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Test - Wild Hearts : Der erhoffte Monster-Hunter-Killer?

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Mit Monster Hunter stellt Capcom seit Jahren den unangefochtenen Platzhirschen im Jagdspiel-Genre. Böse Zungen behaupten gar, es gäbe keine echte Konkurrenz. Anscheinend vertreten Koei Tecmo und EA eben diese Ansicht und schicken mit Wild Hearts einen Herausforderer auf die Pirsch. Als internes Entwicklungsstudio zeichnen die Dynasty-Warriors-Macher Omega Force verantwortlich. Anstelle von Musou-Tugenden wie abertausenden Gegnern und stumpfem Button-Mashing stehen jedoch komplexe Mechaniken, belohnende Kombos und riesige Monster auf dem Plan. Im Vergleich zum großen Vorbild werden einige Elemente entschlackt und teilweise sogar verbessert. Aber reicht das für den Genre-Thron?

Ein markerschütternder Urschrei lässt den Alten Turm beben. Panisch rennt ein Jäger durch ein Loch in der Wand des verfallenen Gebäudes, verstaut seinen Bogen auf dem Rücken und nimmt einen schnellen Schluck aus der Heilwasser-Flasche. Hinter ihm tobt der Frostgrim, mit seinem eiskalten Atem friert der wütende Schneewolf die komplette Umgebung ein und haut mit seinen mächtigen Pranken nach dem bedauernswerten Menschen, der sich seine Berufswahl in dieser Sekunde wohl noch einmal überlegt. Doch für Bedauern bleibt keine Zeit, denn die Karakuri-Falle schnappt zu und ein Angriffsfenster öffnet sich. Der Pfeil wird in die Sehne gelegt und nach einem kurzen und tiefen Einatmer erfolgt der hoffentlich finale Schuss.

Wie diese Situation endete, behalte ich lieber für mich. Aber seid versichert, in Wild Hearts erlebt ihr ähnlich schweißtreibende Momente am laufenden Band. Und wenn euch das alles nun verdächtig bekannt vorkommt, dann vermutlich, weil die Entwickler von Omega Force sich kräftig von Monster Hunter aus dem Hause Capcom inspirieren ließen. Nach 30 Stunden mit dem Jagdspiel der Dynasty-Warriors-Macher kann ich aber Entwarnung geben: Wild Hearts stellt weit mehr dar als nur einen Klon der Erfolgsformel, auch wenn haufenweise Ähnlichkeiten bestehen. Der Kern-Kreislauf aus Kemono verhauen, Teile sammeln, größere Waffen bauen, noch fettere Viecher verkloppen und wieder von vorne bleibt jedoch unangetastet.

Die Waffen: leicht zu erlernen, schwer zu meistern

Im Vergleich zu den 14 Waffentypen von Monster Hunter Rise kommt euch die Auswahl von Wild Hearts eventuell etwas dünn vor. Acht Kategorien reichen aber vollkommen aus, sofern sie sich genügend unterscheiden. In diesem Punkt verleihe ich Omega Force feierlich den goldenen Jagdteller des gelungenen Arsenals. Die Auswahl erinnert größtenteils an Capcoms Konkurrenten, fasst sich bisweilen aber deutlich anders an.

Das Karakuri-Katana spielt sich weitestgehend traditionell, verwandelt sich in seiner Spezialform aber in ein mächtiges Kettenschwert. Beim Nodachi handelt es sich um das klassische Großschwert: langsame Angriffe, die ihre volle Wucht erst nach einer langen Aufladezeit entfachen. Über den Bogen muss ich wohl wenige Worte verlieren. Ein wichtiger Unterschied ist aber, dass ihr keine Munition mitführen müsst, sondern uneingeschränkt aus allen Rohren feuert. Der Hammer markiert die langsamste Waffe von Wild Hearts, belohnt aber durch starke Angriffsketten und absurde Schadenszahlen.

Der Klingen-Wagasa funktioniert ähnlich wie die Insektengleve und bietet als einziger Prügel die Option zum Parieren. Wenig anfangen konnte ich mit der Handkanone. Stumpf und ohne Munitionsnot drauflosballern empfinde ich als wenig befriedigend. Die Krallenklinge hingegen imitiert die Dual-Blades, ohne sie direkt zu kopieren. Am interessantesten für mich gestaltete sich aber der Karakuri-Stab. Denn effektiv verbergen sich ganze vier Waffen auf einmal in dem Stecken. Ähnlich wie in Bloodborne transformiert ihr den Prügel, was vielfältige und befriedigende Kombos ermöglicht, die nach genügend Aufladungen in einem fetten Finisher enden – sofern das Angriffsfenster groß genug ausfällt.

In meinen bisher 30 Stunden mit Wild Hearts habe ich mich vornehmlich auf den Bogen, den Hammer und den Karakuri-Stab beschränkt. Alleine das dürfte schon zeigen, wie viel Zeit es benötigt, eine einzelne Waffe tatsächlich zu meistern. Hier liegt wie schon bei Monster Hunter auch der große Reiz: viele Runden zu spielen, um Bewegungsabläufe und Kombos zu verinnerlichen und anfangs schier unbesiegbare Monster gnadenlos zu dominieren.

Selbstverständlich wäre ein Monster-Hunter-like nichts ohne vielfältige Upgrade-Möglichkeiten für euer Arsenal. Hier zeigt sich Wild Hearts herrlich offen. Letztlich finden sich alle Varianten einer Gattung in einem riesigen Skilltree, theoretisch könnt ihr links oben anfangen und euch nach rechts unten vorarbeiten. Oder ihr geht den Pfad einfach geradlinig und ohne Abzweigungen nach unten. Die Skills vererbt ihr dabei von Waffe zu Waffe und schustert so den für euch perfekten Prügel. Ein interessantes System, das freilich weniger bietet als Monster Hunter mit seinen Talismanen. Durch das Vererben fällt das Crafting aber nie zu simpel aus und der Grind nach Monsterteilen für den einen mächtigen Bogen und die damit verbundene Planung der Route durch den Skilltree motivieren ungemein. Bei den Rüstungsteilen gestaltet sich das System hingegen simpler, ein Set pro Kemono und dazu noch stärkere Varianten in zwei Sonderpfaden, das war es schon.

Die Karakuri: Ersatz für Blitzbomben, Fallen und Co.

So ziemlich jeder Monster-Hunter-Veteran kennt diesen Moment: Ihr brecht zu einer Jagd gegen einen Rathian auf, habt aber vergessen, Blitzbomben und Gegengift einzupacken. Keine Chance also, das Biest vorzeitig vom Himmel zu holen und dem ekelhaften Statuseffekt entgegenzuwirken. Dieses Problem räumt Wild Hearts – zumindest ansatzweise – mit den Karakuri aus der Welt.

Letztlich handelt es sich bei den beschwörbaren Objekten um klassische Items. Allerdings müsst ihr keine bestimmten Ressourcen mitführen oder an Crafting-Stationen Rast machen, um sie zu erstellen. Stattdessen errichtet ihr sie jederzeit, im Kampf oder einfach bei der Erkundung der vier weitläufigen Gebiete. Vorausgesetzt, ihr habt genug Karakuri-Fäden an speziellen Felsen oder durch erfolgreiche Angriffe gesammelt. So entsteht ein konstanter Fluss von Angriffen und Beschwörungen, der einiges an Zeit braucht, bis ihr ihn verinnerlicht habt. Zumal der Bau der Karakuri sich in hitzigen Situationen durchaus fummelig gestalten kann, sodass ihr schnell mal ein falsches Konstrukt errichtet.

Besonders stark ins Gewicht fällt das, wenn die Fusions-Karakuri ins Spiel kommen. Kombiniert ihr Sprungfedern, Kisten, Fackeln und andere Basisobjekte in der richtigen Zusammenstellung, entsteht beispielsweise eine Falle. Auch Statuseffekten wirkt ihr mit den Beschwörungen entgegen. Der interessante Ansatz fällt Wild Hearts bisweilen aber auf die Füße. Beispielsweise schaltet ihr die Gegengift-Kombi nur frei, führt ihr spezielle Basis-Karakuri beim Kampf gegen den Düsterschnabel mit. Bei mir lief es so blöd, dass ich absurd lange ohne die Formel für das Antitoxin herumirrte. Das sorgte für einige Frustmomente.

Etwas anders funktionieren die Drachen-Karakuri. Diese errichtet ihr mit natürlichen Ressourcen, die ihr durch die Aktivierung und Aufwertung spezieller Brunnen (im Spiel Drachenschlund genannt) erhaltet. Sie bereichern die Gebiete von Wild Hearts ungemein. Wohl am nützlichsten gestalten sich Seilschießer, die euch mit Ziplines schnell von A nach B bringen. Aber auch Zelte sind ungemein wichtig, sie schaffen neue Schnellreisepunkte. Jagdtürme hingegen solltet ihr mehr bauen als die Stadt München „bezahlbaren Wohnraum“. Sie scannen die Umgebung und zeigen euch an, wo sich Monster in der Nähe befinden.

Sämtliche Karakuri hier aufzuführen würde jeglichen Rahmen sprengen. Es lohnt sich aber in jedem Fall, einige Zeit in das Studium der Möglichkeiten zu investieren. Denn Wild Hearts bietet einen eigenen Skilltree für die beschwörbaren Objekte, in dem ihr neue freischaltet und bereits erworbene verstärkt. Sprungfedern, Bomben, Heilbrunnen, Futter-Sammelstellen und noch so vieles mehr buhlt um eure Gunst.

Die Monster: Tiergötter im Zornesrausch

Abwechslungsreiche Waffen schön und gut, spaßiges Karakuri-System toll und fein, aber ohne ein ganz bestimmtes Element kann sich jeder Monster-Hunter-Konkurrent direkt gehackt legen: beeindruckende Biester. Hier fährt Omega Force mit den Kemono einen etwas anderen Ansatz als Capcom. Denn sie orientieren sich, wenn bisweilen auch sehr lose, an Tiergöttern der japanischen Mythologie. Diese Inspiration schlägt sich nicht nur im Design der Monster nieder, auch ihre Fähigkeiten entlehnen sich den Vorlagen.

Beispielsweise der Lavarücken, ein riesiger Affe, der euch seinem Namen entsprechend mit Feuerbällen die Hölle heiß macht. Blütenschwänzchen, Zederngeißel und Floragrunzer hingegen lassen Ranken aus dem Boden schießen und holen euch mit anderen Erd-Fähigkeiten zurück auf den Boden der Tatsachen. Der knuffige Donnermarder hingegen pfeffert euch keine Blitze um die Ohren, sondern manipuliert Eisensand durch magnetische Kräfte. Von einigen Kemono stellen sich euch zudem Varianten mit anderen Elementen entgegen. Passende Ausrüstung und Vorbereitung vor jeder Jagd sind also unabdingbar – spätestens, sobald ihr euch den mächtigen Formen stellt.

Bei diesen handelt es sich letztlich um die High-Rank-Versionen der Kemono. Wie auch in Monster Hunter ändert sich ihr Moveset, sie hauen stärker zu und werden öfter wütend. Hier zeigt sich aber auch eine deutliche Schwäche von Wild Hearts: Die Biester tracken euch bisweilen viel zu heftig. Anders ausgedrückt, ihr könnt ihren Angriffen kaum entgehen, weil sie euch regelrecht verfolgen. Zumal sie in teilweise absurd schnellen Abfolgen attackieren, mit nur winzigen Openings für Gegenschläge eurerseits.

Ein persönliches Problem habe ich tatsächlich mit der Namensgebung der Kemono. Die deutlich cooleren japanischen Bezeichnungen tauchen im Spiel zwar auf, werden aber effektiv nicht verwendet. Der Erdspalter trägt noch einen der besseren Titel, aber Kunin'arashi flößt einem doch tausendmal mehr Respekt ein. Wie auch immer ihr die Kemono letztlich nennt, ein Blick in die Enzyklopädie schadet keinesfalls. Hier findet ihr ausführliche Informationen zu Stärken, Schwächen und darüber, welche Teile ihr erbeuten könnt.

Die Basis: Stadt oder mobiles Lager, eure Wahl

Natürlich kommt Wild Hearts nicht ohne eine Stadt aus, die als Hub-Level fungiert. Hier heißt sie Minato und beheimatet die typischen Einrichtungen. Laden, Schmiede, diverse Nebenquest-Geber, heißes Quellbad, das euch mit Buffs versorgt und haufenweise NPCs verlangen nach eurer Aufmerksamkeit. Wenn euch der ganze Trubel zu viel wird, errichtet ihr einfach eine mobile Basis. Alleine die portable Schmiede schickt den Sinn einer Rückkehr nach Minato oftmals in die ewigen Jagdgründe. Passend dazu verfrachtet euch Wild Hearts nach Quests nicht zwangsweise zurück in die Stadt, wie es bei Monster Hunter nervige Tradition ist. So hängt ihr ohne Probleme mehrere Jagden nahtlos aneinander.

Kaufwarnung für Besitzer von AMD-Grafikkarten

Wenn ihr auf dem PC jagen wollt und eine Grafikkarte mit RDNA 3 verbaut habt, dann empfehle ich euch aktuell dringend, mit dem Kauf von Wild Hearts zu warten. Auf meinem ursprünglich angedachten Testsystem mit einer 7900 XTX kam es zu heftigen Grafikfehlern, siehe Screenshot. Diese verursachen allem Anschein nach Probleme mit Screen Spaced Reflections (SSR). Ausschalten lässt sich die Technik im Spiel aktuell nicht. Durch die stark flackernden Quadrate (Artefakte) wird Wild Hearts für Epileptiker und andere Personen, die Probleme mit blinkenden Lichtern haben, sogar zur Gesundheitsgefahr. Ob und wann ein Update kommt, der die Fehler behebt, konnten mir die Entwickler zum Schreib-Zeitpunkt dieses Artikels nicht sagen. Der Day-One-Patch schaffte jedenfalls keine Abhilfe.

In Sachen Multiplayer läuft Wild Hearts deutlich intuitiver als Capcoms Vorbild, was sich zugegeben nicht sonderlich schwer gestaltet. Quests tretet ihr direkt über die Map bei oder sucht euch am Lagerfeuer eine Truppe. An Jagdtoren, die in den Gebieten verstreut sind, beantwortet ihr zudem Hilfsgesuche. Bis zu drei Jäger ziehen gemeinsam los und die Kemono skalieren entsprechend. Zu leicht macht es euch das Spiel allgemein nicht, so kommt also jede Hilfe gelegen. Warum aber der Story-Fortschritt nur zählt, wenn ihr am selben Punkt der Geschichte wie der Host steht, das erschließt sich mir nicht. Dafür läuft Crossplay ausgesprochen rund.

Nicht ganz verständlich fällt für mich die Entscheidung aus, bereits bei einer Zweier-Gruppe die Tsukomo zu entfernen. Diese kleinen lebendigen Holz-Kugeln fungieren als Palico-Ersatz, sie unterstützen euch bei Solo-Ausflügen also mit Heilbrunnen, Attacken oder indem sie die Aufmerksamkeit der Monster auf sich ziehen. Durch das erwähnte heftige Tracking der Kemono und den allgemein deftigen Schwierigkeitsgrad gehören sie meiner Meinung nach immer ins Spiel, unabhängig von der Teamgröße. Wie die Kätzchen aus Monster Hunter eben auch.

Die Technik: Ein Trauerspiel

In Sachen Artdesign orientiert sich die Welt Azuma stark an der Samurai-Zeit Japans. Die Gebiete zeigen sich dank verschneiten Pagoden, saftigen grünen Feldern und idyllischen Seelandschaften durchgehend stimmig. Die durch die Kemono verursachten Schäden verleihen den Umgebungen eine Glaubhaftigkeit, die mir in Monster Hunter bisweilen fehlt. Kombiniert mit den authentisch anmutenden Rüstungen und Waffen negiert der Stil gekonnt, dass Wild Hearts rein grafisch gesehen massiv Luft nach oben lässt. Ja, selbst Monster Hunter World sieht noch besser aus.

>> Zehn Alternativen zu Monster Hunter: Die besten Games für Jäger und Sammler <<

Umso verwunderlicher fallen entsprechend die technischen Probleme auf, die mir im Zuge meiner Testphase unterkamen. Zumal der Titel nur auf Next-Gen-Konsolen und PC erscheint. Hauptsächlich unterwegs war ich auf der Playstation 5 und hier bot sich nicht selten ein Bild des Grauens. Framerate-Einbrüche in den einstelligen Bereich, mehrere Sekunden lange Ladezeiten und emotionslose Gesichter stehen an der Tagesordnung. Daran änderten auch die beiden bisher veröffentlichten Updates inklusive Day-One-Patch nichts.

Wild Hearts - Welcome to Minato Story Trailer

Der neue Trailer "Welcome to Minato" beleuchtet die Story im Monster-Hunter-Konkurrenten Wild Hearts etwas genauer.

Als ob diese Probleme den Jagdspaß nicht schon genug trüben würden, beißt auch der Ton hin und wieder aus. Entweder spielen gar keine Soundeffekte ab oder sie kommen mehrere Sekunden verzögert. Das stört nicht nur beim Gesamteindruck, es erschwert den gesamten Ablauf ungemein. Und selbst auf einem potenten PC läuft Wild Hearts nicht rund, Besitzer einer AMD-Grafikkarte sollten mit dem Kauf aktuell sogar noch warten – siehe Infokasten oben zur RDNA-3-Problematik. Auf technischer Seite muss Omega Force also dringend nachbessern.

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