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Test - Call of Duty: Modern Warfare 2 : Ein Top-Shooter, aber nur zur Hälfte

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Wisst ihr noch, was 2019 in Call of Duty: Modern Warfare passiert ist? Ich nicht mehr. Müsste ich die Ereignisse darum nicht wenigstens nachlesen? Schließlich setzt Modern Warfare 2 danach an. Nein, das spare ich mir. Es wird sicherlich um Terroristen, Anschläge und eine US-Spezialeinheit als Weltenretter gegangen sein – das war schon immer so und ist es auch heuer wieder. 

Die altbekannten Haudegen Captain Price, Soap, Gaz und Ghost sollen einen Terroristen platt machen, der seinerseits den Westen platt machen will, und zwar mit geklauten Raketen. Das geht natürlich gar nicht klar, also zieht die Truppe los und tut, was sie am besten kann: jede Menge Leute umlegen.

Charakter und Tiefe? Friss Blei, Idiot!

Dazu gibt es reichlich Gelegenheit, denn der böse Sprengkopf-Stibitzer macht gemeinsame Sache mit einem mächtigen mexikanischen Drogenkartell. Glücklicherweise gibt es mit Neuling Alejandro Vargas einen knallharten, unbestechlichen und – auch das gehört verpflichtend zum CoD-Profil – patriotischen Spezialeinheiten-Kommandanten, der Price und Co. in Mexiko zur Seite steht. Seine deutsche Synchronstimme erinnert mich aufgrund des starken Akzents an den gestiefelten Kater aus den Shrek-Filmen. Aber ein bisschen Comedy steckt in jedem Call of Duty.

Beim Thema Charakterzeichnung geht Modern Warfare 2 gewohnt “feinfühlig” zu Werke. Das Beispiel Holzhammer ist zu schwach, viel besser passt Abrissbirne: Price ist der bärbeißige Anführer, der seine Jungs auch aus der zugefrorenen Hölle freischießen würde. Ghost war schon zweimal da unten und sieht sämtliche Krisengebiete der Welt seitdem als Urlaubsorte an. Soap gibt den kampfgestählten, etwas brummeligen Part und Gaz mimt den engagierten Jungspund, der keine Fragen stellt, sondern sich voll reinhaut.

An einigen Stellen wird versucht, mit kleinen Frage-Antwort-Spielchen etwas Persönlichkeit in die Figuren zu prügeln. Beispielsweise halten Price und Gaz auf einem Scharfschützen-Einsatz ein lockeres Schwätzchen über ihre militärischen Fähigkeiten, das lediglich für ein paar Kopfschüsse unterbrochen wird. Auf welche Sätze ich während solcher Unterhaltungen klicke, spielt keine Rolle, denn mehr als “Wir sind krass drauf und retten die Welt” kommt am Ende nicht dabei herum.

Ballern auf Befehl

An Missionen erlebe ich unter anderem einen Undercover-Einsatz im (ausgesprochen hübschen!) Amsterdam, Häuserkämpfe an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, die Rettung von Kameraden aus einem Gefängnis und Feuergefechte bei völliger Dunkelheit. Die meiste Zeit mache ich dabei, was das Spiel von mir verlangt. Doch das klappt nicht immer auf Anhieb. Laufe ich nach links und nicht nach rechts, geht es zurück zum letzten Checkpoint. Schieße ich drauflos, ohne das entsprechende Signal bekommen zu haben, passiert das Gleiche.

Der unsichtbare Regisseur pfeift auf Egoismus und Kreativität, sondern verlangt nach meiner vollständigen Unterordnung. Alles für den Plot, alles für die Inszenierung. Schließlich muss ich an der richtigen Stelle stehen, wenn ein Gebäude in die Luft fliegt oder ein KI-Kamerad den Kerl absticht, der im Nebenzimmer brav auf unsere Ankunft wartet. Dynamische oder überraschende Ereignisse sind ganz selten und schneller vorbei, als ich ein Magazin nachladen kann.

Geht es ans Eingemachte, verhalten sich die vermeintlichen Elitesoldaten um mich herum ähnlich deppert wie das feindliche Fallobst. Manchmal stehen sie kerzengerade im Kugelhagel und kassieren genug Treffer, um dreimal mausetot zu sein. Doch Price und Co. überleben selbst neben ihnen detonierende Granaten, sofern das Spiel keine anderen Pläne hat. Statt unter Beschuss schleunigst eine Tür zu öffnen oder in ein Auto einzusteigen, warten die Kameraden seelenruhig darauf, dass ich in die Gänge komme. Ohne mein Zutun geht es in vielen Fällen einfach nicht weiter. Da fühle ich mich nicht als Teil einer Spezialeinheit, sondern wie der Anführer einer Bande von Lemmingen mit Sturmgewehren.

Nur selten lockert Modern Warfare 2 das knallenge Korsett und lässt mich in Gebieten halbwegs frei herumlaufen und reichlich böse Jungs mit dicken Wummen durchlöchern. Das spielt sich so blitzsauber wie eh und je: Steuerung und Trefferrückmeldung sind erste Sahne und auch die Soundeffekte (vor allem bei großen Kalibern) knallen mächtig rein. Im Hinblick auf die Faktoren Action und Spielbarkeit sind das die stärksten Momente der Kampagne.

Call of Duty: Modern Warfare 2 - Offizieller Trailer zum nahenden Release

Zwei Tage vor der offiziellen Veröffentlichung von Call of Duty: Modern Warfare 2 gibt es hier den Launch-Trailer für euch.

Insgesamt spult Entwickler Infinity Ward jedoch allzu routiniert, ja beinahe gelangweilt sein Programm ab: gelegentliche Schleichgänge, einige große Explosionen, ein Angriff mit dem Kampfflugzeug, etwas Sniper-Action und regelmäßig Sprüche der Marke “Töten ist geil”. Diese Attitüde samt der Schwarzweiß-Einteilung in Gut und Böse ist auch 15 Jahre nach dem ersten Modern Warfare mehr als fragwürdig und schwer verdaulich. Positiv ist allein, dass diesmal auf eine Mission wie das Flughafen-Massaker aus dem Original verzichtet wird.

Neuerungen fallen also komplett unter den Tisch? Nein, es gibt sie. Manchmal muss ich durch ein feindliches Gebiet schleichen und dabei Schrott sammeln, um daraus Waffen und Hilfsmittel basteln zu können. Das Baumaterial liegt zwar auf dem Präsentierteller und für die Herstellung reicht ein Knopfdruck, dennoch sorgen diese Passagen für Auflockerung und sogar etwas Spannung: Die ruhige Gangart gepaart mit etwas mehr Bewegungsspielraum geben mir das gute Gefühl, mal nicht streng nach Vorschrift zu handeln. Dagegen zählt die Verfolgungsjagd mit Fahrzeugen zu den mit Abstand beschissensten Missionen, die ich je in einem CoD erlebt habe: Sie steuert sich schlecht, ist inhaltlich überladen und dauert viel zu lange.

Grafische Schwankungen

Hochmoderne Photogrammetrie, Hybrid-Streaming-System, PBR-Decal-Rendering-System, weltweite volumetrische Beleuchtung, neue GPU-Geometrie-Pipeline – keine Ahnung, wen Infinity Ward und Activision mit solchen technischen Angaben beeindrucken wollen. Am Ende ist nur wichtig, ob Modern Warfare 2 gut aussieht. Und das tut es: Eine scharfe 4K-Auflösung, eine differenzierte und intensive Beleuchtung mit starken HDR-Kontrasten, realistische und ausdrucksstarke Gesichter der wichtigsten Protagonisten oder auch hübsch eingerichtete Häuser sowie Geschäfte stehen auf der Habenseite.

Schaue ich jedoch genauer hin, fallen einige Macken auf. Das oben erwähnte Streaming-System lädt in Echtzeit hochaufgelöste Texturen ins Spiel, allerdings zu spät und sehr offensichtlich. NPC-Gesichter, Häuserwände und Vegetation stellen sich häufig erst scharf, wenn ich unmittelbar daran vorbeilaufe. Ohne das Streaming sehen manche Oberflächen wiederum aus, als hätte man eine billige Tapete drüber geklebt. Pop-ups sind häufig und teils so krass, dass aus dem Nichts Gräser, Büsche oder Felsen auftauchen. Zudem fallen einige unsaubere Animationen auf: Da rutscht der KI-Kollege über den Boden, anstatt seine Füße zu bewegen oder spult mehrmals hintereinander die gleiche Bewegung ab.

Schimpft mich kleinkariert, aber eine derart stringent ablaufende Kampagne sollte technisch deutlich geschliffener sein. Wenn ich schon stumpfe Action zocke, dann bitte hochklassig inszeniert und mit grafischen Wow-Effekten garniert. Doch vieles in Modern Warfare 2 erinnert mich an die CoD-Teile längst vergangener Jahre.

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