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Test - Sakuna: Of Rice and Ruin : Animal Crossing als Prügelspiel. Hä?

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Irre, dass mich Videospiele selbst nach so vielen Jahren immer noch überraschen können. Man lernt nie aus. Oder wisst ihr vielleicht, wie man Reis anbaut? Ich jetzt schon! Nach etlichen Stunden mit Sakuna: Of Rice and Ruin kenne ich jeden Arbeitsschritt dieser mühevollen Arbeit und hatte obendrein viel Spaß bei deftigen Sidescroller-Prügeleien.

Nie im Leben wäre diese Spielidee an der Chefetage eines großen Publishers vorbeigekommen. Es wäre mit diversen Begründungen einkassiert worden: zu ziellos, zu edukativ, zu … schräg. Ich vermag ja kaum, einem der beiden Richtungen des Spielablaufs eine dominante Führungsrolle zuzuschreiben: Ist es nun ein Prügel-Plattformer, dem eine Reisfeld-Simulation anhängt, oder umgekehrt?

Irgendwie ist es beides gleichzeitig zu gleichen Teilen, und die meiste Zeit über vollzieht das Spiel seine Arbeit vorzüglich: Es unterhält prächtig, gerade weil es keinem bekannten Muster folgt. Zwar in einer etwas schrägen Weise, aber mit absoluter Bestimmtheit. Mir war keine Sekunde langweilig, nicht einmal beim Grinden. Aber bevor ich jetzt zu weit vorauseile, sollte ich zuerst erklären, worum es überhaupt geht.

Ein spielbarer Anime

Als zentrale Spielfigur dient die fernöstliche Göttin des Anbaus. Sie mag aussehen wie ein Kind, ist aber schon Tausende Jahre alt, trinkt gerne mal einen über den Durst und langweilt sich im Rückzugsort der Götter zu Tode. Zumindest, bis eines Tages eine Menschenfamilie auf der Suche nach Nahrung eben dieses Reich betritt und Chaos anrichtet. Sakura verschaffte der Familie im Suff Zugang zur göttlichen Speisekammer und wird deswegen gemeinsam mit ihr auf eine Insel verbannt. Dort soll sie die Landschaft erkunden, Dämonen verjagen und Reis anbauen.

Selbst Hand anlegen? Sich die Finger schmutzig machen? Geht’s noch? Die verwöhnte Astral-Göre geht nicht freiwillig, aber sie fügt sich letztendlich ihrem Schicksal, zumal sie die geplagten Menschen dadurch mit Arbeit und Essen versorgt. Zusammen lernen, schuften und speisen sie an einem Tisch. Und ich als Spieler schaue ihnen sozusagen über die Schulter.

Die Familie stellt eine behutsam gestaltete Ansammlung gängiger Anime-Klischees dar: Ein feiger, fetter Möchtegern-Samurai mit dicker Knollennase mimt das Familienoberhaupt, seine liebliche und geduldige, gertenschlanke Frau sorgt sich um zwei Sprösslinge, die sich gerne in den Haaren liegen, aber geschickte Handwerker abgeben, sowie ein nerviges, brabbelndes Kleinkind. Sie lassen sich zusammen mit Sakura auf der Spitze eines kleinen Berges nieder, auf dem bereits ein Reisfeld ausgehoben wurde.

Ich gebe zu, so richtig aufmerksam war ich bei der Vermittlung der Rahmenhandlung nicht. Ich war zu sehr vom schönen Drumherum gefesselt, etwa vom unglaublich sauber gerenderten Zeichentrickstil und der professionelle Sprachausgabe mit typischem Tonfall und Stimmfarben. Die Sakuna-Sprecherin passt wie die Faust aufs Auge, wird mir mit ihrer quäkigen (englischen) Sprechweise aber vermutlich noch für Jahre im Kleinhirn herumspuken. Dass die Entwickler schon etliche Jahre mit Herzblut an diesem Spiel feilen, würde ich nie anzweifeln. Ich kann es sehen und hören.

Zum Glück bleibt es nicht bei schönem Drumherum, denn spielerisch ist Sakuna ein Schwergewicht, auch wenn man es in der ersten Stunde nicht ahnt. Zu beliebig scheint zuerst der plötzliche Wechsel zwischen seitwärtsscrollendem Prügel-Hüpfspiel und Reisanbau-Simulation, der einem recht schnellen Tag-und-Nachtwechsel unterworfen ist. Lediglich acht Minuten vergehen zwischen Sonnenauf- und Untergang. Was es damit auf sich hat, erkläre ich gleich.

Dämonenschleuder

Eingangs steigt man noch nicht so recht hinter den Zusammenhang des Ganzen. Der Einstieg wirkt nämlich wie ein beliebiger seitwärts scrollender 2,5-D-Plattformer. Die kleine Heldin springt durch Höhlen und Tunnel, nutzt ihren Schal als Enterhaken zum Überbrücken größerer Schluchten und prügelt anhand eines Zwei-Knöpfe-Kampfsystems kleine Dämonen in Form von Karnickeln oder Wildschweinen zu Brei, wodurch Ressourcen abfallen. Etwa frisches Fleisch, Leder und weitere Materialien, die später zum Verzehr dienen oder zum Craften geeignet sind.

So richtig interessant wird es erst, wenn große Dämonen auftauchen. Riesige Hirsche mit Trittreflex, Bären, die Schilde tragen … sowas eben. Obwohl Sakunas Lebensleiste abseits der Kampfszenen automatisch zurück auf das Maximum steigt, hätte sie mit reinem Buttonmashing kaum eine Überlebenschance. Glaubt mir, ich hab‘s versucht. Deren Energieleiste reicht einmal von links nach rechts über den Bildschirm. Na gut, mit ein wenig Cheezen kriegt man auch diese Viecher klein, aber so ist es nicht gedacht. Der offizielle Weg ist viel spaßiger.

Große Dämonen scharen nämlich immer einen Pulk kleiner Schergen um sich herum. Verprügelt man diese mithilfe langer Komboketten (oder einem Spezialschlag), so fliegen sie nach einem letzten, besonders heftigen Treffer mit Karacho an die nächstbeste Wand - oder im besten Fall gegen den Meister-Dämon. Das kostet ihn ordentlich Hitpoints und bereitet irre viel Spaß. Als ich nach ein paar Fehlversuchen das System verinnerlicht hatte, wollte ich gar nicht mehr aufhören.

Es liegt eine wohltuende Befriedigung darin, die kleinen rotäugigen Lümmel gegen die nächste Wand oder einen großen Gegner zu donnern. Erst recht, wenn sie nervige Angriffsmethoden an den Tag legen. Siehe diese komischen Spatzen, die aussehen wie Disney-Vögel, die mit Helium aufgepumpt wurden. Denen könnte ich den ganzen Tag die Federn rupfen.

Ein wenig Strategie ist dabei durchaus vonnöten, denn je weiter man kommt, desto größer die Anzahl gleichzeitig agierender Dämonen und umso gemeiner ihre Vorgehensweise. Manche schießen Pfeile oder werfen Bomben, andere gehen in den Nahkampf oder sprinten wie wildgewordene Berserker mit dem Kopf voraus auf die kleine Göttin zu. Da hilft manchmal nur eine Notbremse in Form einer begrenzt einsetzbaren Spezialattacke. Von diesen lernt Sakuna im Laufe der Zeit mehrere, die man im Ausrüstungs-Menü nach eigenem Gutdünken gewissen Steuerungs-Kombos zuweist.

Nur findet der Spaß ein jähes Ende, wenn die Sonne untergeht, denn bei Nacht sind die Dämonen einerseits schlecht zu sehen, andererseits um ein Vielfaches stärker als vorher. Sogar so stark, dass Sakuna in den ersten Spielstunden kaum mehr als einen Trefferpunkt Schaden je Schlag anrichtet. Und noch schlimmer: Schon kurz bevor die Nacht einbricht, bekommt sie Hunger, wodurch ihre natürliche Selbstheilung den Dienst einstellt. Gleich zwei Gründe, die seitwärtsscrollenden Passagen zu verlassen und über die Weltkarte zum trauten Heim zurückzukehren.

Zuhause – das ist ein Reisfeld und ein paar Hütten auf der Spitze eines Bergs. Sozusagen ein kleiner Hof, den man in einer richtigen 3D-Verfolger-Perspektive inspiziert. Dort angekommen, fügte ich mich jeden Abend einem Ablauf, den ich geradezu als Ritual empfinde. Nach dem angebauten Reis schauen, gesammelte Materialien und Erze inspizieren, Nahrungsmittel konservieren und schließlich das Nachtmahl zusammenstellen, welches die Frau des Samurai dann zubereitet.

Das Abendessen wird oft von ausführlichen Gesprächen begleitet, die alle Zusammenhänge der Welt, aber auch familiären Plausch in Form einfacher Sprechblasen aneinanderreihen. Das fand ich die ersten paar Male amüsant, später aber ein wenig lästig. Man gewöhnt sich dran. Anschließend sollte ich jede Nacht entscheiden, ob sich die Familie schlafen legt und Kräfte regeneriert oder bis zum Morgen durchmacht.

Letzteres wird erst sinnvoll, wenn Sakuna stark genug ist, um Gegnern nachts das Fell über die Ohren zu ziehen. Nächtliche Streifzüge garantieren nicht nur seltene Beute, sie gehören auch zu Standard-Subquests für Grind-Runden, die jede Höhle auf der Oberwelt auflistet. Je mehr davon erledigt wird, desto mehr Schauplätze schaltet das Spiel frei.

Schüttel dein Haar für mich

Aber was hat es denn nun mit dem Reis auf sich? Nun, die kleine Heldin muss an manchen Tagen auf das Abklappern der umliegenden Höhlen verzichten, weil sie mit dem Anpflanzen, dem Kultivieren, Ernten und Verarbeiten ihrer Reispflanzen beschäftigt ist. Das beinhaltet eine Menge Handarbeit, die ich mit dem Joypad verrichten sollte. Kein Pappenstiel. Eher ein spielbares Kompendium.

Was es nicht alles zu tun gibt: Feld pflügen, Samen säen, das Feld bewässern, Unkraut jäten, Dünger aus dem Familienklo mit Nährstoffen anreichern, die Sense schwingen, die Ernte trocknen, und verarbeiten, Reiskörner stampfen und so weiter. All diese Tätigkeiten wurden mir leider nicht als Minispiele verkauft, die einen in sich geschlossenen Unterhaltungswert bieten, sondern als repetitive, monotone Arbeitsschritte. Schade, denn das Potenzial dafür wäre vorhanden, und da ich bei manchen Aufgaben gut und gerne 40 Mal hintereinander dieselbe Joypad-Kombination betätigte, wünschte ich mir nicht selten eine Spielregel, die das Ganze spannender gestaltet.

Immerhin: Die Komplexität und die Dauer der Arbeitsschritte vermittelt das sehr gut, welche Plackerei der Anbau von Reis mit sich bringt. Zudem kommt der Anbau immer in Häppchen. Er ist daher gut verdaulich. Drei Tage und Nächte setzt das Spiel repräsentativ für jede Jahreszeit an, dadurch bleibt genug Zeit für das zwischenzeitliche Vertrimmen von Dämonen. Völlig vernachlässigen durfte ich den Reisanbau jedoch nicht, denn die Versorgung der Familie wie auch Sakunas Leistungswachstum sind Faktoren, die von der Qualität der Ernte abhängen. Und die bildet immerhin die Nahrungsbasis für ein komplettes Jahr.

Sakuna: Of Rice and Ruin - Comiket #92 Gameplay Trailer

Dieses Video hält frische Spielszenen aus Sakuna: Of Rice and Ruin für PC und PS4 für euch bereit.

Spürt ihr diese Prise Harvest Moon? Ja, sie ist subtil, aber sie ist vorhanden, und mit jedem weiteren verstrichenen Jahr konnte ich nicht nur mehr Grundwissen über den Reisanbau sammeln, sondern auch strategisch für die kommende Ernte vorausplanen. Wie viel Hülse lasse ich ihm beim Stampfen? Davon hängt ab, wie nahrhaft er ist und wie gut er als Saat dient. Will ich meinen Reis weich und klebrig oder lieber hart und widerstandsfähig? Daran misst sich der Buff-Faktor, den er nach dem Verspeisen verleiht.

Ein Faktor, der mindestens genauso viel Einfluss auf Sakunas Kräfte hat wie das Crafting von Waffen und Rüstungen. Abhängig von den gesammelten Materialien Holz, Metall, Erz und Leder stellen die Kinder der Familie diverse Hüte, Kleider und Anbauwerkzeuge her. Letztere dienen zugleich als Waffen für den Kampf. Und so schließt sich der Kreis.

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