom ersten Moment an kann man gar nicht anders als sich ehrfurchtsvoll gewahr zu werden, welch gewaltigen Fortschritt die Computertechnik in den letzten 30 Jahren vollzogen hat.

Das gesamte Stauf-Anwesen, das im Original noch auf den Schienen vorgefertigter Videos durchquert wurde, wirkt in der neuen virtuellen Unvermitteltheit atemberaubend detailliert und gegenwärtig: die Spinnweben in den Ecken, jedes Staubkorn auf den rostigen Ritterrüstungen und Schrammen in den Holzdielen, die opulenten antiken Möbel und die prächtigen Gemälde an den Wänden, in denen man jeden einzelnen Pinselstrich zu erkennen meint und die den Spieler unheimlich zu beobachten scheinen, wenn sie im Lichtkegel der Taschenlampe plötzlich aufblitzende, geisterhafte Fratzen offenbaren.

Dass es die Entwickler ernst meinen mit ihrem VR-Ableger und nicht lediglich eine halbherzig als Hommage getarnte Neuauflage des Originals anstreben, zeigt sich bereits in der Eröffnungsszene, die die Anreise zum Geisterhaus schildert und die es im Original gar nicht gab. Nur schemenhaft zeichnet es anfangs seine bedrohliche Silhouette vor der kristallklaren Kuppel des Sternenhimmels ab, bis es sich ganz allmählich aus dem Dunkel schält und dann in aller grausamer Pracht vor einem steht.

Dabei erhält man auch sofort ein gänzlich neues Spielelement, das direkt zu Beginn veranschaulichen soll, dass auch spielerisch Einiges anders ist: die Zeitreise-Lampe, deren Lichtkegel einen Ausschnitt in die Vergangenheit erhellt, als das Anwesen noch nicht dunkel und verlassen, sondern hell und prunkvoll war, und die auch regelmäßig in diversen Rätseln zum Einsatz kommt. Die gammligen Zwiebeln und Würste für die zu kochende Suppe etwa werden im Schein der Lampe wieder frisch und knackig, und der zerbrochene Spiegel setzt sich bei Beleuchtung wieder zusammen, um sein Geheimnis preiszugeben.

Abgesehen davon finden Fans des Original alles an seinem angestammten Platz wieder: linkerhand der großen Treppe das Speisezimmer, gegenüber davon die Bibliothek und das Musikzimmer und oben die Räume der sechs Gäste, sowie das bedrohliche Ölportrait des Hausherrn, das schon im Original ein gruseliges Geheimnis barg. Immer wieder spielt das Remake auf solcherlei ikonische Szenen an, die Fans bis heute in Erinnerung sein dürften, allerdings ohne sie je 1:1 zu kopieren: der grüne Kuchen auf dem gedeckten Tisch, die unheimliche Begegnung in der Badewanne oder der geistreiche Besuch aus dem Suppenkessel, für dessen CGI-Morphing-Effekt ein Jahr zuvor der Film Terminator 2 den Oscar für seine Spezialeffekte gewonnen hatte – und jetzt sah man das in einem Computerspiel?! Nur an diesem Beispiel ist wahrscheinlich Spielern von heute vermittelbar, welch Sensation das Original seinerzeit darstellte.

Skeletons in my Closet

Die Geschichte des Spiels wiederum blieb weitgehend unverändert, wurde allenfalls etwas entwirrt, fiel sie doch im Original teils arg konfus aus. Abermals geht es um den einst mittellosen Spielzeugmacher Henry Stauf, dessen Nachname sicherlich nicht zufällig ein Anagramm des goethe’schen Faust bildet.

The 7th Guest VR - Trailer zum VR-Remake des Spiele-Klassikers

The 7th Guest VR ist ein Remake des CD-ROM-Klassikers für Quest und PSVR2.

Wie dieser geht Stauf einen Pakt mit dem Teufel ein, der ihm zu unvorstellbarem Reichtum verhilft zum Preis seiner Seele. Jedes Kind, das mit seinen Spielsachen in Kontakt gerät, wird verflucht und speist seine unheilige Macht, die ihn schließlich in die Lage versetzt, sein Herrenhaus zu bauen, in dem sein letzter teuflischer Plan der Vollendung harrt: Sechs Gäste folgen eines Abends einer ominösen Einladung dorthin. Wer im Verlaufe der Nacht die Rätsel des Gastgebers zu lösen vermag, dem wird die Erfüllung der sehnlichsten Wünsche versprochen. Doch wie es in solcherlei Gruselgeschichten nunmal so ist, verkehren sich Wünsche in ihr grausames Gegenteil, sobald sie Wirklichkeit werden. Letzte Hoffnung tritt in Form eines ungebetenen, geheimnisvollen siebenten Gastes in Erscheinung, der dem Geschehen heimlich beiwohnt und als Einziger den Fluch zu brechen vermag …

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Die FMV-Szenen, die diese Geschichte im Original erzählten, galten seinerzeit als Sensation, sind heute aber vor allem für ihr bisweilen dilettantisch wirkendes Overacting in Erinnerung, das insbesondere im Intro an die expressive Mimik alter Stummfilme erinnerte. Die Art und Weise, wie sich nun The 7th Guest VR dieser Darstellungsform nähert und sie in die Virtuelle Realität überträgt, kann kaum anders als mit Staunen honoriert werden.

Denn abermals werden die Rollen der geisterhaften Gäste von echten Schauspielern verkörpert, deren Verschmelzung mit der Computergrafik des virtuellen Raums vorzüglich glückt und sich wie das Original zumindest für den Augenblick das Prädikat „fotorealistisch“ verdient hat. Und wenn das Schauspiel dann doch gelegentlich zur theaterhaften Übertreibung neigt, nimmt man das gerne als Hommage an den Trash-Charakter eines eben ganz und gar nicht zeitlosen Klassikers der Spielegeschichte wahr.

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